Emils Geburt

„Wann ging es denn los?!“ wurde ich gefragt, aber so genau weiß ich das gar nicht… Eigentlich hatte ich am Vorabend schon das Gefühl, dass was passiert. Es hatte sich erst morgens abgezeichnet und ich spürte wie die Tage zuvor, dass der Körper arbeitete, nur als ich ins Bett ging, schlief ich auch irgendwann ein. Das komische war, ich wachte mit Wehen wieder auf und zeichnete weiter. Das war neu. Und warmes Wasser tat zwar unheimlich gut unter der Dusche, aber ich war so unruhig. Dieses Unruhe sagt der Liebste, war für ihn die Gewissheit.
Egal was ich tat an diesem Mittwoch, es tat irgendwie weh. Und so kam es, dass der Mann um 11Uhr aus der Arbeit aus schrieb: „Und?“ und ich zurück fauchte, er könne wohl auf seine Veranstaltung gehen. Alle Jungs waren zu Hause geblieben, weil Tom etwas krank war und am Abend zuvor und noch mal nachts gespuckt hatte. Ich dachte zwar, dass liegt am Infekt, aber sicher ist sicher. Es war bloß kein gutes Timing. Also schrieb ich dem Mann versöhnlich irgendwann, dass ich heute ganz schön zu kämpfen hätte, unruhig wäre und mein Bauch sich komisch anfühlen würde. Worauf hin er mir schrieb, ich solle Bescheid sagen, dann würde er los rennen. Ich hatte solche Schmerzen immerzu, hielt mich aber stur in Bewegung wie den Tag zuvor, machte meinen Haushalt, legte Wäsche zusammen, bereitete uns eine Quiche zu und blieb im engen Kontakt zum Liebsten, der auf ein Event fahren wollte, dass er selbst mit organisiert hatte. Ich wusste, die Eröffnung beginnt um 13Uhr und ich wollte, dass er das mit erleben kann. Um 13Uhr gäbe es bei uns dann auch mit dem Schulkind Mittag- schon viel geschafft. Ich hatte eine liebe Freundin erreicht, die kurz mal eben hätte kommen können und das Wissen half mir auch etwas mich zu entspannen und nach dem Essen gab es ja die obligatorische Pause, auf die ich mich freute, denn ich hoffte mich irgendwie dabei sortieren zu können. Ich konnte einfach nicht einschätzen, ob es falscher Alarm ist oder nicht und diese Schmerzen machten mich mürbe und zu alldem gesellte sich eine unglaubliche Aufregung. Ich hielt mich mit einer anderen lieben Hochschwangeren mental über Wasser und ich war unheimlich froh, dass Nils die Begrüssung um 14Uhr schon hinter sich hatte und entspannte auch dahin gehend wieder. Wieder legte ich mich hin, konnte auch etwas Schlaf ergattern, aber wachte immer mal wieder auf von… diesen Kontraktionen. Mittlerweile war also neu, dass ich durchgehend und ohne Pause diese Kontraktionen hatte. Aber… sicher war ich mir immer noch nicht. Um 15.15Uhr schrieb Nils, dass er gleich losfahren würde und das versuchte ich ganz schnell zu verhindern und war froh ihn zu erreichen. Ich schrieb, ich hätte zwar Wehen, aber noch sei alles gut „hier“ und wenn es schlimmer werden würde (was ja passieren müsste, damit wir ein Kind bekommen und er gebraucht wird), würde ich schon nach ihm krähen. Das hoffte ich zumindest. Ein bißchen mehr als eine Stunde später schrieb ich schon, vielleicht müsse er doch schon heim kommen. Ich glaube, ich war mir immer noch nicht sicher, aber ich merkte wie ich immer und immer unruhiger wurde und anfing herum zu tigern, weil ich eigentlich allein sein sollte und in mich spüren. Ich fragte den Liebsten noch unterwegs, ob seine Ma heute wirklich keinen Kurs hätte, denn sie hatte ich mich immer noch nicht getraut anzurufen. Und ich brauchte ja eigentlich beide hier. Wie immer. Ich traute mich aber partout nicht sie anzurufen. Weil der Mann nun heim kam, denn ich hatte einfach gar keinen Kopf mehr für die Kinder (-ich meine sie vor den Fernseher gesetzt zu haben, damit niemand zu Schaden kommt und hatte zuvor noch erklärt, warum ich grad so komisch bin-) bin ich dann hoch, duschte noch mal kurz, zog saubere Wäsche an, denn es war schwül und packte endgültig die Tasche(n) und schloss sie, falls wir sie brauchen würden… Unten ging ich kniepernd an den Fotos im Wohnzimmer vorbei auf denen alle vier sind, sah die hynotisierten Kinder sentimental von der Seite an und landete warum dann eigentlich auch immer bei meinem eigenen Geburtsbericht von Tom und las. Und nachdem ich mich so lange gefragt hatte in den letzten Tagen, wann es denn los gehen würde, an was ich mich wohl mein Leben lang erinnern würde, wenn ich an Emils Geburt denke, war der Tag von Toms Geburt diesem Tag hier doch sehr ähnlich. Gereiztheit, innere Unruhe, Unsicherheit… Das komische im Nachhinein ist… ich schrieb sogar den gleichen Satz zum Schluss meiner Gedanken: „Bitte, lass es keinen falschen Alarm sein.“
