Stell dich nicht so an?

Ein Kind erwarten inmitten von Klein-Bloggersdorf ist für eine Frau eine wunderschöne Erfahrung.
Nirgendwo sonst kann man so offen sprechen und wird so gut gehört. Man hofft, man bangt, man
grübelt, man freut sich- nie allein. Man wird von anderen Frauen liebevoll begleitet und erwartet
gemeinsam ein Kind. Ein Kind, das schon so eingebettet ist in eine Gemeinschaft bevor es überhaupt
geboren wird. Kinder, die hier das Licht der Welt erblicken, werden sehnsüchtig erwartet und geliebt.

Und das ist auch gut so! Ich las neulich erst in einem Artikel, dass heutzutage um das Schwangersein
ein Gewese gemacht werden würde, als handele es sich um eine ernstzunehmende schreckliche
Krankheit. Für solche Aussagen habe ich keinerlei Verständnis. Es ist für mich eine unmöglich
erfüllbare Erwartungshaltung zu verlangen, Frauen sollten sich einfach mal ein bißchen zusammen
reißen, sei ja nichts weiter dabei, ist ja nur Arterhaltung so eine Schwangerschaft.
Ich finde, Frauen sollten noch viel mehr Aufmerksamkeit bekommen für eine solche Leistung im
Leben. Nicht jede Frau spaziert leichtfüssig durch diese 40 Wochen. Eine Schwangerschaft ist nicht
immer die natürlichste Sache der Welt. Für viele Frauen ist es ein langer Weg bis dorthin. Manche
leiden die ersten 12 Wochen unter Übelkeit und Erbrechen, dauerhafte Pilzinfektionen,
Blasenentzündungen, Hormonschwankungen, schmerzende Brüste, Akne, Schlafstörungen, Ängste,
Depressionen- ein paar leiden darunter nicht nur die ersten Wochen, sondern die gesamte
Schwangerschaft über. Eine Schwangere hat 1l mehr Blut in ihrem Körper, ihre Körpertemperatur
erhöht sich um 1 Grad, dazu verändern sich Gleichgewichtssinn, Atmung, körperliche Fitness und
der Kreisslauf, sie muss lernen mal mehr, mal weniger mehr Kilos mit sich herum zu tragen, ganz
zu schweigen von Risikofaktoren in der Schwangerschaft, die Medikamente, Bettruhe, weitere
Diagnostik notwenig machen. – all das ist eine großartige Leistung.
Frauen müssen von jetzt auf gleich lernen für einen anderen Menschen Verantwortung zu
übernehmen. Das fängt damit an, dass man sich entscheiden muss, wo und wie möchte ich betreut
werden, wie oft und in welcher Form möchte ich untersucht werden? Schade ich meinem Kind, wenn
ich eine Untersuchung machen lasse oder schade ich ihm wohlmöglich, wenn ich sie nicht machen
lasse? Hatte ich jemals Windpocken und bin ich immun gegen Ringelröteln? Lass ich mich mit
einem neuen Impfstoff behandeln oder gehe ich das Risiko ein mich an einer für mich und mein
Ungeborenes gefährlichen Krankheit anzustecken? Man ist von einer Minute auf die andere
verantwortlich für einen neuen Menschen. Man trifft Entscheidungen von denen man inständig hofft,
es seien die richtigen.
Eine schwangere Frau muss schnell lernen sich gut zu kennen. Brauche ich einen Kinderwagen oder
bin ich der Tragehilfen-Typ. Wenn ja welche eigentlich? Welcher Typ Mutter könnte ich sein? In dem
Dschungel von Dingen, die ein Baby brauchen könnte, muss ich als werdende Mutter entscheiden,
welche mein Kind tatsächlich brauchen wird. Und plötzlich baut man ein Nest. Für einen Menschen,
den man gar nicht kennt, der aber dennoch so präsent ist.
Eine Schwangerschaft ist keine furchteinflössende Krankheit. Aber sie verändert das Leben. Man wird
zur Mutter. Der positive Schwangerschaftstest ist der Start für das unbekannte Leben mit einen kleinen
Menschen. Das große Abendteuer erwartet einen zwar erst nach der Geburt, aber es sind die ersten
Wochen die einen langsam verändern und vorbereiten. Es ist nur natürlich, dass dieser Zeit im Leben
einer Frau, die sie statistisch gesehen nur ein oder zweimal erlebt soviel Beachtung geschenkt wird.
Und dieser Raum ist wichtig. Ein bißchen mehr Respekt, Ehrfurcht und Achtung für das Behüten,
Bewahren und Beschützen des Lebens unter dem Herzen einer Frau, für den Mut, alles was sie hat in
eine Waagschale zu werfen ist da durchaus angebracht. Denn eines morgens wachte sie auf und ihr
wurde klar, dass sie wirklich und tatsächlich ein Baby erwartet, sie trägt es in sich- den ganzen Tag,
bei allem was sie tut ist es dabei, sie kann es spüren, es bewegt sich, es sucht ihre Nähe, es hört sie
und spürt sie immer- eine Einheit, zwei Menschen, die sich näher nicht sein könnten.
Wenn ein Mann eine Auszeit von seiner Verantwortung als Vater und Ehemann braucht, geht er zur
Tür hinaus und eine Runde spazieren. Allein. Wenn eine schwangere Frau eine Auszeit haben möchte
von ihrer Verantwortung, kommt sie zwar zur Haustüre hinaus, aber allein ist sie nicht. Bei jedem
Schritt den sie tut, bei jedem Gedanken den sie hat, ist das Kind unterm Herzen da.
Eine Schwangerschaft bewusst erleben ist und bleibt er beste Weg um sich langsam einzulassen auf
den neuen kleinen Erdenbürger mit seinen unbestimmten Bedürfnissen, dem neuen Ich und dem
Leben zu Zweit außerhalb der Symbiose…

