Die Anderen

Es ist schwierig im Moment. Die Menschen, die mit uns trauern, haben fast Angst vor uns, so scheint
es. Wenn sie sagen, dass sie nicht wissen, wie mit uns umgehen, kann ich auch nur mit den Achseln
zucken und sagen, dass meine Ma leider kein Handbuch für mich gefunden hat. Wenn sie sagen, dass
es so schwer für sie ist, weil sie nicht wissen wie sich verhalten, was soll ich dazu sagen? Das weiß ich
auch nicht. Normal? Wenn wir uns entscheiden ins Leben zurück zu gehen und das Haus verlassen,
möchte ich diese Blicke nicht. Ich weiß, dass es nicht einfach ist, wer sollte das besser wissen als ich?
Diese Anteilnahme ist ein Geschenk, aber diese Betroffenheit, dieses Einatmen und Luft anhalten, wenn
wir im Raum sind, ist belastend. Es ist ein Graus, wenn man versucht zu leben und die Menschen, so
traurig gucken, sich so sorgen, dass man all den Schmerz in ihrem Gesicht sieht, als würde einem
ständig der Spiegel vors Gesicht gehalten.
Ich habe in den vergangenen Tagen viele absurde Momente erlebt. Die andere Mutter, die ich tröstete,
weil sie vor mir in Tränen ausbrach und sich an ihren eigenen Schmerz und Verlust erinnerte. Die
Menschen, die sagen, es wäre „schade“. Schade? Die einen können gut mit Worten, die anderen weniger.
So ist das eben. Aber es verletzt mich nicht. Es beschäftigt mich nicht mal.
Es ist schön, dass die Menschen Rücksicht nehmen. Es ist schön, wenn sie uns nicht vergessen. Es
ist schön, wenn sie um unser Kinder trauern. Es ist nur nicht schön, wenn sie einen mit ihren Blicken
und Worten nur immerzu daran erinnern. Ich bin doch ein offener Mensch, ich gehe ganz offen damit
um. Ich spreche darüber ohne in Tränen auszubrechen. Ich lebe weiter. Ich brauche keinen
Sicherheitsabstand. Wir trauern. Wir sind so traurig. Das sind wir mit und ohne Sicherheitsabstand.
Es gibt keine tröstende Worte. Keine die einen wirklich noch irgendwie zusätzlich schaden könnten. Also
bitte, bitte aufhören mit Luft anhalten, aufhören mit dreimal überlegen, wie was sagen. Es tut nicht
noch zusätzlich weh. Wie könnte es? Das tut weh. Das belastet. Dieser Eiertanz um uns herum.
Mal im ernst, was könnte es in dem Zusammenhang noch schlimmeres geben? Wir haben unser Kind
verloren und verabschiedet. Was soll man da mit Worten noch groß schlimmer machen? Das
schlimmste, was passieren könnte, ist dass ich mit meinem Mann darüber spreche. Mehr nicht.

3 Kommentare

  • blumenpost

    Danke für diese klaren Worte. Ich gebe zu, genau zu denen zu gehören, die nicht wissen was sie sagen sollen. Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich von unwichtigen Dingen schreibe, weil im Gegensatz zu deinem Verlust einfach alles unwichtig erscheint und nicht mal ansatzweise erwähnenswert.

    Deine Offenheit ist wirklich toll.

  • Janine

    Danke!

    Genau das hat es irgendwie gebraucht, wie Du von mir ja eh schon weißt. (Auch wenn es schlimm genug ist, dass Du das erst in dieser Deutlichkeit ausdrücken musst…)

    Ich drück Dich!