Ich machte den Kindern gerade Brote, da kam Nils zur Türe rein und so wie ich ihn noch zwei Stunden zuvor im Spaß gesagt hatte: „Du bist doch mein Mann, du musst doch wissen wann es los geht.“, kam er zur Tür und sagte genau das. Das ich gerade unser Kind bekomme. Ich hatte schon lange aufgehört zu lachen, merkte ich selber. Und ich dachte daran, dass meine Schwiegermama das immer zu den Männern ihren Patientinnen sagt, wenn sie fragen, wann sie ins Krankenhaus fahren sollen: „Wenn sie nicht mehr lacht.“ Ich war immer noch unsicher, bat den Mann im Kreisssaal anzurufen und mich anzukündigen und wollte dann auf eigenen Wunsch ins Krankenhaus rüber laufen, ich würde mich melden, wenn es ernst ist… Die Hebamme am Telefon war wohl auch interessiert daran, warum ich allein komme, aber jemand musste ja die Kinder versorgen. Ich stand dann vor den Kindern und wusste gar nicht wie verabschieden, ich wollte einfach nur noch allein sein, aber irgendwie könnte das doch ein besonderer Moment sein. Zoe fragte noch, wo ich hingehe und ich meinte nur noch: „Na, ins Krankenhaus, gucken ob der Emil jetzt kommt oder nicht…“ Ich drehte mich an der Türe noch mal zum Mann um „Ist es das jetzt?“ dachte ich… es war ein magischer Moment und dann ging ich raus und lief durch die warme Sonne…
Ich merkte wie sehr mich das Laufen anstrengte, die Sonne war so warm und kaum ein paar Meter gelaufen, wurde ich lieb angesprochen von einer Fremden, ob man mir helfen könne oder ob mir die Wärme so zu schaffen mache. Ich konnte sogar in diesem Moment nicht sagen, dass ich gerade ein Kind bekomme, sondern schwindelte und sagte, es ginge mir sehr gut und die Wärme wäre das Problem. Aber ich fand das total lieb und man wünschte mir einen schönen Tag und alles Gute. Ich lief weiter und weiter, versuchte abzuschätzen, ob ich so noch über die Strasse kam, denn mittlerweile musste ich kurz innehalten und konnte unter den Wehen nicht mehr laufen, die Sonne blendete mich und irgendwann dann kurz nach 18Uhr betrat ich das Krankenhaus. Eigentlich wollte ich im Spiegel noch ein Foto von mir machen, aber ich war im Fahrstuhl nicht allein. Oben wollte ich ein Foto machen von dem Geburtshilfe- Schild, denn mir war aufgefallen, dass dort nicht Kreisssaal steht. Aber mein Handy war nicht so schnell, wie die Hebamme, die nach dem Klingeln die Tür aufmachte. Sie geleitete mich vorbei an einer Hebamme mit der ich Noah bekommen hatte, in einen ganz anderen Kreisssaal. Und ich dachte noch um ehrlich zu sein, dann ist das hier falscher Alarm. Ich war schon Sonntag in diesem braunen hier. Und sonst war es immer der grüne, dann muss ich mich wohl irren. Was für einen Mist man aber auch zusammen denkt in so einer Situation. Die Hebamme legte mich ans CTG, nahm mich soweit auf und wollte mich untersuchen, sagte mir aber, ich könne dann wohl noch eine Runde laufen gehen, was für mich ja gar keine Option war. Ich sagte noch vor der Untersuchung, dass ich nicht glaube, dass sich da groß was am Muttermund getan hätte, weil ich dafür keine Ruhe gehabt hätte. Wirklich warm wurden wir nicht, vielleicht weil wir beide wussten, dass gleich Schichtwechsel sein würde. Eigentlich war es kein toller Befund, ich glaube 2cm geöffneter Muttermund und richtig schöne Wehen, soweit ich das sehen konnte. Aber irgendwas veranlasste die Hebamme mir zu sagen, dieses Kind käme ganz sicher. Heute Nacht. Und das schrieb ich auch dem Mann. Und konnte es nicht glauben. Ich lag auf dem Bett, das CTG schrieb und schaute in die warme, helle Abendsonne, versuchte anzukommen. Irgendwie. Schrieb immer wieder mit dem Liebsten. Was er gerade tut, ob seine Mama käme, was die Kinder tun. Dann fiel mir ein, dass ich mich gar nicht bei den Kindern richtig verabschiedet hatte und bereute das. Dann dachte ich daran, was wohl wäre, wenn Ben in der Nacht aufwachte und mich brauchen würde, wie die zwei Nächte zuvor. Ob er wirklich weiß, dass ich nicht da bin, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn alle zur Oma gefahren wären… Hätten wir nur gewusst… Und dann sah ich sie um die Ecke kommen. Schicksal. Die Hebamme mit der ich wirklich gern entbinden wollte. Mit der ich schon Tom bekommen hatte und die Frau, bei der ich auch vor kurzem noch Geburtsvorbereitung hatte. Sie grinste und meinte: „Kriegen wir heute Ihr Kind?