Ein Kind

Ich war etwas älter als meine Tochter jetzt, da wurde meine einzige Schwester geboren. Ich kann
mich noch genau daran erinnern, wie groß ich mich fühlte, wie alt. Zur Schule ging ich zwar noch
nicht, aber wenn ich mich auch an wenig erinnern kann aus meiner Kindheit, diese erste Zeit mit ihr-
an die erinnere ich mich- zumindest emotional. Vielleicht wächst man an seinen Geschwistern…
zumindest für die Eltern…
Heute stand meine Tochter auf einem kleinen Stuhl neben mir beim Wickeltisch und wickelte meinen
jüngsten Sohn, zog ihn an, spielte mit ihm. Sie ist da so unglaublich fürsorglich, so schützend.
Wie lange braucht es bis man einen kleinen Menschen allein anziehen kann?! Ist es ein Geschenk,
dass man ein Baby mal versorgt hat, bevor man eines selbst bekommt? Wie wachsen unsere Kinder
auf in dieser Großfamilie? Wie erleben sie das?
Meine Tochter kann gut mit den Kleinen. Im Kindergarten sind die Erzieherinnen ihrer Gruppe
dankbar für ihre Hilfe- sie nimmt die Kleinen an die Hand. Das tut sie auch hier immer mehr. Sie
kann ihren kleinen Bruder anziehen: Jacke, Schuhe, Mütze, Schal. Sie nimmt ihn oft an die Hand und
zeigt ihm etwas Wichtiges. Sie streitet sich mit dem großen kleinen Bruder. Sie misst sich an ihm,
körperlich und emotional. Sie machen zusammen Quatsch, den sie zusammen aus dem Kindergarten
mitbringen. Sie stecken zusammen Ärger ein und machen sich gegenseitig welchen. Und sie
erleben die grössten Abenteuer mit ihrer Fantasie. Ob Teeparties, Ritterspiele, Ballettaufführungen
oder auf hoher See- durch dick und dünn. Manchmal Unterlippe an Stirn.
Sie ist so groß. Sie ist ein Kind. Irgendwann geworden. Ihre Ansprüche haben sich verändert.
Keinen großen Herzenswunsch an den Weihnachtsmann hatte sie. Am liebsten hätte sie einen
Zauberstab haben wollen, der wirklich zaubern kann. Tatsächlich brauchte der Weihnachtsmann
Dinge, für die sie sich interessiert. Es ist aber keine riesige Bastelkiste geworden. Sondern erstes
Lego. Sie baut gern. Also bekam sie ein Lego Creator Haus- eigentlich für Kinder ab 7. Am
ersten Weihnachtsfeiertag begann das Tochterkind mit dem Papa in der Küche damit das Haus
zu bauen. Sie baute bestimmt 2 Stunden ausdauernd und konzentriert. Dann wurde unterbrochen,
weil wir den Tisch zum Kaffee brauchten. Dann saß sie mit ihrem Opa über 1 1/2 Stunden in der
Küche. Kurz vor knapp musste sie noch mal aufhören, aber am nächsten Tag konnte sie nach
einer halben Stunde beenden, was sie tags zuvor angefangen hatte: ihr Haus. Sie hatte es
geschafft. Mit einer unglaublichen Ausdauer. Und während ich zu sah, wurde mir bewusst das
da ein Kind sitzt. Mein Kind- ganz konzentriert. Mit anderen Ansprüchen als ihre kleinen Brüder.
Sie baut alles nach, was sie sieht. Sie braucht mittlerweile eine andere Art von Spielzeug. Das zu
sehen war schön. Komisch und schwer zu beschreiben, was ich da genau fühlte, aber es war
schön. Ich bin stolz.