Ein Jahr ohne dich.

Und ob ich wollte oder nicht dieser Tag würde sich das erste Mal jähren. Heute morgen nachdem Zoes Bus weg gefahren war, lief ich mit deinem Bruder Ben zur Gärtnerei und dann zum Friedhof. Wir haben für dich eine weiße Rose gekauft und zwei Kerzen, Oma hatte mich gestern gebeten auch eine für sie anzuzünden. Heute ist ein Tag der Trauer. Heute vor einem Jahr bist du gestorben.
Was macht man an solch einem Tag? Wir haben vier Kinder, ich kann mich nicht einschließen und den ganzen Tag weinen, auch wenn einem danach ist. Da passiert soviel, wenn man Kinder hat, das war schon bei deiner Beerdigung so. Kinder verändern das Trauern.
Als vor ein paar Wochen der Tag der offenen Tür für unseren Kindergarten beim Elternbeiratsabend bekannt gegeben wurde, wusste ich sofort, wie könnte man dieses Datum auch vergessen, dass das heute sein würde. Mir blieb erst die Luft weg und dann dachte ich, vielleicht sollte das so sein? Ein Zeichen? Denn vor einem Jahr schleppten wir uns doch noch am Abend zu diesem anderen Kindergarten, in den wir wechseln wollten, trotz schlechtem Gefühl rein aus Vernunftsgründen. Die Seelsorgerin im Krankenhaus bestätigte mich drei Tage später, meine Kinder trotzdem auch weiterhin dort zu lassen, wo sie einfach hingehörten- in unserem Kindergarten. Also waren wir heute da- bei unserem Tag der offenen Tür. Es war schön, dort zu sein, wo man sich geborgen fühlt. Die Möglichkeit haben etwas zurück zu geben. Einen solchen Tag so ausklingen zu lassen…
Heute morgen schien so schön die Sonne. Wie vor einem Jahr. Ich weiß gar nicht mehr, was wir genau gemacht haben. Ich weiß nur, dass wir gerade vom Termin mit Noah nach Hause wollten, ich kann mich an die Busfahrt erinnern und dann wieder nicht. Ich kann mich an den Rollator der alten Dame erinnern, der mich schlussendlich daran gehindert hatte, mich so hinzustellen wir sonst. Ich kann mich daran erinnern, dass Zoe und Noah getrennt saßen, meine ich. Ich kann mich erinnern, dass Tom bockte und sich nicht hinsetzen wollte und ich kann mich an dem Moment erinnern, als plötzlich der andere Bus vor uns stand und der Busfahrer Notbremste. Daran das ich umfiel. Und Ben im Kinderwagen auf mich. An diesen Schmerz. Und daran dass ich nur froh war, dass es den Kindern gut geht und gleich nach ihnen sah. Aber dir ging es nicht mehr gut. Du hattest keine Chance gegen die Einblutung. Dein kleines Herz blieb einfach stehen.
Jeden Tag fahren wir diese Strecke, obwohl wir dich da verloren haben. Dich- einen kleinen Menschen. Du warst winzig klein, aber alles an dir war fertig. Deine Knochen hätten sich verdichten müssen und du selbst wachsen, aber du warst so perfekt. Ein kleiner Mensch. Ich hatte dich schrecklich lieb.
Als ich da heute morgen stand, tat alles weh. Ich fahre dich nicht in unserem Kinderwagen umher, nein ich stand heute morgen vor deinem Stein, brachte Blumen und zündete Kerzen an.
Ben verstand nicht, was da los war. Er war letztes Jahr erst 1 1/2. Er hat mich in den Arm genommen und ich hab versucht wie immer die Balance zu finden. Ich weinte und liess mich trösten, er sollte sich keine Sorgen machen.

Wir vermissen dich. Du hast uns alle verändert. Papa sagte vor ein paar Tagen, dass dein Verlust Narben bei uns allen hinterlassen hat. Auch bei den drei Großen. Es ist nichts selbstverständlich. Und ein bißchen werden wir immer Angst vorm Glück haben.

Ich. Ich bin deine Mama. Und auch wenn der Alltag soviel bereit hält, wenn ich da stehe, fühle ich das große Loch, dass in meinem Herzen ist. All die Liebe, die für dich hatte. All die Sehnsucht. Es ist egal wie groß du warst, in meiner Handfläche hättest du Platz gefunden.

Ich liebe dich. Und als ich heute ging, sagte ich zu dir „Du wirst immer mein Kind bleiben…“

Ich weiß nicht, ob es in Ordnung ist, diesen Text zu verlinken, aber er hat mich so unheimlich berührt in diesem Monat, dieser Appell: „Jetzt aber zwingt uns nicht mit Wort und Blick, unser Unglück zu leugnen…
Glaubt daran, dass unsere Belastbarkeit wächst. Glaubt daran, dass wir eines Tages mit neuem Selbstverständnis leben werden.“
Ich bin in Gedanken bei euch und all den anderen Eltern, die auf dem Weg sind…

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