“ Also wenn sie mich so fragt… Ich glaube, sie sagte was von, ich käme ja anscheinend gut zurecht, es würde sich hörbar was tun, jedenfalls gab sie mir wie immer ganz viel Ruhe. Ich fragte vorsichtshalber nach, ob es okay sei, der Schleimabgang mit Blut, denn ich hatte ja kein CTG um, aber sie lächelte nur und meinte, dass sei alles richtig so, da tue sich was am Muttermund. Nils schrieb, er sei unterwegs. Und als ich gerade aus dem Fenster sah, ob er jetzt wohl kommt, sah ich noch wie er sein Handy in den Händen in die Luft hielt und nach oben ein Foto vom Kreisssaal schoss. Also muss ich genau hinter dem Fenster stehen auf dem Bild, da oben war ich und ich war so froh, als er endlich kam, denn ich hatte keinerlei Ahnung wie schnell es gehen würde. Die Wehen waren nur unheimlich intensiv und ich erkannte mich zuerst selbst nicht wieder, denn ich lief. Und lief. Und kreiste und stützte mich bis dahin immer an irgendwas angelehnt ab. Die Hebamme erkannte Nils auch sofort wieder, brachte ihn zu mir und meinte noch einmal, sie ließe uns machen und an der langen Leine, käme aber gleich wieder und würde nun erstmal die andere Frau übergeben, die sie nicht kennt und möchte stattdessen mit uns zusammen die Geburt machen. Als sie dann wieder kam, beschriftete sie erstmal alles und band das Namensbändchen, als wäre es das normalste auf der Welt. Junge oder Mädchen und schwuppst war es gebunden, dass blaue Armbändchen mit den Perlen und unserem Nachnamen. Dann schrieb sie wirklich ohne mit der Wimper zu zucken das heutige Datum auf das andere Namensbändchen und die Papiere und da war es nach 20Uhr und es sah für mich nicht wirklich danach aus, dass es so schnell gehen würde. Im Gegenteil, in meinem Kopf schwirrten die ganze Zeit Gedanken, ob ich das alles richtig genug mache, mich gut genug entspanne, nach unten loslasse. Ich kannte das überhaupt nicht von mir. Ich stützte mich auf Brusthohe aufs Fensterbrett, tönte, atmete, fluchte auch hier und da, denn es tat sehr schön weh. Der Mann durfte mich nicht anfassen, das machte ich alles allein, rieb mir im Anschluss den unteren Rücken wärmend. Die Wehen kamen kräftig, gingen mit Sicherheit mehr als eine Minute, denn ich brauchte zu Beginn noch vier Atemzüge bis sie vorüber waren, in den Bauch hinein, loslassend ausatmen. Zwei Minuten Pause hatte ich immer nur, aber das kannte ich ja. Im Stehen ging das nicht so gut, wie gesagt ich war unsicher, ob ich mich genug entspanne, aber die Hebamme kam 20 vor 9 und meinte sie würde mich um 21Uhr mal wieder untersuchen. Eine Ärztin kam und stellte sich mir vor, ich hatte sie auch schon mal gesehen. Aber in dem Moment fiel mir nicht mehr ein wann, mein Gefühl sagte mir instinktiv, dass das kein guter Zeitpunkt ist dem nachzuspüren. Jetzt weiß ich es plötzlich ganz klar. Und mein Gefühl war richtig. Das hätte ich in dem Moment nicht miteinander verbinden wollen. Ihr sagte ich im Gehen, dass ein Arzt bei der letzten Vorsorge den Tipp gab bitte noch mal einen Schall zu machen, damit wir wussten, ob das Kind richtig liegt und schwupps kam die Ärztin auch mit dem Gerät und natürlich lag er noch richtig. Aber das hatte mich beschäftigt, weil ich es bei der Aufnahme total vergessen hatte und er ja Möglichkeiten genug hatte, sich zu drehen. Die anschließende Untersuchung von der Hebamme war total ernüchternd, 2-3cm nur. Aber auch hier wieder blieb die Hebamme so ruhig und entspannt, kein Gefühl von Hetze oder Unruhe, als wäre es das normalste auf der Welt. Für mich war es das nicht, ein mickriger Zentimeter? Wir brauchen doch 10! Und es war 21Uhr. Aber sie meinte nur, wenn erstmal der Druck vom Köpfchen käme, würde alles ganz schnell gehen. Wir schrieben ein CTG im Stehen, ich lief und hing mich das erste Mal unter einer Geburt an Nils, weil das Kabel nicht lang genug war. Hielt mich fest, sein Geruch, seine Arme, seine Stimme- all das gab mir Halt, ich fühlte mich nicht mehr so verloren im Schmerz, sondern ganz sicher. Dann wieder eine kleine Pause und wieder eine neue Wehe. Wieder an Nils festhalten und das