17 Kommentare

  • bauchherzklopfen

    danke, danke, einfach nur danke. ich hoffe es kommt irgendein cleverer verlag drauf, diesen wunderschönen artikel als einleitung zu einem schwangerschaftsbuch/-ratgeberdings zu drucken. oder nein. schreib DU doch bitte so ein buch!

  • kaboe

    Wenn ich jemals die Worte dafür gefunden hätte, dann hätte ich es sicher genauso gesagt ! Deine Worte haben mich richtig angerührt, sehr sehr schön und so wahr !

  • engelswelt

    Wow, dass ist wunderschön geschrieben und sowas von wahr !!! Und ich gebe es zu, es diese kleinen Momente, um den ich ab und an den Liebsten dann doch etwas beneide. Tür zu und er ist alleine.

    (Und nein, ich möchte unser Mäuschen nie nie wieder hergeben – nicht, dass jemand jetzt auf dumme Gedanken kommt…)

  • Pienznaeschen

    Eine Liebeserklärung an jede (schwangere) Frau und ein Vorbereiten auf eine wunderbare und einzigartige Zeit … mit tollen Worten (be)schreibst Du.

  • Anne

    Liebe Kassiopeia,
    wenn man selbst grad schwanger ist, geht der Artikel besonders unter die Haut und tut einfach nur gut (auch wenn es die dritte Schwangerschaft ist). Was ich nur kurz anmerkend loswerden möchte, ist ein Bezug zu dem Text, den du einleitend erwähnst (den ich nicht kenne). Möglicher Weise geht es nicht um diese Form der Aufmerksamkeit für eine Schwangere, die du so treffend beschreibst. Ich merke in dem Familienforum, was hier, glaube ich, auch viele kennen, dass es wirklich zu einer Panikveranstaltung zu werden scheint, schwanger zu sein. Und ich verfolge diesen Trend seit meiner ersten Schwangerschaft 2004. Damals mied man evtl. Rohmilchkäse und natürlich Alkohol und Nikotin. Was die Frauen sich dort heutzutage einen Kopf machen, das gleicht einer Wissenschaft für sich und ist wirklich nicht mehr nachvollziehbar. „Ich habe ausversehen von einer Praline mit Alkohol abgebissen, HILFEEEE“ ist nur ein harmloses Beispiel. Dazu das abgöttische Vertrauen in jegliche Medizintechnik und das zweitägige Rennen zum Ultraschall, koste es, was es wolle, wenn man nicht ein eigenes Schallgerät sein eigen nennt und das arme Würmchen damit von Beginn an 24h am Tag überwacht. Intuition, Bauchgefühl und das jahrhundertealte Wissen von Hebammen wird dort nur noch verlacht. Mir tun diese Frauen Leid und es ist vor allem Schade, dass ihnen damit das Gefühl für dieses Urwissen und das Vertrauen in den eigenen, kraftvollen Körper so abhanden kommt und sie die Schwangerschaft gar nicht geniessen können. Hebammen selbst beklagen diese Entwicklung übrigens auch, obwohl diese die letzten wären, die die von Dir angesprochenen Dinge bestreiten würden.
    Sorry für den langen Text und nochmal Danke für die schönen Worte (Werd ich mal meinem Mann ausdrucken ;-)). Anne

  • FrSchnütchen

    danke
    danke für diese Worte

    erst letzte Woche, als ich mit dem Schnütchen unterwegs war und in zT lächelende Gesichter schaun durfte, wurde ich blitzartig an die bösen Gesichter erinnert, die mich mit meinem Babybauch betrachtet hatten …

    es geht auch anders … siehe KleinBloggersDorf!