„Noch nie was von Kindesentführung gehört?“

Ich dachte ja, so was gibt es quasi gar nicht oder nur ganz selten. Aber heute als ich Ben kurz
draußen stehen ließ, ihn sogar schimpfen hörte, aber zu tun hatte einen brüderlichen, schlimmen
Streit zu schlichten (zerrissene Geburtstagseinladung), klingelte bei der Ergotherapeutin eine
ältere Dame Sturm: „Wo ist die Mutter dieses Kindes?“ (Akteurin zeigt auf Ben im Stokke.) „Ich
bin die Mutter.“- „Ja, das können Sie doch nicht machen?“- „Was genau?“- „Na, das Kind hier
in der Sonne (es war bewölkt, 1 1/2 Minuten mit Gucken gehen waren vergangen) und das
Kind (gemeint ist immer noch Ben) hätte entführt werden können!“- „Aha.“ Die Dame sichtlich
aufgebracht, weil es mich so gar nicht interessierte: „Aber haben Sie denn noch nie was von
Kindesentführung gehört?“- „Was soll ich denn machen?“- „Ja, also das geht ja gar nicht!“
Der Mann der Dame ist auch sehr aufgebracht. Ben guckt irritiert. Die Ergotherapeutin und
ich schmunzeln um die Wette. „War ja nur kurz“, sagt sie. Die Dame keift entrüstet: „Ihnen ist
aber auch nicht mehr zu helfen.“ Ähm ja. Und zurück bleibt das Gefühl von: Ist das gerade
wirklich passiert? Mir wurde dann bei der Ergotherapie der feierliche Türkeil gezeigt, mit dem
ich in Zukunft auch gern, die Tür offen stehen lassen darf, damit ich von drinnen raus schauen
kann auf das Kind im Kinderwagen. „Damit das Kind nicht entführt wird“, sage ich zur Therapeutin
und sie schmunzelt.

6 Kommentare

  • sabrina

    Ich hab letztens bei Edeka Sam in seinem Maxi Cosi vorne an den Schikanen für die Einkaufswagenabgestellt, weil ich mit Cosi und Luke da nicht rein gekommen wäre. Von mir entfernt war er grob geschätzte 3 m. Da kam auch eine aufgebrachte Dame und meinte, wie ich denn das Kind da vorne abstellen könnte – ich sagte, wenn sie mir zeigen, wie ich mit dem Maxi Cosi und einem 2.Kind da rein komme und mit Einkaufswagen wieder raus, dann werde ich das Kind demnächst mit dadurch zwängen. Tja, manche machen sie gar keine Gedanken und andere wieder viel zu viele…

  • Sophie

    seitdem hier in münchen ein baby aus dem wagen entfürt wurde während die mutter mit ihrem zweijährigen in der umkleidekabine war, bin ich auch vorsichtiger, die mutter hat sogar die reifen des wagens gesehen, aber das baby wurde aus dem wagen genommen….gott sei dank war es nach ein paar stunden wieder da…

  • kassiopeia

    Ich bin ja nicht Nachrichtenblind, aber wenn ich allen meinen Sorgen und Ängsten (und davon gibt es ne Menge) soviel Raum geben würde, bekäm ich keine Luft mehr. Und die Ängste werden mit jedem Kind mehr, das darf man mir gerne glauben.

    Ich bin der Meinung, dass wenn einer mein Kind entführen will, dann tut er das einfach. Zur Not auch vor meinen Augen.

  • Patricia

    Ganz ehrlich – wenn ich immer das Schlimmste befürchten würde, sobald ich mit meinen Kindern vor die Haustür trete, dürfte ich das Haus nicht mehr verlassen, sie in keinen Kindergarten mehr schicken und keine Straße überqueren. Ganz normales Alltagsleben besteht doch darin, dass man unter Berücksichtigung „normaler“ Gefahren die eher selteneren Ereignisse weitgehend ausklammert – oder wie meine Gyn mal sagte: „Häufiges geschieht häufig und Seltenes geschieht selten“ – aber sehen Sie es mal positiv: Sie hat sich Sorgen gemacht. Vielleicht hätten Sie sie instruieren sollen, sich neben den Kinderwagen zu stellen und aufzupassen, während sie den Geschwisterstreit schlichten – dann wäre sie wenigstens nicht nervig, sondern nützlich gewesen ;-) …

  • Wolfram

    Wenn ich an das Gezeter denke, das wir zu hören bekamen, weil unsere damals Sechsjährige allein von der Schule nach Hause kam… ich hätte den damaligen Schwiegereltern beinah gesagt, „bei euch im Elsaß werden Kinder entführt; bei uns gabs das noch nicht.“ Dem Kind hat’s gut getan, auch wenn es für die Viertelstunde Fußweg über ne Stunde brauchte, weil es ja alle Eichhörnchen beobachten mußte.
    Als ich eingeschult wurde, hat niemand daran Anstoß genommen, daß ich eine halbe Stunde Fußweg hatte, strammen Schritts – nur die Abkürzung durch den Wald, zehn Minuten kürzer, zwei Straßenüberquerungen und das Longieren des Autobahnzubringers außerorts weniger, war uns verboten: im Wald hatte sich mal einer aufgehängt.