Abschied.

Vor über fünf Wochen machte ich einen Schwangerschaftstest. Genau genommen waren es zwei. Diese
Tests zeigten mir an, was ich schon länger wusste, ich war schwanger. Ich konnte es sehen.
Vor zwei Tagen machte ich wieder einen. Und heute morgen noch einen. Also waren es genau genommen
zwei. Diese Tests zeigten mir anhand ihres Verlaufs an, was ich schon länger weiß. Ich habe mein Kind
verloren. Ich konnte es sehen.

Alles in allem. War es ein sanfter Abschied. Ich hatte vor drei Wochen Zeit, um mich von unserem Kind
zu verabschieden. Es kam nicht so plötzlich, ich hatte ein paar Tage. Und nun endete in diesen Tagen
wie alles begann. Mit zwei Tests. Heute morgen konnte ich wirklich fast keine Linie mehr sehen. Mein
Kind ist gegangen. Ganz sanft. Mein Körper hat es jetzt erst verstanden.

Mittlerweile bin ich erleichtert und ängstlich zugleich. Erleichtert, weil wir einen Teil des Weges
geschafft haben.
Am Freitag zündeten wir zwei Kerzen in der Kirche an: Eine für unser Kind, für das was war, für
unsere Trauer. Das machte mein Mann. Und ich zündete an dieser Kerze eine Zweite an, für die
Hoffnung. Ich habe geweint. Natürlich. Aber es hilft. Alles hilft ein bisschen. Ich kann nicht sagen,
woran es liegt. Es ist wohl wie immer im Leben ein individueller Weg, den man da geht mit seiner
Trauer.

Ich habe mich entschlossen die bestellten Babysachen zu behalten und das tat letzte Woche sehr
gut, dieses Hüten und Bewahren der Erinnerungen. Mir fehlt eine Kiste für diese Sachen. Das spüre
ich.
Das Bild oben im Flur tut mir gut. Es fühlt sich richtig dort an. Es ist als hätte mein Herz nur darauf
gewartet, dass ich diese Dinge tue.
Seitdem mein Mann zu Hause ist, habe ich auch Zeit. Zeit mich auszuklinken, Zeit zu schlafen, Zeit
zum Alleinsein und Zurückziehen aber auch Zeit zum Genießen des heimischen Trubels.
Ich habe die Feiertage sehr genossen und auch die Vorbereitung darauf. Es fehlt mir sogar ein
bisschen. Mir tat es sicherlich gut, mich darauf zu konzentrieren. Ich merke heute Abend wie meine
Stimmung wackelt. Es ist wieder Zeit zu schreiben. Deswegen schreibe ich jetzt.

Ich war sehr berührt vom Weihnachtsbrief meiner Schwiegereltern. Der erste Absatz ist uns gewidmet.
Oder besser unserem Kind. Dort steht es schwarz auf weiß, es steht da, dass es da war und nun fort
ist- unser Kind. Das hat mich mehr bewegt, als ich dachte.

Ich merke wie gut mir das tut. Dieses Erinnern. Und Festhalten. Und auch die Gewissheit, dass dieses
Kind bereits einen Platz in dieser Familie hatte. Es war Willkommen.
Aber auch Teilen. Ich würde es auf keinen Fall missen wollen. Diese Nähe zu anderen. Mit ihnen teilen.
Und auf der anderen Seite.

Bin ich ängstlich. Jetzt wo der Körper versteht und auch ankommt, erreicht mich die Angst. Und auch
da werden wir einen Weg finden. Ich werde einen für mich finden. Leben mit der Trauer über ein
verlorenes Kind und gleichzeitig der Sehnsucht nach einem anderen. Ein Akt auf dem Hochseil. Auch
wenn alles seine Zeit braucht und hat, merke ich immer mehr wie sehr es mich beschäftigt. Ein stetes
Hin und Her, Gefühlsachterbahn.

Wir haben kein Baby mehr im Haus. Ben ist bereits 15 Monate alt. Ich habe angefangen die Kinderzimmer
zu räumen. Neue Spielsachen ein- und alte ausgeräumt. All die wirklichen Babysachen habe ich runter
gebracht- in den Keller. Ich denke an Veränderungen, Verschönerungen im Haus. Und so machen wir
es uns gemütlich, ich versuche es und nehmen in gewisser Weise Abschied von einem möglichen Bald.
Wir geben uns größte Mühe und bleiben im Jetzt.

Du fehlst mir trotzdem.

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