Wahl zum schlimmsten Balg des Jahres
So oder ählich hätte der Abend bei unseren Montessori–Freunden auch heißen können.
Ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, in denen sich Mütter die Nachmittage
versauten mit HöherSchnellerWeiter: „Wie der TorbenLukas krabbelt noch nicht?! Meine
EmilyJaqueline kann das schon seit ihrer Geburt.“ Heute allerdings sitzen Mütter im
Kreis, klopfen sich auf die Schulter und erzählen von ihrem schrecklichen Dasein als
Mutter. Aber auch hier HöherSchnellerWeiter. Entweder stehen die Biester schon um
5Uhr auf und die armen Eltern wissen gar nicht wie sie die Zeit bis 9Uhr rumkriegen
sollen, oder die Gören schlafen bis 9Uhr und die armen Eltern wissen gar nicht wie
sie es schaffen sollen, rechtzeitig zum Gruppenstart da zu sein. Währenddessen grinste
die Leiterin des Hauses wissend in sich hinein, mit dem Blick in die Zukunft und die
schöne Schulzeit.
Entweder sind die Kinder kleine Monster, die sich sofort aus dem Fenster stürzen, mit
denen man nie still sitzen kann, oder sie lösen sich überhaupt gar nicht, kleben an Mama.
Auf jeden Fall halten sie einem vom schönen Leben ab. Doch es gibt auch die Kombination
aus beiden Problemen. Diese Eltern leiden besonders stark. An diesem ganzen Abend
habe ich keine Mutter etwas schönes oder nettes über das eigene Kind sagen hören.
In einem waren sich alle eingig: Hauptsache das Abgeben klappt schnell und gut, es sind
schließlich nur drei Stunden ohne Anhang und die möchte man auskosten. Versteh ich
keine Frage, aber müsste der Satz nicht lauten: „Ich hoffe, LukasEmanuel hat schnell
Vertrauen und fühlt sich hier so wohl, dass ich ohne schlechtes Gewissen gehen kann.“?!
Auch die Mama, die noch stillt, stellte sich gerne vor und erzählte im Lauf des Abends noch
mehr von sich: „Also ich stille noch, das war nicht so geplant, aber er geht einfach nicht weg.
Ich sollte allein in den Urlaub fahren, damit er damit aufhört. Meine Große wird 6 und da war das
alles nie ein Problem. Überhaupt war das ganz anders. Da konnte ich zu Hause unterrichten,
während sie spielte, aber mit ihm nein, da würde das nie gehen. Er ist einfach total auf mich
fixiert, deshalb arbeite ich noch nicht wieder.“ Sie wirkte noch trauriger als beim letzten Abend.
Ein Kommentar
stadtfrau
ich verstehe worauf du hinauswillst.
einerseits finde ich es gut, dass man offen darüber spricht, dass man nun mal keine perfekten kinder hat und dass man nicht für jedes „problem“ gleich eine lösung hat. vielleicht haben diese mütter einfach zu oft zu hören gekriegt, wie toll doch andere kinder sind und wollen nicht auch so eine nervige angeberei starten – so geht es aber halt auch daneben.
dass keine mutter etwas nettes über ihr kind gesagt hat, hört sich tatsächlich traurig an. in dieser hinsicht bin ich aufmerksam, v.a. wenn mein kind dabei ist. ich habe zu oft erlebt, dass meine mutter mich oder meine geschwister schlecht geredet hat, wenn es mal von außenstehenden ein lob gab. sie selber konnte uns sowieso nicht loben. ab einem gewissen alter fand ich das sehr beschämend, immer nur über mich zu hören, wie schlampig und faul ich sei. jegliche leistung wurde und wird mit dem hinweis auf iregndeine unzulänglichkeit zunichte gemacht und nie hat sie sich schützend vor uns gestellt.