tat so unheimlich gut. Im Nachhinein sagt der Liebste, er fand das auch schön, denn er konnte aktiv etwas tun. Einmal war er nicht schnell genug, da bot sich die kleine zarte Hebamme an, an die ich mich selbstverständlich aber vorsichtiger hing, wie schon einmal im Kurs, tönte und atmete. Ich wurde schwächer. Ich merkte das und da ich meinen Mann unter der Geburt kenne und die Hebamme, nahm ich das unterschwellig war. Ich spürte das es Zeit war sich hinzulegen. Und das tat ich um 22Uhr. Die Wehen konnte ich da schon nicht mehr so gut veratmen, immer öfter hatte ich das Gefühl mich zu verlieren, zu ertrinken, ruderte mit den Armen, tönte lauter. Ich nahm den Druck wahr im unteren Rücken, die ganze Zeit schon, die Schultern des Kindes sollten das sein, die sich ins Becken einstellten und irgendwann zog es auch zur Scheide. Dieser Druck ließ nur in den Wehenpausen leider nicht mehr nach. Ich hatte das Gefühl und das sagte ich auch, er würde mit dem Köpfchen immer wieder da unten gegen donnern und abprallen. Das war wohl der Moment, wo sie noch mal untersuchte. Was ich nicht sehen konnte unter der Wehe, war dass sie Nils mit den Fingern zeigte, dass alles geschafft war. Ich weiß nicht wann, aber das spielte auch überhaupt keine Rolle, dass sie ganz sachte, so vorsichtig unter der nächsten Wehe die Blase öffnete, ein total warmes, schönes Gefühl und auf einmal auch ließ dieser Schmerz nach, dieser Druck, dieses Donnern und alles war schön. Ich lag da, total klar, wusste dass es fast geschafft war, für den Moment tat mir in der Wehenpause wieder wirklich nichts mehr weh und ich wusste und sagte auch, dass ich mich darauf freue gleich aktiv werden zu dürfen. Das ich keine Angst habe vorm Pressen. Und ich kann mich erinnern, dass die Hebamme meinte, na mit so einer Einstellung stünde dem jetzt doch nichts mehr im Wege. Wir hatten alle Zeit der Welt und ich fühlte noch keinen Druck. Ich durfte so wie mir unter der Wehe war, einfach etwas schieben und das tat ich. Ganz in Ruhe, in meinem Tempo durfte ich das. Emil machte gut mit und die Hebamme dehnte vorsichtig und stimulierte meine Gebärmutter, dass konnte ich spüren. Sie half mir einfach so und es war so schön entspannt. Sie nahm meine Hand und führte mich runter, all das sei schon das Kind sagte sie. Auch etwas, was ich nie vorher wollte unter den Geburten und glauben tat ich das eh, weil der Mann schon lange knieperte vor Rührung. Ich kenne meinen Mann unter der Geburt, egal was eine Hebamme mir sagen würde, ich würde an meinem Mann an meiner Seite wissen, wo wir sind. Sie sehe viele dunkle Haare, sagte sie und auch das überraschte mich nicht. Dann kam ganz langsam so ein Druck angerollt und ich musste wirklich für einen Moment überlegen, wie man presst. Augen zu und genau da hin schieben wo schon eifrige Hände waren, hier hin, sagte sie. Der Druck unter den Wehen kam nicht plötzlich, sondern ganz langsam und am Ende so kräftig, dass ich wieder genau wusste, was ich tun muss, ich fühlte mein Kind kommen. Die Hebamme legte mein Bein in ihre Taille, bat mich Platz zu machen. Das Ziehen, diese unglaubliche Dehnung, in die ich nur kräftig schieben sollte, es wäre fast geschafft. Ich weiß auch nicht mehr, was er genau sagte, aber wenn der Mann sagt: „Noch einmal!“, dann meint er es auch so, denn er will dann sein Kind endlich haben! Auch das sagte die Hebamme, die ich so mag, aber ich fühlte es an Nils Bewegungen, wie er mich animierte, noch mal alles zu geben und das tat ich. Ich schrie. Wie die kräftigen Presswehen zuvor auch und hörte wie die Hebamme erneut sagte: „Tiefe Töne, tiefe Töne.“ und wenn ich hätte reden können, hätte ich gefragt: „Was zum Teufel sind jetzt grad tiefe Töne.“ Aber irgendwie brummt man dann doch intuitiv in die richtige Richtung. Mit den Bwegeungen des Mannes, dem Vertrauen, dass es fast geschafft ist, fühlte ich wie erst Kopf, dann die Schultern, unser weiches Kind entlang meinen Beinen auf die Welt zu uns kam. Endlich.
Endlich. Ich hörte ihn, spürte und sah ihn und konnte nur noch weinen. Und es lief. All die Erleichterung, all die Angst, die Anspannung alles musste raus. Ich war überglücklich. Mein Sohn. Unser Sohn. Endlich da. Am Leben. Hier. Bei uns. Ich weinte vor Glück! Lange. Und hielt ihn so fest ich nur konnte, dieses wunderschöne Kind.

