Die Schwangerschaft mit Emil

Diese Gedanken über die Schwangerschaft mit Emil fliegen seit Wochen im Kreis über meinem Kopf. Es gab sie, einige wenige Momente, in denen ich anfing zu schreiben, aber immer wieder stockte alles. Ich fand keinen Zugang zu meinen ganzen Gefühlen… Und wo heute morgen noch soviel Raum war Worte zu finden, ist es jetzt wieder umso schwerer, aber ich versuche es trotzdem.
So viele Menschen haben gefragt: Warum? Warum habt ihr es (so lange) „verheimlicht“?! Und ich konnte darauf keine wirkliche Antwort geben. Ich weiß, viele liebe Menschen, die sich in der Zwischenzeit die Mühe gemacht haben alte nun lesbare Beiträge anzusehen haben das verstanden. Aber für die anderen, für mich, für Emil möchte ich versuchen kurz zu erzählen…

Wir hätten es sicherlich nicht „geheim gehalten“, wenn die Umstände anders gewesen wären. Als ich schwanger wurde, also als ich wirklich wusste, dass es geklappt hatte, da war ich durchströmt von Glück. Ich versuchte mich wirklich festzuhalten an jedem Tag, jeder Stunde, die ich meinem Kind nahe sein konnte, weil ich erlebt hatte, dass nicht jede Schwangerschaft mit einem gesunden Kind endet. Da waren Ängste schnell, viele davon. Viele Gedanken, die man sich in so einer sogenannten Folgeschwangerschaft macht. Oft dreht man sich im Kreis, Hoffnung und Angst wechseln sich immerzu ab oder existieren parallel. Nach einer Woche hatte ich Krämpfe. Und da war es. Dieses Gefühl. Zwei Mal hatte ich gespürt, wie mein Körper aufhörte mein Kind zu halten. Ich weiß nicht, ob das medizinisch möglich ist, aber es war bei den beiden frühen Fehlgeburten ein und derselbe Schmerz und nur Tage später, kam das Blut. Ein ganz bestimmter Schmerz, den ich beim zweiten Mal sofort wieder erkannte. Anhaltend. Wie eine Art Krampf. Und da wusste ich es. Zumindest beim zweiten Mal. In dieser 5. Woche war ich unsicher und ich weiß nicht mal wieso, es war ebenso schlimm der Schmerz. Und ich ging am nächsten Morgen zum Arzt, weil ich wusste und wissen wollte, sehen wollte, ob da noch etwas ist oder schon nichts mehr, wie es früher gewesen war. Ich ging so früher zu meiner Ärztin als geplant. Als ich dort ankam hörte ich mich sagen: „Ich bin eigentlich schwanger, aber hatte gestern Nacht Krämpfe.“ und die zauberhafte Arzthelferin warf mir an den Kopf: „Aber die Schwangerschaft ist noch nicht festgestellt worden oder?“ Das war wie eine Ohrfeige. Das tat einfach nur weh. Natürlich war ich schwanger, ob der Minist- Mensch nun wieder gegangen war oder nicht, aber es hatte ihn gegeben, natürlich! Meine Ärztin schallte… Und da war ein Punkt. Emil war noch da. Ja, Emil. Emil, war das Kind über das wir Wochen vor der Befruchtung sprachen. Das Kind auf der Wolke, das früher oder später zu uns käme. Das wartete, wie wir warteten. Und was hatte ich Angst! In meinem Kopf war auch der Gedanke ich würde kleine Seele holen und verlieren, immer wieder, ich war einmal sehr verzweifelt gewesen, als wäre ich eine Kinderseelendiebin. Zum Glück hatte ich liebe Menschen um mich herum, die mir Mut machten. Meine Liebe sahen. Und den Platz in unserem Herzen. Und dann als wäre es schon eine Prüfung, hatte ich Blutungen im Zyklus, in dem Emil entstand. Tagelang hatte ich auf den Eisprung gewartet, der immer so irrsinnig schmerzhaft heran rollte und dann war da Blut. Ein Problem, dass ich im Griff zu haben glaubte mit Mönchspfeffer, ein Problem, dass es erst seit seinem Tod gab, ob medizinisch entstanden oder durch die Seele. Die liebste Mairegen machte mir damals Mut und auch war da Kraft, ich wollte ihn -diesen Emil- nicht verpassen. Also wagten wir es, trotz Zwischenblutungen. Und er wuchs da. Seit dem ersten Arzttermin mit der Hilfe von Utrogest, 3x 2 am Tag. Man entnahm mir ausserdem Blut und schon am Abend hörte ich eine überschwängliche Arzthelferin, „diesmal würde es wohl gut gehen“. Der Wert lag bei fast 1000. Was mich natürlich nicht davon abhielt, zu googeln ob das normal sei und mir Sorgen zu machen, der hohe Wert könne ein Anzeichen einer Chromosomenstörung sein. Ich schrieb: “Es war heute ein unbeschreibliches Gefühl. Da warst du. Ein kleiner Haufen Leben. So wunderbar. Lass dir einfach Zeit, wachse in Ruhe. Ich hab Vertrauen. Wir schaffen das zusammen! Lass uns einfach im Hier und Jetzt bleiben!