Angezogene Handbremse

Nachdem unsere Kinder ab Freitag 15.30Uhr bis Sonntag 15.30Uhr ungefähr 90% ihrer Zeit
damit beschäftigt waren still zu sitzen (im Auto, zu Tisch im Hotel, in der Kirche, Reden zu
lauschen) und zu Schlafen um 480km entfernt an einer Hochzeit teilnehmen zu können, immer
wieder kritisch beäugt oder kritisiert wurden, wurde heute die Handbremse angezogen. Schon
gestern genossen sie ab 16Uhr ihre Freunde im Garten, aber leider auch bis 21 Uhr, was dazu
führte das die Großen heute morgen kapitulierten und erst Noah um 9Uhr, Zoe um 9.40Uhr
erwachte. Die hats zerbrezelt! Ich bin unendlich stolz auf unsere Kinder, die das alles so klasse
gemacht haben: 7Stunden Autofahrt hin, 5Stunden zurück, Freitag und Samstag erst 22Uhr
im Bett gelandet, 1 Stunde Kirche zwischendurch, 1 1/2 Stunden Abendessen und immer wieder
im Hotel nicht kindgerecht sitzen können aber gescheit essen sollen.
Die Menschen drumherum sehen leider nur Kinder, die kreischen, sich bekleckern, nicht still
sitzen oder mal weinen, nicht Kinder die das ganze Wochenende damit verbringen für ihre Eltern
zu funktionieren. Einmal schafften wir es für maximal ne Stunde auf den Spielplatz, ein anderes
Mal tobten die Kinder durch den Garten beäugt von einer großen Hochzeitsgesellschaft, dass war
alles andere als kindgerecht. Ich hab als Mutter vollstes Verständnis für meine Kinder. Noah zog
sich in der Kirche die Schuhe aus und kloppte sich zwischendurch mit seiner Schwester, Tom
telefonierte laut mit Papa’s Handy, während der Reden robbten die Kinder um 20.30Uhr schon auf
dem Parkett entlang und Tom warf mit Essen, während Noah schon beim Frühstück nach 20 Minuten
unter dem Tisch liegen wollte. Niemand wurde angeschrien, keine Braut bekotzt, niemand nahm
Schwimmstunden im Rhein, keiner wurde ausversehen auf der Raststätte vergessen. Gute Bilanz.
Heute morgen kein Kindergelache und Gejammer beim Anziehen und Frühtstücken um 7Uhr,
sondern Totenstille. Tom machte dann Krach für alle. Heute also alles mit angezogener Handbremse:
kein Stress, kein Frühstück, kein gar nichts müssen. Wir waren nur Turnen, was willkommene
Abwechslung war.

9 Kommentare

  • Ansku

    Die Ami hat das mal vor einiger – langer -Zeit sehr schön beschrieben, es geht nur, wenn kinderlose und Leute mit Kindern gegenseitig die Erwartungen des anderen respektieren. Da steckt sehr viel Wahrheit drinnen, finde ich. Man sollte denke ich als Eltern Rücksicht auf die Feier und den festlichen Rahmen nehmen, soweit das geht, und umgekehrt dürfen aber auch Kinderlose nicht erwarten, dass Kinder ein ganzes Wochenende lang nur stillsitzen. Dazu gehört gegenseitiges Verständnis und es scheint etwas in Deinen Worten, als wärt Ihr nicht auf allzuviel Verständnis gestossen, was sehr schade ist.

    Aber trotzdem – toll gemacht!

  • kassiopeia

    Ich hab dazu selber schon oft etwas geschrieben: Wir sind Eltern, die viel von ihren Kindern erwarten und
    denen bestimmte Dinge sehr wichtig sind, da wären Dankbarkeit und Respekt ganz oben. Ich erwarte von
    meinen Kindern ein ruhiges Benehmen in öffentlichen Verkehrsmitteln, auch wenn sie gegen 19Uhr nach
    einem Tag im Zoo völlig übermüdet sind. Respekt, da in dieser SBahn Menschen sind, die ebenso müde sind.

    Ich kann also von einer Vierjährigen, einem Dreijährigen und einem Einjährigen eine 7 und 5 stündige Autofahrt
    verlangen, oder zwei Nächte in einem völlig fremden Ort, in einem völlig fremden Bett ohne Mama und Papa
    einzuschlafen. Ich kann erwarten, dass sie sich zu Tisch benehmen. Ich kann erwarten, dass sie eine Stunde
    in der Kirche einfach mal still sein können, einen Abend zu Tisch ein paar Erwachsenen zu lauschen. Aber
    das alles in 48h packen, ist too much. Wenn also im Hotel, beim Essen, in der Kirche, zum Empfang auch
    nur ein oder zwei Blicke jeweils mit Kommentaren kommen, sogar seitens der Familie, dann ist das ebenso
    too much. Weil einfach mal Einfühlen, einfach mal Nachfragen ne Maßnahme wären. Das ärgert mich, weil es
    genau das ist, was ich von meinen Kindern erwarte.

