10+3

Ich war sehr stolz, dass ich das Wochenende in der Ungewissheit ausgehalten hatte und irgendwie hatte ich woher auch immer am Montag noch ein gutes Gefühl. Ich war so müde, ich wäre am liebsten auf dem Sofa geblieben, aber ich dachte voraus. Was wenn ich heute Abend blute oder Dienstag in der früh? Ich blutete auch gleich gestern Abend. Und ich war am Ende froh und dankbar, dass ich am Vormittag doch bei meiner Ärztin war. So ging ich zwar unsicher und zittrig ins Bett, aber auch voller Hoffnung, dass trotz dieser nicht enden wollenden Blutungen mein Baby okay ist.
Der Weg zur Ärztin ist immer das Schlimmste. Die Unruhe und Unsicherheit, die hoch kriecht. Was wenn sie dir gleich sagt, wieder sagt, das dein Baby gestorben ist? Es könnten die letzten Minuten sein. Willst du gleich auf den Monitor gucken? Wie sollst du da überhaupt hingucken. Und am Ende bin ich immer froh, eine Ärztin zu haben, die einen gleich ins Gespräch zieht, ein bißchen Unsicherheit trägt, nicht ewig wartet, rüber geht, weiterhin im Gespräch und tut, was sie tun muss. Am Ende schaute ich doch wieder sofort auf den Monitor. Was ich sah, war mein Kind, das so heftig zappelte. Wir sahen beide nicht mal einen Herzschlag, nur diese vielen Bewegungen von Armen und Beinen. Dann natürlich auch das blubbernde Herzchen. Was sprudelt mein Herz im Moment über, wenn ich das sehe!? Wie viel Liebe empfinde ich schon, unglaublich. Das ist wirklich mein Kind. Und wie schon beim letzten Mal, kaum haben wir das kleine Wesen entdeckt, absolute Ruhe. Keine Bewegung mehr. Nichts. Wie auf frischer Tat ertappt. Meine Ärztin meinte wörtlich: „Wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Nur noch die Augen bewegen sich…“

Was wir auch sahen war der Mutterkuchen, der über bzw in den Muttermund lappte. Sie sagte, das könne der Grund für die Blutungen sein. Im Moment hangel ich mich von Tag zu Tag. Das sagte sie auch. Wir schauen einfach. Immer Schritt für Schritt. Ich denke nicht viel nach, wie das nur Wochen so weiter gehen soll blutend, immer in Ungewissheit. Ich versuche nicht drüber nach zu denken, wie gefährlich die Plazenta noch werden könnte, wir gehen einfach davon aus, dass sie sich von allein hochzieht im Verlauf der Schwangerschaft.

Ich traue mich nicht. Nicht richtig. Die Fantasien sprudeln über. Die Hoffnung. Ein Viertel geschafft und doch bedeutet es nichts. Ich bewege mich zielstrebig auf die 12. Woche zu. Aber weiß auch, dass das keinerlei Sicherheit mit sich bringt.

Auch wenn ich es will. So sehr. Dich und mich. Und uns alle. Hier zusammen. Kuschelnd, lachend, schlaflos.

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