“ Ich fasste neuen Mut und Vertrauen. Und verlor beides nur Tage später, als ich Blutungen bekam. Erst nur einmal und beim zweiten Mal ging ich sofort in die Klinik. Ich wollte es wissen, ich musste. Ungewissheit fraß mich auf. Da saß ich allein, drei Frauen im Hintergrund via WhatsApp. Der Mann gefühlt Kilometer weit weg. Er wollte nicht dabei sein, er wollte wie er sagte mich zu Hause haben mit Baby im Bauch, nicht dort wissen. Und es war okay. Die Ärztin kam, schallte und fand einen Embryo. Noch ohne Herzschlag. Aber einen Embryo, der leider zu klein war. Ich war auf alles gefasst und ging heim. Nicht das letzte Mal. Kurze Zeit später sollte ich von unterwegs Blumenpost davon erzählen, wo ich her kam. Und da kam sie wohl auch gerade her. Vieles passierte verrückter Weise zeitgleich. Tage später, erneute Kontrolle. Eine Woche war vergangen und ich war bei meiner Ärztin. Kein Anzeichen einer Fehlgeburt. Sie vermass mein Kind, nicht mal 2mm groß. Dann nahm man mir ein zweites Mal Blut ab, was mir zum Verhängnis werden sollte. Denn diesmal gab es am Abend keinen Wert. Man vertröstete mich. An sich keine große Geschichte, das Labor hatte viel zu tun. So einfach war es aber nicht, denn man hatte mich bereits einmal angelogen. Damals bei der ersten Fehlgeburt hatte man mir am Telefon gesagt, der Wert wäre noch nicht da, doch der Mann, der anrief, erfuhr ihn damals. Ich war so aufgelöst. Wollte man mich nur wieder verschonen? Sollte mich morgen ein Arzt anrufen, um es mir schonend bei zu bringen? Irgendwie brachte ich die Kinder ins Bett und fuhr wie eine Verrückte, aber genauso war es, zum Krankenhaus die paar Meter vorbei am Labor. Niemals werde ich das Gefühl vergessen, diese Erleichterung, wie meine Schultern plötzlich hangen und ich den Kopf nach hinten warf, weinend und mir der Nieselregen ins Gesicht tropfte. Wenigstens arbeitete das Labor am Krankenhaus wirklich. Einen Tag später war morgens der Wert immer noch nicht da, ich sollte nachmittags anrufen und als ich gerade im schönsten Frühstücksablenkungsplausch mit Lisa war, kam der Anruf. Eine Ärztin war dran, sie nannte mir nur einen Wert. Sie kannte weder mich, noch ob das gut oder schlecht war, aber als ich ihre Stimme hörte rutschte mein Herz tiefer. Der ß-HCG-Wert war aber schon bei weit über 9000. Ich konnte an diesem Morgen vor Lisa nun nicht mehr meine Gefühle verstecken. Was das größte Geschenk war, denn sie war mir eine so große Hilfe. Zwei Tage später feierten wir einen wunderschönen Geburtstag unserer Tochter, ein Geschenk. So nahm ich das wahr, ohne Sorgen, es war wunderschön. Einen Tag später rollte ich mit dem Kinderwagen gegen eine elektrische Tür, aber so schlimm, so fest, dass es in meinem Kopf pochte. Das Gefühl im Unterleib kannte ich. Aber ich wollte es nicht wahr haben. Das musste ich mir einbilden, ich war einfach zu hysterisch. Ich holte die Jungs vom Kindergarten wie in Trance und ich dachte nur an dieses Gefühl im Bauch. Ich erreichte meine Ärztin nicht mehr, die Praxis schloss. Ich war fertig, ich machte mir unendliche Vorwürfe. Ich erreichte Lisa und sie eilte zur Hilfe sofort, hütete die Kinder und ich rannte in die Klinik. Niemals werde ich vergessen wie ich da saß, dieser Schmerz im Unterbauch, genau die Höhe wo das Lenkrad rein geknallt war, wieder einmal. Das durfte einfach nicht sein. Nein ich wollte das alles nicht. Ich wollte zwar arbeiten aber nicht schon Anfang 2012. Ich wollte mein Kind ausbrüten. Und dann untersuchte mich eine wahnsinnig liebe, einfühlsame Ärztin, die von Gottvertrauen sprach, aber auch von man wisse halt nie. Da war mein Baby mit Herzschlag, aber bei der Untersuchung stellte sich allen Ernstes heraus, dass ich ein großes Hämatom hatte, einen Bluterguss weitaus größer als mein Kind, direkt an der Fruchthöhle. Und ich wußte, wie ernst es war. Ich wusste was ein Bluterguss im Stande war zu tun. Ich hatte all das erlebt. Und dieser war wieder so groß. Also lag ich und hütete das Sofa. Dank meinem Mann, dank Lisa. Und sonst wusste niemand, was ich da tat. Ich war halt krank. Wieder nur Tage später, Kontrolle bei meiner Ärztin war der Bluterguss weg. Einfach weg. Aber ich fuhr nie wieder mit dem Kinderwagen, Ben musste von jetzt auf gleich alles laufen. Das war eine große Umstellung, aber es ging einfach nicht mehr…
