Psychohygiene*

Ich kann nicht ganz genau sagen wann, aber vor dem Urlaub schon, hatte ich das Gefühl nur noch mit den Armen zu rudern. Ich hatte das Gefühl eher zu ertrinken, als noch entspannt im Alltag zu schwimmen.
Klar dachte ich noch vor dem Urlaub, so viele Vorbereitungen stressen einen ja auch, dann noch die Tagespflege- das summiert sich. Im Urlaub war ich ganz ab vom Fleck, alles war relativ schnell weit weg. Und was ich erwartet hatte für zu Hause, war ein Kulturschock.
Und genau das passierte. Raus aus der Pause, mitten rein in den Wahnsinn. Was ich nicht erwartet hatte, war wie heftig der Aufprall sein würde. Als ich letzten Dienstag schon wieder mittendrin war, meinte mich zu fühlen wie vor dem Urlaub, wurde mir klar, hier läuft was schief, jetzt ist Schluss. Es muss endlich etwas passieren. Ich muss was tun.

Es ist dieser doch noch gut funktionierende Selbsterhaltungstrieb. Also begann ich meine Seele aufzutanken. Am Mittwoch ließ ich den Mann trotz unruhigem Baby allein und ging mit einer Freundin spazieren. Nicht lange. Aber doch lang genug. Das war schon ein Befreiungsschlag. Denn bis dahin war ich doch nur ungern gegangen, wenn ich das Gefühl hatte, Emil würde das nicht gut machen.
Donnerstag traf ich eine andere Freundin, leider aber ganz normal am Nachmittag mit ihren Töchtern, aber immerhin. Abends ging ich schwimmen- und das hatte ich schon Ewigkeiten nicht mehr gemacht. Es ist verrückt, es tut mir so gut und das hatte ich vergessen. In den ersten Minuten dreht sich alles um meinen Tag, was ich hätte anders, besser machen können, irgendwann schalte ich ab und es geht nur darum mich zu spüren, anderen auszuweichen und wie viele Bahnen ich schon geschwommen bin.
Freitag hatte ich das große Glück, dass meine Schwiegermama und meine Schwägerin die vier Großen entführten für 3 Stunden, ich konnte nicht ganz gar nichts tun, aber es war genau richtig.
Samstag schaffte ich mir die Auszeit mit Zoe, am Abend waren wir noch im Freibad und ich schwamm erneut ein paar Runden, zwar nicht viele, weil mein schlechtes Gewissen zu groß war, aber immerhin.
Sonntag war ich wieder in der Gärtnerei und ließ tagsüber vieles zu Hause einfach mal bewusst liegen. Gestern war ich beim Abschiedsessen vom Elternbeirat und als ich zurück kam, war Emil wach. Das war der Preis. Wäre ich hier gewesen hätte ich ihn wahrscheinlich in den Schlaf zurück gestillt, so hatte ich 2 Stunde einen freien Kopf und der Mann hatte ja alles im Griff. Heute war ich wieder schwimmen. Und es fällt mir schon leichter, den Kopf einfach auszuschalten. Es tut mir gut, was für meinen Körper zu tun. Als ich kam war ich gleich wieder für Emil da und nun liegt er neben mir. (Und ich weiß, vorm Wochenende komme ich vermutlich eh nicht mehr ins Wasser.)
Es ist viel auf einmal, viele Kleinigkeiten, aber ich brauche das gerade. Es ist unglaublich wie groß schon jetzt der Effekt ist. Wie entspannt ich bin. Gestern Nachmittag sagte ich zu meiner Freundin: „Da gibt es einfach nichts dran zu rütteln, wenn es der Mama gut geht, gehts der ganzen Familie gut.“ Wenn es mir gut geht, habe ich Kraft für den Alltagswahnsinn.
Aber wenn mir wie den letzten Tagen oder Wochen alles zuviel und nur noch eine Belastung ist, ich das Gefühl habe zu ertrinken, dann taucht man auch viel schneller unter, wenn mal was Unerwartetes passiert.
Die ganze Zeit dachte ich an eine Zeit nach Toms Geburt, wo ich auch an so einem Punkt war, dazu meine Freundin mit Burn Out… Meine Augen sind auf.

