Eine Insel
Bevor wir umzogen, immer dann wenn ich abends allein sein wollte und Zeit brauchte zum Nachdenken
lief ich eigentlich immer die gleichen Wege. Meistens den entlang am Krankenhaus. Heute wohnen wir
sogar fast auf meiner alten Lieblingsstrecke, jedenfalls kann ich aus dem lila Zimmer, das Krankenhaus
weiter hinten sehen. Und ich sehe gern hin. Ich kann nicht mal sagen, woran das liegt. Es beruhigt mich.
Früher wühlte es mich auch auf, ich dachte an die erste Zeit mit dem erstgeborenen Sohnkind auf der
Neonatalen. Heute ist das nicht mehr so ein Gefühl. Eher ein Ankommen. Ich gehe noch immer gern dort
entlang, es macht mich glücklich. Ich kenne dieses Haus so gut. Ich kann von Außen genau sehen, wo
das Neugeborenen Zimmer ist und das für die mit Startschwierigkeiten, wo die Wöchnerinnen untergebracht
sind und wenn ich ein bißchen herum gehe, sind da die Kreisssäale und Wehenzimmer, der Not-OP.
Alles Räume, die ich kenne. Und ich werde mich wohl immer wohl dort fühlen.
Das Tochterkind wurde gar nicht dort geboren. Und vielleicht war das ein Fehler. Ich entband dort, wo
mein damaliger Arzt Belegbetten hatte. Es war mir alles fremd und entspannen konnte ich mich nicht.
Beim ersten Sohn war das anders, zwar durch eine unschöne Vorgeschichte, aber ich kannte die Räume,
die Schwestern und vor allem die Gesichter der Hebammen. Bei Tom war das alles noch viel schöner. Und
bei Ben ebenso. Ich kenne fast jede Hebamme und ich kenne jeden Raum im Kreisssaal. Auch wenn ich
alle drei Jungen in ein und dem selber Zimmer bekam. Es war nie so für mich, dass ich das Gefühl gehabt
hätte fremdgesteuert in einem Krankenhaus zu liegen. Die Hebammen sind in einer eigenen Welt, abgetrennt
vom Rest des Krankenhauses. Ich war dort für Tokolyse, Wehen verpusten, Warten, Schlafen, Akupunktur
und Einleitung vor dem Gebären. Und so war es immer ein bißchen wie jemanden besuchen als dieses
typische Gefühl von Krankenhaus, vielleicht auch weil ich wenn möglich nach den Geburten immer gleich
Heim ging.
Heute ging ich wieder dort entlang und es zaubert mir einfach ein Lächeln ins Gesicht, immerhin ist das
der Ort der Geburt. Ich wurde dort Mutter und drei meiner Kinder wurden da gesund geboren. Wenn ich
das Krankenhaus betrete ist da dieser Geruch, eine Mischung aus Dingen die andere vielleicht nicht mögen,
aber ich verbinde damit nur Schönes. Ich bin viele Wege schon sooft gegangen. Vielleicht bin ich auch ein
Krankenhausliebhaber. (Die treuen Leser wissen ja schon, dass ich in einem Paralleluniversum sicher
Ärztin bin.)
Aber ich mag es. Das gesamte Haus. Das Erdgeschoss mit der Anmeldung, der Espresso-Bar, den
Fahrstühlen, dem Briefkasten und dem Fitnesse-Eck, wo ich schon drei mal zur Rückbildung war, das
Treppenhaus, der Ort von dem ich aus, ein paar Stunden vor der letzten Geburt, aktuell alle über Twitter
am Laufenden hielt, der gesamte zweite Stock, der im Kreisssaal quasi mündet. Und der komplette
Kreisssaal. Es ist ein besonderer Kreisssaal. Durch die Optik sicherlich auch, aber eben auch weil er
mir so vertraut ist.
Vielleicht ist es die bloße Erinnerung, vielleicht die Freude am Gebären und Kinder haben, vielleicht ist
eine 1A Hebamme an mir vorbei gegangen oder ne tolle Ärztin, aber ich liebe wirklich dieses Gefühl
und suche die Nähe zum Krankenhaus. Dabei fahre ich beinah täglich zweimal dran vorbei, aber ich
werd es nicht überdrüssig. Es ist einfach genau meins. So oder so.