Ende der 9. Woche wollt ich vor dem Losgehen morgens nur mal schnell noch zur Toilette und da war erneut Blut. Sofort stieg die Hitze wieder auf. Woher kam das? War mein Kind noch da? Ich ging sofort ins Krankenhaus wurde erneut wahnsinnig lieb behandelt und da war mein Kind- lebendig. Und ein Hämatom größer als mein Kind. Schon wieder. Ich hütete das Wochenende über das Bett und Mitte der 10. Woche, nach der Ergotherapie, ein Gefühl von aber ich war doch gerade erst auf der Toilette und wahnsinnig viel frisches Blut. Ich schluchzte, telefonierte mit dem Mann, der sich sofort auf den Weg machte, versuchte eine Freundin zu finden, die die Kinder nimmt, mir rannen die Tränen nur so und ich konnte nichts dagegen machen. Als der Mann kam, flitzte ich los. Wieder Krankenhaus. Das Hämatom war abgegangen. Ohne Emil. Emil war noch da. Ich war so so so erleichtert. Was danach aber nicht mehr aufhörte war die Blutung. Es gab immer wieder mal Blut, man wusste nicht woher. Irgendwann stand im Raum, es könnte eine zu weit vorne sitzende Plazenta Schuld sein, sie lappe wohl in den Muttermund, man wisse es einfach nicht genau, aber es waren harte Wochen. Wochen, auf dem Sofa am Abend. Mit LieblingsDVD. Wenig Reden, viel Hoffen und ganz vielen Gedanken. Es war Dezember. Die 12. Woche nahte. Und auch die schlimme 13./14. Woche, wo ich unseren Sohn verloren hatte. Eigentlich wollten wir es mal irgendwann an Heilig Abend, den Großeltern und den Kindern erzählen. Dann kam uns das nicht schön war, es war Weihnachten nicht Babytag. Aber all das vergrub sich am 23.12. in der Nacht, als ich ins Bett wollte nach dem Einpacken der letzten Geschenke in der 13. Woche. Blut. Nach einer für mich größeren Pause. Ich hatte bis dahin immer die Blutungsfreien Stunden gezählt. Meist nur zwei Tage, diesmal war es mehr. Ich war wie gelähmt. Kurz dachte ich, ich will sofort in die Klinik. Ich schlief schlecht, das Blut wurde wieder bräunlicher. Aber die Angst ging nicht. Würde es mehr werden? Ich wollte es diesmal nicht wissen, ich wollte mit meiner Familie Weihnachten feiern, also fuhren wir zu meinen Schwiegereltern und verbrachten ein wirklich schönes Fest. Mit meinem Baby, so wie ich es mir so sehr gewünscht hatte, auch wenn ich nicht sicher wusste, ob es noch lebte. Ein paar Tage später wieder wöchentliche Kontrolle bei einer anderen Ärztin der Praxis. Mein Kind war da. Sie schaute sich alles ganz genau an. Diese Ärztin war zur gleichen Zeit, 14. Woche da als unser Kind nur noch tot in mir war, neben diesen gigantischen Hämatom, diesmal zeigte sie mir das Gehirn unseres Kindes, meines lebenden Kindes, meines wunderschönen Kindes und fragte mich, ob ich wissen wollte, was es wird. Ich wollte und sie sagte, sie sei sich nicht ganz sicher, aber es würde aussehen wie ein Zipfel… Ein Zipfel… Ich schwebte nach Hause. Ein Emil? Unser Emil!? Sollte es wirklich so sein? Es war der 30. Dezember. Wir feierten ins neue Jahr, ich hielt heimlich meinen Bauch und fragte mich, ob es wirklich dieses Jahr so sein sollte, dass wir wirklich unser fünftes Kind bekommen würden… Ich hielt ihn fest unseren Sohn… Unser Kind, ob mit oder ohne Zipfel… Fast 14cm von Kopf bis Fuss. Die erste Hürde war genommen.
Ich hatte danach irgendwann erneut Blutungen, ich glaube in der 16. Woche ein paar Tage, 20. Woche das gleiche, 24. Woche, 30. Woche. Immer wieder ein paar Tage, irgendwann war es nur noch so ein Puffer. Schon wieder. Es war furchtbar. Diese Angst. Und in dieser Zeit, auch immer mal wieder ein unabsichtlicher Tritt von den Jungs. Immer wieder Sorgen. Gedankenkreisel. Ab der 19. Woche hab ich ihn gesehen, ja wirklich gesehen. Meine Haut um den Bauchnabel fuhr wie auf hoher See. Das half und wie das half. Natürlich war da Angst, aber ich konnte ihn ja sehen, hin und wieder. Noch nicht so gezielt wie ein paar Wochen später aber es war hilfreich die Tage durch zu stehen, ich begann mich zaghaft zu freuen. Aber ich fuhr kein Auto mehr und im Bus krallte ich mich täglich so fest. In der 20. Woche erfuhr ich endgültig, dass Emil Emil war. Ich las viel über Frühgeburten. Ich wollte informiert sein. Wieso sollte ich davon verschont bleiben, es