Ein Happy End?!

Ich kann mich noch an ein Gespräch mit dem Gatten erinnern. Es ist schon ein paar Wochen her.
Wir standen in der Küche und ich war irgendwie sehr wütend. Ich hatte nach dem positiven Test
ein paar Tage auf dem Blog geschwiegen, dann geschrieben, es wäre im Moment einfach zu viel
los. Was auch so war. Die Rede war aber keinesfalls von der Schwangerschaft, sondern von der
Bewerbung für das Tochterkind an der privaten Schule und den Gedankenkarussell rund um einen
eventuellen Kindergartenwechsel meines Großen samt dem Kindergarten-Nachzügler. All das
belastete mich in der Zeit sehr. Tut es zum Teil noch. Davon war die Rede. Dennoch gab es ein
paar liebe Menschen, die sofort mutmaßten, ich wäre schwanger. Was natürlich der Wahrheit entsprach.
Aber das konnte niemand wissen. Mich machte das wütend. Ich konnte nicht aufhören darüber
nachzudenken, wie ich mich fühlen würde, wenn dem nicht so wäre. Außerdem hatte ich eine
scheiß Angst. Ich durchschritt da ein Tal, was ich niemanden wünsche. Es war alles noch so nah.
Viel zu nah. Und die Angst zum Greifen nahe. Es lag soviel Anspannung in der Luft. Da war so
wenig Raum für Freude. Und dann wieder ganz viel. Es war genau die Zeit des Spagats. Ich lebte
beides. Trauer und Glück- durch mich selbst.
Ich stand also in der Küche und war wütend. Ich platzte zum Mann heraus, wie man es nur wagen
könnte in unserem Unglück noch ein Märchen, ein Happy End zu suchen. Warum man das nur
bei uns sucht? Warum die Menschen das brauchen? Und warum sie glauben, es wäre damit alles
wieder gut? Warum sie sich so nach diesem Happy End sehnen würden, damit sie das Grauen,
was wir erlebt haben, was sie mitlesen konnten, einfach erträglicher, sinnvoller macht?! Der Mann
war so anders. Er sah mich ernst an und sagte nur: Wünscht du dir nicht auch ein Happy End?
Darf sich das nicht jeder einfach wünschen? Das Märchen? Das alles wieder gut wird? Und er
hatte recht.
Ich verstand mit der Zeit. All das. All das, was Frauen vor mir erlebt haben und mir erzählt haben.
Diese Worte, es würde irgendwann einen Sinn ergeben schmerzten so sehr, als alles so frisch war.
Es ergab einfach keinen Sinn. Es war einfach nur furchtbar. Es war so schrecklich. Ich konnte nicht
wissen, dass ich bald wieder schwanger werden würde. Ich konnte nicht wissen, dass ich irgendwann
leider auch sagen würde müssen: Wenn dieses eine Kind nicht gegangen wäre, wäre nun kein Platz
für unser Manschgal. Das Herzkind, das einen Namen bekam, den es für immer behalten wird.
Tief im Herzen ein Platz. Unser Herzkind.
Und trotz allem. Bleibt ein Stück Wut und Hilflosigkeit. Und der leise Schrei tief drinnen: „Aber
ich hätte doch beide gewollt!“

Es ist, wie es ist, sagt die Liebe.

9 Kommentare

  • nane

    glaube bitte, es sollte niemals anmassend klingen und es war auch nicht der Wunsch nach einem happy end(ing)….höchstens der, dass der in Dir brennende Schmerz ein bischen nachlässt.
    Ich weiß zu gut, dass es KEINEN Ersatz für jedes einzelne Herzkind, dass uns genommen wurde geben kann.
    Aber es gibt neues Leben, dass mich Hoffen lässt.

    Sei nicht böse, ich denke keine von uns tut es ab als „eure unschöne Geschichte, die da mal war….“
    aber wir haben Euch (wenn auch unbekannter Weise) sehr ins Herz geschlossen und Menschen die man mag, denen soll es gut gehen..

    ich hoffe Du kannst durch mein Gedankenwirrwarr steigen und ich weiß, verdammte Scheiße noch mal, dass Du BEIDE Kinder haben wollen würdest und WILLST und genau das macht Dich aus

