Ungünstig

Wenn man in der Küche steht an einem Donnerstag Mittag und in aller Seelenruhe Teedosen
auswischt und in einen Karton stellt, immer wieder zur Uhr sieht, in Gedanken den Nachmittag
gemütlich verbringen möchte, in Ruhe mit den Kindern ein Eis essen zum Beispiel, in Ruhe
einfach nur Sitzen, man immer wieder zur Uhr sieht und denkt demnächst müsse man mal
langsam los, wenn man eben fertig ist so rund um 14Uhr, man wäre sogar etwas früher im
Kindergarten und die Kinder würden sich sicher freuen, man wischt weiter Teedosen sauber und
ist entspannt, man schaut zur Uhr, die 13.32 Uhr anzeigt und guckt nochmal und hält inne und
überlegt und plötzlich fällt es einem ein: Man hat die Ergotherapiestunde um 14Uhr vergessen,
die nicht abgesagt mal eben 30 oder 40 Euro kostet, ist das sehr sehr ungünstig.
Und plötzlich bin ich hell wach, ganz angespannt und muss schnell handeln. 25 Minuten.
25! Ich stehe halbnackt in der Küche über meinem Regal und den Teedosen, ein Sohn angezogen,
einer schläft und die Großen sind im Kindergarten. Wie zum Teufel soll ich das schaffen? Was
soll ich zuerst machen? Welche Reihenfolge ist sinnvoll? Kann ich das noch schaffen? Kann mir
einer helfen?
Ich beschloss, dass mir niemand soll schnell helfen würde können und akzeptierte, dass ich
vermutlich nicht rechtzeitig da würde sein können. Ich huschte los und hielt inne. Zog zuerst
Tom an- Schuhe und Jacke und Sonnenhut. Dann rannte ich ins Schlafzimmer, wo mein Krach
Ben weckte, ich zog mich schnell an. Rannte rüber und schnappte mein Handy, meinen Geldbeutel
und meinen Schlüssel und warf alles in eine Tasche. Und Noahs Hausschuhe, die braucht er doch.
Und dann lief ich wieder rüber zu Ben, nahm ihn und trug ihn zum Wickeltisch. Ich zog Ben an,
nahm einen Jungen links, einen rechts und trug Beide runter zum Zwillingskinderwagen. Der
durch Zufall unten stand. Und den ich brauchte, denn mit Tom an der Hand würde ich wie immer
15- 20 Minuten zum Kindergarten brauchen. Ich schnallte beide an und rannte runter in den
Kindergarten. Als ich mich umdrehte und wie immer zum Uhrenladen schaute, zeigte die Uhr dort
13.40 Uhr an. In Gedanken ging ich die Fahrten des Busses durch. Am Kindergarten fährt der
Citybus immer 2. 52 Könnte ich schaffen. Aber nur vielleicht und vielleicht passe ich in den kleinen
Shuttlebus mit den Monsterkinderwagen gar nicht rein, dann würde ich umsonst warten. Ich
rannte bergab. Mir wurde übel als ich im Kindergarten um 13.46Uhr ankam. Gute Zeit. Jetzt käme
es auf die Kinder an. Die saßen beide im Sandkasten und spielen mit einander. Die Erzieherin
kamen auf mich zu, aber ich war zu spät heute. Alles musste schnell gehen. Ich nahm Zoe und
Noah an die Hand, sagte wir sind zu spät. Noah wollte erst nicht. Lieber Eisessen sofort. Ich
schickte die Kinder zu den Kleinen und rannte rein. Ich schnappte mir im Gehen, erst den einen
dann den anderen Rucksack vom Gang, lief in die Umkleide, schaute mich um, griff mir die
Jacken und rannte wieder raus. Lief an einer Freundin vorbei: Keine Zeit, spät dran. Lief mit
den Kindern zurück den Berg rauf. Schnell den Zwillingskinderwagen hochschieben, wenn einem
die Sonne ins Gesicht scheint, ist anstrengend. So sehr, dass mir so schlecht wurde, ich das
Gefühl hatte, mich übergeben zu müssen und zwar sofort. Meine Freundin aus dem Kindergarten
hielt nun oben am Berg mit ihren Auto. Sie wollte ihren älteren Sohn vom Hort oben in der Altstadt
abholen. Ich war erleichtert, denn sie half mir schieben. Wir schafften es wirklich rechtzeitig zur
Ergotherapie. Sie hatte sogar noch ihre Tür geschlossen und ich hatte Zeit Noah die Schuhe aus
und die Hausschuhe anzuziehen. Du Leute starrten mich an, denn es war zwar warm an diesem
Nachmittag, aber so warm, dass man dermaßen krebsrot im Gesicht ist, nun nicht. Sie wusste
von nichts, lächelte und ging mit Noah in den Raum. 25 Minuten.
Ich ging einkaufen und besorgte die Sahne und den Eistee für den gemütlicheren Teil des Nachmittags
und ich gestehe dem erstbesten Lieblingsverkäufer meine Leidensgeschichte zu erzählen. Aber so
wirklich verstanden hatte er es nicht. Aber ich fühlte mich wie Supermom. Eine krebsrote, japsende
Supermom. Aber ich hatte es geschafft. Und ärgere mich noch jetzt, dass ich es einfach vergessen
hatte. Und sagte den Kindern an diesem Nachmittag unzählige Mal, wie toll sie doch sind. Und
das sind sie. Superkinder eben.

9 Kommentare

  • isabella

    solche tage erlebte ich und fragte mich ob ich denn irgendwann einen herzanfall oder ähnliches erleide!

    vor allem dieses von 0 auf 100 zu kommen. in unterwäsche dazustehen.. die kinder schlafen man MUSS aber in 20 min, wo sein..

    du supermom du! du bist echt sowas von fleißig!

  • Jinlys

    Und da soll nochmal wer die Augen hochziehen und sagen: „Wie, nur Hausfrau und Mutter?“

    Man braucht manchmal so dermaßen viel Überblick, Organisationstalent, Nerven und Kraft – da könnte sich jeder Manager nochmal ein Scheibchen von abschneiden. :-)

  • 5kidsmami

    Schließ mich den Worten von Jinlys an. Diese Tage und daneben noch schlaflose Nächte u. kranke Kinder hab ich auch manchmal und dann kann sein es ruft jemand an und fragt, ob ich Zeit für einen Kaffee habe. Nein sorry, nächste Woche viell. mal wieder. Gerade ist es doch etwas ungünstig.

    :-)

  • Kathi

    Supermütter bekommen Superkinder – so ist das :-)

    Es ist schon wahnsinn, wie Kinder mitziehen können, wenn sie merken, dass es notwendig ist. Da bin ich bei Caitlin auch immer wieder begeistert!

    LG Kathi

  • stadtfrau

    ich find das auch toll von deinen kindern, dass sie da mitziehen! ehrlich: meiner würds in der situation (mitten aus dem schönsten spielen rausreißen) nicht machen ;)

  • DasDanny

    …und du kannst mit RECHT sagen, dass DU Supermom inkl. Superkids bist :-)

    Ich zieh den Hut vor Dir, auch davor wie Du das alles ohne Auto wuppst!!!!!!!!

    Alles Liebe *liebdrück*