konnte durchaus auch uns passieren, wie uns andere schlimme Sachen auch passiert waren. Ich wollte gerüstet sein, kannte die Anzahl und Überlebensrate früher Frühgeborener, ich sah mir Dokumentationen an, ich erfuhr, wann in Deutschland gehandelt werden muss und wann es schon Spielraum gibt und das in Deutschland sehr früh versucht wird zu helfen. Ich kannte das richtige Krankenhaus. Ich hangelte mich in diesen Bereich von überlebensfähig, ich zählte dir Tage rückwärts. Endlich. Morgens erwachen und ihn zu spüren war wunderwunderschön. Bei 22+0 sagten wir es den Kindern. Es war wirklich ganz kurz und knapp. Ich fragte, ob einer wisse würde, warum mein Bauch so dick war und schon war die Bombe geplatzt. Einfach so. Puff. Wie oft hatte ich mich gefragt, wann endlich der richtige Moment sein würde. Ein paar Tage später sagten wir es den werdenden Großeltern und nach einem Einkauf für die Seele, die ersten Umstandssachen konnte man es sehen. In der 26. Woche genau am Tag, an dem ein Jahr zuvor das Herz unseres Kind aufgehört hatte zu schlagen, war ich dank Elternbeiratsmitglied im Kindergarten zum Tag der offenen Tür. Wie ein Jahr zuvor. Nur in unseren Kindergarten, das war total unwirklich. Am Vormittag war ich mit Ben am Grab gewesen. Und abends stand ich dort und jeder konnte das erste Mal den Bauch wirklich sehen, vorher war er verdeckt von Jacken und Schal. Der schlimmste Tag war vorerst nach diesem geschafft. Aber ich bekam Wehen. Nur ein paar Tage später. Meine Schwiegermama hatte die Vorsorge übernommen, ich war schön länger nicht mehr wie vorher einmal in der Woche beim Arzt, sondern fühlte mich wunderbar versorgt. Als sie kam und das CTG lief, hatte ich wirklich alle 2-3 Minuten Wehen. Also fuhr sie mich ins Krankenhaus, wo man mich gern behalten hätte, wieder einmal für eine Lungenreifung. Aber da alles zu war, keine Trichterbildung, Muttermund zu bat ich um eine Nacht. Und dank der ganzen möglichen Medikamente wurde es besser. Alles was sich vielleicht einfach so liest, es war furchtbar. All die Sorgen: Löst sich die Plazenta? Kommt er doch zu früh? Zu groß? Zu klein? Schafft er es? Schaffen wir es. Ich hatte hin und wieder Albträume, er wäre gestorben. Das war mein Leben. Da war alles. Alte Trauer, Jahrestage, Sorge und Angst um Emil und Hoffnung, Freude, Aufregung. Aber zu keinem Zeitpunkt dieser Schwangerschaft wollte ich, dass es alle Fremden wissen. Ich hatte zu sehr Angst, wenn ich mich nur laut freuen würde, würde mir wieder der Himmel auf den Kopf fallen und sogar jetzt noch… ist da Angst. Ein Stück weit so wie jede Mama ans Bett schleicht und guckt, ob das eigene Kind noch atmet.
Ich weiß, dass ich auch dank meiner Schwiegermama, die mich nicht nur viel entlastet hat, in den letzten Wochen, sondern genau diese wunderbare Hebammenbetreuung machte, die ich gebraucht habe, mir Mut zusprach und Vertrauen in den eigenen Körper weckte, sie war einfach immer da. Emil half mir, der sich rührte, streckte und kurz vor der Entbindung zeigte, dass er eben er und nicht sein Bruder Ben wäre. Mein Mann, meine Kinder, meine engsten Freunde waren da. Ganz allein hätte ich es nicht geschafft und ich fühlte mich schon so oft genug allein mit all meinen Sorgen. Man denkt oft, man wäre verrückt und ich möchte gar nicht wissen wie viele Menschen mich verspottet hätten, mich nicht ausreden hätten lassen, mich in Behandlung gewünscht hätten- all das hatte ich erlebt und all das wollte ich nicht. Und diese Nähe konnte ich nicht zulassen, solche Sätze hätten mich zerstört, ich hatte genug zu tragen auch wenn das bedeutete, dass ich viele Menschen enttäuscht habe. Es ging nicht anders. Ich musste auf mich, meinen Mann, mein Ungeborenes und meine Kinder acht geben. Da waren genug Stimmen in meinem Kopf und heute, heute weiß ich wie schrecklich normal das alles war. Wie wichtig, da durch zu gehen. Und es hätte nichts gegeben, was mir hätte noch helfen können. Ich musste diesen Weg gehen und ich wollte ihn gehen, hin zu meinem Sohn.
Die Geburt… war einfach nur das letzte Stück Weg und niemals werde ich dieses Glück und diese Erleichterung vergessen, die ich empfand, die Tränen die flossen, die Sätze, die ich sagte. Es war einfach geschafft, er war da. Ein Wunder. Unser Wunder.