Die Hebamme trocknete meine Tränen. Ich guckte noch mal nach, ob es bei Emil geblieben war, wir lagerten ihn um mit Hilfe um, weil wir doch so unbeholfen waren, so winzig, so wenig Körperspannung (Wie war das alles noch mal?), damit ich ihn noch besser sehen könnte, dann drückte die Hebamme mit mir die Plazenta raus, vergewisserte sich, dass alles heil geblieben war und liess uns ganz allein. Wir guckten und er guckte auch. Vorsichtshalber, ob er richtig ist. Wir beschmusten unser Kind mit der großen Schere an der Nabelschnur und ich half ihm beim ersten Anlegen, was er ganz toll fand. Saugen- wie ein Weltmeister! Irgendwann kam die Hebamme zurück und fragte, ob uns interessiert wie groß und wie schwer er sei. Sie nahm Maß. Er war so lang wie Noah am Tag seiner Geburt. Sie legte ihn auf die Waage, wo sein Papa Blödsinn machte und ihn behachte und schwupps stimmten die Zahlen nicht mehr, also warteten wir und amüsierten uns, wie Emil lässig den Fuß über die Waage hängen liess. 4430g meinte sie dann. Fast Toms Geburtsgewicht und ich erklärte ihr, dass ich wirklich vor erst 1 1/2 Wochen beim Arzt war und ich laut dieser Messung ein kleineres Kind zu erwarten hatte, als sonst bzw nicht mehr weiter so schnell wuchs und zunahm, was mir wirklich Angst gemacht hatte, er wäre nicht mehr gut genug versorgt. Wir redeten ganz viel über Kinder, Lebensplanung, Geburten und Ärzte und in der Zwischenzeit hatte ich sehr viel gegessen, mein üblicher Gerade-geboren-Fresskorb. Mein Kreissslauf war gut und ich ging zur Toilette. Für mich immer ein wichtiger Gang. Nils wurde müde und müder, schlief immer mal wieder ein, Emil schlief dann irgendwann auch endlich angezogen für den Heimweg, nachdem er aber ganz schön viel und lange gesaugt hatte. Mit Hilfe der Hebamme zog ich mir was Bequemes an und dabei meinte sie um kurz nach 2Uhr, wir könnten jetzt gehen, wären entlassen von ihrer Seite aus. Sie gab uns noch allerhand liebes und wichtiges mit und wir überlegten nur kurz, ob Taxi oder Oma anrufen. Hatten aber bei beidem kein gutes Gefühl, aber Laufen hätte ich mit Gepäck nicht geschafft. Gepäck, dass ich ja gar nicht richtig gebraucht hatte, weil wir beide gesund und munter waren. Was en Geschenk. Ich grinste grenzdebil, packte unsere Sachen wieder ein, machte ganz viele Fotos, seufzte mehr als einmal sentimental. Ich spürte wie mir das fast zu schnell ging… Aber der Gedanke gleich in unser Bett zu sinken… morgen die Kinder… Ich umarmte an der Türe meine Hebamme und wir fuhren mit dem Fahrstuhl nach unten, setzten uns rein ins Taxi und fuhren die paar Meter heim… mit unserem Sohn, gerade drei Stunden alt…

