Totensonntag

Seit Jahren (für mich, für uns) der letzte Sonntag im Jahr, bevor die Weihnachtsdekoration aus dem Keller geholt wird. So hielt es meine Oma und so führe ich es fort. Seit 2012 leider auch der Tag, an dem ich an sie denke, weil sie nicht mehr bei uns ist. Ein Tag zum noch einmal innehalten und erinnern, bevor wir der aufregenden Weihnachstszeit entgegenfiebern.
Ich hatte für heute nicht viel geplant, aber am Morgen nach dem Aufwachen war ich mir sicher, ich würde heute gern auf den Friedhof gehen wollen für all jene, die nicht mehr bei uns sind. Die Kinder fanden die Idee gut und so zogen wir uns an und liefen los, nicht ohne das Nils zurück flitzen musste. So überquerte ich die Straße allein mit den Kinder und uns kam ein Mann entgegen, der uns freundlich grüßte. Ein paar Schritte weiter hielt er uns auf, entschuldigte sich für die Unterbrechung unseres Weges und fragte, ob das alles meine Kinder seien. Das war mir unangenehm, weil es heute ein besonderer Tag ist und ich Angst hatte, der Mann würde nun den Kopf schütteln und jeden Moment sein Missfallen ausdrücken, wie ein Teil solcher Gespräche manchmal ausgeht und ich konnte den Blick des Fremden einfach nicht deuten oder aber würde er uns von sich erzählen, wie es viele auch tun?!
Der fremde Herr hatte Tränen in den Augen, als er erzählte sie wären zu Hause auch sechs Kinder gewesen. Er stockte, musste schlucken und erzählte wie sein Vater 1944 in Russland gefallen war, weil die Deutschen ihn dort hingeschickt hätten. Mich berührte das sehr und in diesem Moment stieß mein Ehemann und Vater der Kinder zu uns und so verschwamm das Bild des Fremden von mir allein als Mutter mit den sechs Kindern. Er erzählte noch einmal Nils von seiner Mutter und seinen Geschwistern und der schweren Zeit und so langsam gingen wir weiter, nachdem der Mann einen Kuss in die Luft geschickt hatte für unsere Familie.

Eine außergewöhnliche Begegnung an diesem Tag. Und für mich noch einmal sehr besonders, weil mich diese Zeit der Kriegsjahre in seinen Bann gezogen hat, seitdem ich das erste Mal als Kind eine Bibliothek betrat und immer wieder viele Bücher, Filme und Dokumentation darüber verschlang und aufsog über die Jahre und das zur Zeit wieder gehäuft tue, als könne ich dann endlich verstehen… Begegnungen am Totensonntag. Seltsam welche Wege das Leben manchmal geht.

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