Es ist nicht wieder gut. Ich bin da gerade sehr vorsichtig. Und versuche aufzupassen und am Ball zu bleiben. Aber ich geb mir Mühe. Und das wollte ich festhalten.

*wird mein Wort des Jahres. :)

7 Kommentare

  • Nathalie

    Ich kenne das sehr gut.
    Zum Glück kann ich das jetzt wo mein Mann in Elternzeit ist und keinen Schichtdienst arbeitet auch fü rmich tun, ich kann mich noch gut an das erste Jahr mit dem Millchen erinnern, ich frage mich heute wie ich das geschafft habe und heil geblieben bin. Von einer angeschlagenen Mami hat niemand was und ich bedauere jetzt noch, dass das erste Jahr so an mir vorbeigerauscht ist!
    Viel Spass bei deiner Psychohygiene, das klingt aber ein bisschen gruselig! ;-)

  • Anja

    Das kann ich sehr gut nachvollziehen, mir ging es Anfang Jahr einige Monate ganz ähnlich, dann noch der lange harte Winter dazu…
    Tönt gut, wie Sie es machen! An so mancher Binsenwahrheit ist so viel dran!
    Ganz liebi grüäss, anja

  • kassiopeia

    @Nathalie: Ich finde aber auch das erste Jahr ist nicht ohne. Der Schlafentzug. Der Stress. Ich finde es unheimlich schwer da in Balance zu bleiben. Und hier ist es auch so, sobald die bessere Hälfte da ist, bin ich auch entspannter. Schön, dass ihr grad zusammen eine schöne Zeit erlebt!

    @Anja. Dankeschön! Ja, der Winter tat sein übriges. Ich hoffe, ich bleibe so gut am Ball. :) Liebe Grüße zurück!

  • Rabea

    Huhu,
    das kommt mir soo bekannt vor! Vor einigen Wochen hätte ich am liebsten alles liegen gelassen..die Kindern mit meinem Mann gelassen und wäre einfach weggefahren! Es ist mir alles zuviel geworden.
    Kleine Kinder..wo der große Bruder im Moment soo anstrengend ist (3 Jahre ist ein doofes Alter) und Baby. Der Große ist immer auf den Kleinen los und hat gehauen, geschubst, geärgert etc. (ist aber mittlerweile schon etwas besser geworden). Der Kleene wird immernoch so alle 2 std.wach nachts. Haushalt. Arbeiten. Der Mann arbeitet nachts..so dass er tags schläft.
    Vor einiger Zeit habe ich hier auf den Tisch gehauen..da mir mein Mann zuviel rausging..Zeit für sich und seine Freunde hatte und ich gar keine! Nun habe ich zwischendurch auch Auszeiten..und wenn es nur für 2 Stunden ist. Nächste Woche fährt der Große mit meinen Eltern 1 Woche in den Urlaub. Und ich werde mit dem Kleinen ein paar Tage zu meiner Oma fahren :)
    Und hat sich das Thema arbeiten hier verändert..nun werde ich zu Hause bleiben, bis der Kleine auch in den KiGa geht!!

    Aber ich überlege trotzdem eine Mutter-Kind-Kur beantragen.

  • kassiopeia

    Es ist gar nicht so einfach, aus so einer Spirale auszubrechen und für sich einen Weg raus zu finden. Vor allem aber, wenn man nicht immer sofort bei kleinen Veränderungen so einen WOW- Effekt hat und sich vielleicht fragt, wofür man sich dann so abmüht.

    Also meine Hochachtung für jeden Mut, etwas verändern zu wollen!