Ich schreibe das alles sicherlich auch heute auf, weil ich erneut eine solche Email bekommen habe, einer Frau, die ähnliches durch gemacht hat wie ich und wie so viele Frauen. Frauen, die in Not sind, die noch kein Baby im Arm halten können, die zweifeln, Angst haben und dennoch so hoffen, man möge sie noch einmal beschenken. Ich bin nun in der glücklichsten Lage, all das jetzt aufschreiben zu dürfen, wo mein Sohn neben mir liegt. Aber was hatte ich Angst und wie wenig gab es zu Beginn und immer wieder Anlass darauf wirklich zu bauen. Ich habe nicht vergessen in welcher Not ich war, ich weiß wie schnell man wieder da sitzen kann und verzweifelt ist, wie unberechenbar das Leben ist, aber alles was ich teilen möchte ist Hoffnung. Es kann auch gut ausgehen. Ich erinnere mich an einen Satz. Gleich bei 4+0. Es war einer, wenn nicht der erste Tag der Tagesmutterausbildung. Ich brach bei einem Rollenspiel innerlich zusammen und verließ wenig ruhmreich und unter Tränen den Raum, die Kursleitung lief mir nach, ich erzählte kurz warum ich raus bin, verwies auf das Rollenspiel und das Kind in meinem Bauch und sie sagte: „Nicht alle Kinder können bleiben…“ und ich weiß noch wie heute, dass ich trotz all diesen überwältigen Angst und jede Mutter kennt sie, vor allem die die bereits verloren haben, dachte: „Aber nicht jedes Kind muss gehen!“…