Zu Hause erschreckten wir die frisch gebackene Oma, die kurz dachte, wir seien Einbrecher, denn so schnell hatte sie nicht mit uns gerechnet, sie betrachtete Emil und dann gingen wir ins Bett. 2:51Uhr sagte meine Uhr auf dem Handy… Nils schlief sofort ein. Ich war noch zu unruhig, als wäre er weg, wenn ich aufwache, schaute immer wieder nach ihm. Um 4:03Uhr stillte ich das erste Mal unseren Sohn Emil in unserem Bett.

Schon im Kreisssaal hatten wir beschlossen, dass die Kinder daheim bleiben würden, auch das Schulkind, Oma hatte noch nachts angeboten nach dem Frühstück die Großen und Kleinen bis nach dem Mittag zu entführen. Und so tapste ganz von allein erst Zoe am Morgen ins Schlafzimmer und freute sich über ihren Bruder, dann kam Noah guckte vorsichtig, begutachte, kuschelte, dann holte der Liebste den munteren Ben hoch, der erstmal gar nicht sah, wer da lag. Aber er wusste, dass muss er sein, dieser Emil. Er fragte mich, wo der Bauch ist und vorsichtshalber noch einmal nach, ob da noch ein Baby drin wäre, Tom kam und streichelte ihn gleich, ganz sanft… und Zoe sagte so in etwa, guck mal Tom, der Emil kann was automatisch, wenn man dem einen Finger hinhält, greift er zu… aber irgendwie waren sich alle einig, der ist ganz schön klein, dieser Emil und niedlich… und der bleibt jetzt hier…