    Nur für alle armen kinderlosen Kindergeschrei auf Hochzeiten Geplagte, wir sind früher gegangen. Wir haben
    das Feld geräumt. Niemand nahm Schaden. ;)

  • Patricia

    Ich kenne genau diese Situation auch – von Hochzeiten, Taufen, Erwachsenen-Geburtstagen u.ä. – wobei ich, genau wie du, Rücksicht von meinen Kindern verlange, d.h. ruhig sein, wenn Erwachsene sprechen, feierliche Zeremonien abgehalten werden u.ä., aber auch Verständnis, wenn ein Kind nach einer endlosen Autofahrt und einer schlechten Nacht in fremden Betten vielleicht näher an den Tränen gebaut ist als sonst oder nach zwei Stunden Familienfeier auf harten Restaurant-Stühlen das Bedürfnis äußert, zu rennen, zu spielen oder mal lauthals zu schreien – ohne dass es gleich böse Blicke erntet, oder noch besser der Killerspruch „Früher hatten Kinder zu gehorchen!“ (ich mache nach solchen Festivitäten immer drei Kreuze, wenn wir alle ohne größere Schäden wieder zu Hause sind …) – am besten sind da doch immer die Feste, bei denen es gaaanz viele Kinder gibt …

  • Ansku

    Ich versteh was Du meinst. Einfühlen, Nachfragen – sprich Verständnis, das wäre schon mal ein Anfang.

    Eine (über mehrere Ecken) Bekannte wollte auf ihrer Hochzeit gar keine Kinder und hat angeblich mit Absicht allen Leuten mit Kindern auf die Einladung geschrieben, dass sie doch die Kinder bitte zu hause lassen sollen, das find ich voll daneben. (Wobei ich nicht mehr mitbekommen habe, ob sie das tatsächlich gemacht haben, aber sie hatten es vor.) Und das mit Anfang 20, mit 23 oder so, da möchte ich nicht wissen, wie spießig die mal mit 40 sein werden. ;) :lol: Kinder gehören einfach zu einer Hochzeit dazu, auch wenn sie nicht 48 Stunden lang perfekt funktionieren können.

  • partikelfg

    Oh ja, mit Kindern auf andere Rücksicht zu nehmen ist anstrengend. Wenn dann auch noch blöde Kommentare kommen, wirds richtig nervig! Ich kann das gut nachempfinden. Oh oh, die Kinder lärmen. Ich muss…

  • Frau Kathy

    ich bewundere dich, ich finde solche langen autofahrten einfach immer nur irre anstrengend. also mit so kindern wie lutz geht das ja, aber mit kindern, für die autofahrten wirklich schlimm sein müssen und die auch nie im auto schlafen, so wie unsere ida, ist so eine tour einfach nur der horror.

  • Wolfram

    Bei dem Programm wär ich selbst schon unleidlich… da frage ich mich schon für mich selbst, ob ich mir das antun muß. Kinder aber – sie können ja nicht wählen, ob sie leben dürfen oder funktionieren müssen, sie können nur leben. Wer wollte es ihnen verdenken? (Und ja: ich lege auch viel Wert auf einen Grundstock an gutem Benehmen!)

  • carola

    Hi Janine, schade, dass Dir unser Fest offensichtlich nicht gefallen hat. Wir haben uns grosse Mühe gegeben, diesen Tag für alle zu einem Besonderen zu machen. Insbesondere deshalb haben wir im Vorfeld Babysitter, Reisebettchen, Kindermenüs etc. organisiert… Sicherlich war es auch im Vorfeld vor dem zeitlichen Rahmen (Kirche 16.00, Empfang 18.00, Essen 19.30) klar, das es für die Kleinen anstrengend wird. Dementsprechend haben wir auch nur Kinder aus der Familie eingeladen, für die aus familiärer Sicht dies auch eine schöne Familienerinnerung sein sollte. Unsere Freunde sind auch nicht kinderlos- wie angenommen- sondern zu 80% Eltern von min. 2 Kindern- also bitte nicht auf den Kinderlosen rumhacken…. Wir fanden es in jedem Fall trotzdem schön, dass Ihr den weiten Weg gemacht habt. Liebe Grüße von der in der Tat-Gott-sei-Dank-nicht vollgekotzten Braut