  • kassiopeia

    Du warst gar nicht gemeint! Wirklich nicht. Ich weiß doch, wie nah dir das geht! Es war einfach so ein Gedankenwirrwarr. Von Fremden war das zuviel. Es war jemand anderer. Und ich weiß auch, dass es niemals nicht böse gemeint war. Um Himmels Willen. Aber so hab ich mich damals gefühlt. Ich wollte nur ehrlich sein. Verstehst du?
    Ich bin so offen mit unserer Fehlgeburt umgegangen wie es nur ging. Weil ich anderen Mut machen wollte, darüber zu sprechen. Ich wollte es auch verarbeiten. Aber ich wollte auch laut und deutlich Trauer einfordern, für alle Frauen dieser Welt, die sich diese dummen Sätze anhören müssen, ala es wäre ja nicht so schlimm.
    Ich verstehe dich. Jede Zeile. Und ich hab mich gerade so sehr über deinen anderen Kommentar gefreut! :)
    Ich will noch so viel mehr schreiben. Über diese erste Zeit. Ich will es festhalten. Mehr nicht. Niemanden anklagen. Niemanden verletzten! Einfach nur festhalten. Und versuchen zu verstehen!

  • Sabine

    Hab ich nciht zwischendurch auch mal blöd gefragt? Naja egal, ich freu m ich, das es geklappt hat, das es das Herzkind gibt und wünsche dir eine schöne Schwangerschaft und ich hoffe, das wir uns im Sommer dann wirklich sehen können und hier keiner Magen/Darm Dreckskram hat wie letzte Woche ;). fühl dich umärmelt!

    Liebe Grüsse
    Sabine

  • kassiopeia

    Nein, hast du nicht. Wenn du ernsthaft gefragt hättest, hätte ich auch ehrlich geantwortet. Es geht aber hier genau um einen Beitrag der Wochen alt ist.

  • agi

    liebes, du hattest auch recht. deine wut in dem moment war doch ok. (aber es ist schön zu hören, dass du jemanden an deiner seite hast, der dich aber auch wieder ein wenig erden kann ;)).

  • eva

    irgendwie versuche ich jetzt eine neue sichtweise auf meine kinder, besonders auf unser wunder luzia, warum weshalb wieso sie so ist wie sie ist. warum ich oft so heftige kämpfe mit ihr habe. eine neue gedankenlawine tritt sich los, insbesondere zum thema sinn des ganzen. es hat keinen sinn. hat es nicht. nur das, was wir daraus resümieren. was wir fühlen und was uns das alles zwischenmenschlich hervorbringt.
    du hast eine große gabe: du kannst es in worte fassen!
    und es wird immer eine besondere zeit sein, euer weihnachten 2010/11. wir werden nochmal zur frau. leben und tod durch uns. komisch, aber ein bild vervollständigt sich. ein frauenleben, komplett eben. dad zu akzeptieren und bewusst wahr zu nehmen ist ein wirkliches geschenk und die rückkehr zu uns selbst.
    herrgott, ich bin doch krank und hab bauchweh ;)
    aber es tut gut, selbst weiter zu kommen.
    meist in zeiten, in denen es uns nicht gut geht.
    lg eva

  • Steffi

    Hallo! Ich lese nun noch ein bisschen nach, weil ich ein paar Tage nicht dazu kam. Und ich freue mich zuallererst für Sie. Natürlich! Hier stoppe ich mal und gebe meinen Senf dazu, weil mir gerade hier die Tränchen kullern, denn bei uns war das auch so… Als ich nach der Fehlgeburt wieder positiv testete, war ich völlig aufgelöst und ängstlich. Ich habe weinend meinem Mann den Test gezeigt und der reagierte ganz ähnlich wie ihr Mann. Alles wird gut, du wolltest das doch und er hat sich so gefreut auf das Kind.
    Anders als Sie haben wir dann einige Monate ein Geheimnis daraus gemacht und erst im 5./6. Monat zuerst der Familie davon berichtet, dann vielen anderen.
    Nun ist die Zeit bald um und wir werden in den kommenden Tagen unser nächstes Kind im Arm halten dürfen :-)
    Sie hatten damals noch gefragt, was Frauen nach ihren Fehlgeburten noch getan hätten?! Es war etwa um die gleiche Zeit, zu Ostern. Als der Osterstrauß abgeschmückt war, sah ich die vielen Wurzeln, die sich an den Weidenzweigen gebildet hatten. Da habe ich das Ganze so wie es war, im Garten eingepflanzt. In einen „Büschewald“, in dem die anderen Kinder spielen sollen, wenn mal alles etwas größer gewachsen ist.
    In diesem Jahr also wächst unser „Purzelbaum“ dort schon ein Jahr und bekommt gerade neue Blätter. Das finde ich wundervoll. So ist auch unser Purzelbaby immer dabei.
    Und ja, ich hätte auch beide gewollt… :-(

  • Ilsa

    Ihre Gedanken beeindrucken mich. Auch Ihre Offenheit und Ihre Fähigkeit zur Selbstreflektion. Das können nicht viele. Alles Gute!