32 Kommentare

  • Franzi

    Wow… Wunderschön! Habe richtig tränen in den Augen gehabt!
    Ich freue mich riesig für euch! Und Respekt, dass ihr so lange dieses schöne Geheimnis für euch behalten konntet!

    Alles alles liebe!!! Franzi

  • Mairlynd

    Ja! Ja! Nochmal ja!

    Wunderschön! Ich sitze hier und bin ganz mitgerissen, werde weggeschwemmt… bei uns ja auch erst zehn Wochen her und doch schon wieder so weit weg.

    Ich freue mich so sehr für Euch!

  • Raniso

    Auch mir laufen Tränen der Rührung und Freude über die Wangen… Und Erinnerungen an meine letzte Geburt werden geweckt. Danke fürs Teilen!

  • Gabriela

    Danke!
    Seufz.
    Hier ist während des Lesens ein heftiges Gewitter vorüber gezogen. Jetzt gehe ich schlafen, emotional durchgerüttelt…
    Herzlich
    Gabriela

  • blumenpost

    Die Tränen laufen und laufen.
    Eine so besondere Geburt. Wie wunderschön und zufrieden du auf dem Bild mit Emil aussiehst.
    (mir fehlen schon wieder die Worte)

  • frau musgrave

    Danke fuer’s teilhaben lassen, bin immernoch total hin und weg ob eurer Neuigkeiten! Und dieses Bild von Dir und Emil ist grossartig, es strahlt so viel Frieden aus…

  • kassiopeia

    @FrauSued: Danke! Und ja das ist es! ♥

    @Franzi: Vielen Dank! Und Respekt ist wirklich nicht nötig!

    @Mairlynd: Ich habe alle deine wunderschönen Geburtsberichte vor der Geburt noch mal gelesen… :)

    @Septemberherz: Danke ♥

    @Raniso: ♥ Ich musste alles wieder ganz genau aufschreiben… eben zum Erinnern…

    @Ines: Danke!

    @Gabriela: Ach du… ich denke soviel an dich…

    @blumenpost: Du hattest die ganze Zeit immer ganz viele Worte für mich! Danke! ♥ Für alles. Und genau so fühlte ich mich auf dem Foto- Voll mit Glück und Dankbarkeit!

    @frau musgrave: Liebsten Dank fürs Teilhaben!!! ♥ Ich war einfach nur erleichtert und dankbar und so glücklich und überhaupt…

    @Frau Siebensachen: Ich freu mich so bei soviel Mitfreuen! ♥

    @TinaPappnase: Danke DIR!

    @Jacqueline: Vielen Dank!

  • Ramona

    oh wie schön. mich rühren geburtsberichte immer wieder. da liege ich hier, selbst mit baby auf dem bauch, und freue mich mit. immer wieder ein wunder. habt ihr toll gemacht.

    der geburtsbericht klingt so friedlich und sanft. und trotzdem sind da die stärke dieses ereignisses und die ganzen emotionen drin. hach :-)

  • NANE

    SO soll es sein und NUR so.
    Herzlich Willkommen Emil!!!!
    Ich hatte es immer erhofft vermutet und gewünscht. FÜR EUCH!!!!!
    Liebe Grüße

  • Pienznaeschen

    Mir geht so viel beim Lesen Deines so wunderschön geschriebenen Berichtes durch den Kopf und trotzdem fehlen mir die (richtigen) Worte … es ist so wie das erste Mal und trotzdem so vertraut und gleichzeitig unheimlich neu und intensiv … wie gesagt, mir fehlen die Worte und ich bedanke mich für das Teilhaben lassen.