Nicht jedes Kind muss gehen…

(Und da ist sie… die Stimme, „freu dich nicht zu laut“… Unser Kind ist nun 1 Jahr alt. Geschrieben habe ich diesen Text vor 8 Monaten.)

13 Kommentare

  • blumenpost

    Mir laufen wieder einmal die Tränen.
    Ich verstehe das so gut. Ich werde diese Zeit nie vergessen, auch wenn diese Angst zum Glück nicht mehr so present ist wie vor einem Jahr.
    Die blöden Sprüche, die andere zu Fehlgeburten geben, verletzten mich noch immer, auch bei anderen. Ein „beim nächsten Mal klappts dann“ tut mir immernoch weh wenn ich daran denke.
    Bei jedem Bild, das du von Emil zeigst, denke ich an diese Zeit unserer Schwangerschaften und was für ein großes Geschenk es ist, dass wir diese Kinder nun bei uns haben.

  • frl_mieke

    Gerade möcht ich Dich ganz fest umarmen.
    Obwohl ich,kurz nachdem du die Posts aus Emils Schwangerschaft freigeschaltet hattest,jeden einzelnen gelesen habe,berührt mich dieser Text in seiner Kompaktheit ganz ganz tief.
    Du bist wirklich durch die Hölle gegangen bis zum erlösenden Moment seiner Geburt.
    Wie Du schreibst – niemand von außen hätte dir helfen können,Du musstest diese unendliche Last der Angst alleine tragen.
    Was muss dich das alles Kraft gekostet haben … ich kann es mir nur ansatzweise vorstellen.Aber ich kann es spüren.Du warst unglaublich tapfer … und ich bin mit Dir glücklich,dass du dieses Kind am Ende in den Armen halten darfst.Und dein letzter Abschnitt, der berührt mich am allermeisten.Der könnte auch von mir sein <3

  • Frische Brise

    Danke fürs Aufschreiben. Was hast Du nur durchgemacht!

    Wie kostbar sind doch unsere Kinder.
    Und manche vielleicht noch ein bisschen mehr…

    Ich wünsche Dir und Euch alles Glück der Welt mit Euren Kindern!

  • Frau Federschwarz

    Ich las all das und ich dachte immer wieder, was du nur durchgemacht hast. Zwischendurch wurde mir schlecht, ich musste mich hinlegen, Pause machen und las dann weiter. Wie furchtbar die ganze zeit für dich gewesen sein muss. Als ich erfuhr, dass Emil geboren war, dachte ich, dass du es genau richtig gemacht hast. Ich dachte, ich hätte es nicht geschafft, solange nichts zu sagen, aber für dich war es genau richtig und ich konnte verstehen, warum du geschwiegen hast.

    Du bist so tapfer. So sehr.

  • Ulli

    Danke für’s „in Worte fassen“! Aus meiner Erfahrung kann ich berichten, dass die Angst und genau dieses Gefühl „freu Dich nicht zu sehr“ auch nach über 10 Jahren noch da sind… Von daher bin ich der Meinung, dass Ihr Umgang damit genau der richtige ist: auf sich hören und immer wieder reflektieren und aufarbeiten. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Kraft und ganz viele Sonnenstunden im Herzen mit Ihrer wunderbaren Familie!

  • kassiopeia

    Bitte entschuldigt, ich bin berührt von jedem Zeichen und jeder Zeile, sehr sogar, aber ich weiß gar nichts weiter zu sagen. Wirklich nichts. Ich dank euch so sehr!

    Jedes Kind ist kostbar. Und ich bin einfach nur sehr dankbar, für jedes Einzelne.

  • Bensa1307

    Wie sehr ich mich wiederfinde in diesem Post.
    Dieser Schmerz von dem du schreibst, den kenne ich. Um die Zeit wo das Sternchen gehen musste sowie in der Schwangerschaft mit meinem Sohn. Die Blutungen in der Schwangerschaft mit dem Menschlein, jede Woche, jeder Tag die einem zum nächsten Meilenstein brachten. Lebensfähigkeit, dann immer höherer Prozente, weniger Folgeschäden. Die Wehen die zu früh kamen usw.
    Dazu kam eine so schwierige persönliche Situation hinzu. Es ist so toll das wir gesunde Kindee geschenkt bekamen und ich bin jeden Tag dankbar!

    Ganz liebe Grüße!

  • Ines

    Ja oft vergißt man zu schnell welches Glück einem da gerade den letzten Nerv raubt. Es sind die eigenen Tiefschläge oder eben deren andere die uns die Augen öffnen. Ich hatte Glück, ganze 4 mal und hoffe auch ein fünftes Mal so ein kleines Bündel Glück quicklebendig im Arm halten zu können.
    Danke fürs Teilen!