  • Manuela

    Danke fürs Teilhaben lassen. Einfach schön dieser Bericht.
    Da freu ich mich schon auf die Geburt meines Enkelchen im September, denn da darf ich dabei sein :)
    Alles Gute euch.

    Liebe Grüße
    Manuela

  • eva

    Hach so toll und schön. Starke Frau, Du!
    Es ist ein Wunder, was wir da alle so vollbringen.
    Danke für diesen wunderbaren Bericht. Am meisten hat mich berührt, wie die Geschwister am nächsten Morgen hereinkamen. Diesen Moment fand ich immer die schönsten bei meinen Hausgeburten. Nie werde ich vergessen, wie Luzia mit knapp 2 Jahren ganz laut und aufgeregt „Beeebiiiiiiiii!“ gerufen hat, als sie Teresa in unserem Bett sah.
    Oder Samuel beim Frühstück von seiner Oma mit 2 Jahren den Namen seiner in der Nacht geborenen Schwester beigebracht bekam. Oder nach Teresas Geburt die Familie in der Küche saß, Kuchen aß und ich nebenan so dermaßen laut pupsen musste, dass meine anwesende Schwägerin und mir die Tränen vor Lachen herunterliefen—
    Das pure Leben! Genieße es!
    LG Eva

  • morgan

    Ich muss es jetzt doch mal loswerden…
    Habe schon vor der Geburt meines „Großen“ deine (ich bin einfach mal so frech…) Geburtsberichte gelesen und zwischen eurem Ben und Emil zwei Kids gekriegt.
    Ich würde mir echt gerne mal deine Erinnerungen ausleihen, für einen Tag! Ich kann die Geburten meiner beiden Kinder nur unter „gottseidank wars irgendwann vorbei“ zusammenfassen, dabei waren sie beide völlig komplikationslos…
    Und irgendwie finde ich das ein schade, wenn ich eure Berichte lese.

  • prinzenmami

    wie wunderschön! ich freue mich mit euch!
    ganz herzlichen glückwunsch zur geburt eures sohnes und herzlichen dank fürs teilhaben lassen…

  • FrauMoehre

    Ich könnte es mir auch sparen, deine Einträge rund um Emil zu kommentieren, weil es sowieso mit Herzchen endet…was soll’s ❤
    Diese Hormone: ich heule einfach.
    Bei diesem Eintrag kann man sich nur auf die Geburt und das Willkommen des kleinen Wesens freuen.

  • NANE

    und nochmal und nochmal und nochmal…..bin heute schon sooft in Eurem Blog gelandet…..und nein, es ist kein Traum!!!!!!!!!!! ES IST EMIL PAUL!!!!!!…ich grinse und grinse und grinse und grinse und grinse und grinse……

  • Katharina

    Vielen Dank für diesen wunderschönen Bericht. Wie gut, dass du gleich alles aufgeschrieben hast, und nicht nur die Fakten, sondern auch Gedanken und Gefühle. Alles, alles Gute für Euch.
    Alles Liebe, Katharina

  • kassiopeia

    @Ramona: Ich habe ja so viele schöne Erinnerungen an meine Geburten und auch aufgeschrieben, aber doch, die war anders und ganz ruhig… hätte ich nie für möglich gehalten. Es war perfekt, einfach wunderschön. Ich bin sehr (kitschig) dankbar :)

    @frischebrise: ♥

    @NANE: Oft an dich gedacht und deinen Frauenmantel :)

    @Judith: Ach du…

    @Pienznaeschen: Ich find deine Worte wirklich schön… :)

    @Manuela: Meine Ma hat meiner Schwester im Kreisssaal beigestanden, nur wenige Wochen vor mir. Ich wünsche Ihnen alles Liebe für dieses Wunder!

    @eva: Es war so besonders! Erst lag ich dort im Kreisssaal und hatte Zweifel wie der Abschied von den Kindern gewesen war und auf einmal war alles so perfekt. Wir gingen am Abend und am nächsten Morgen liegen wir Eltern in unserem Bett mit Emil, als wären wir nie weg gewesen. Das war so wunderwunderwunderschön und ganz unbeschreiblich. Und wie die Kinder reagiert haben war ganz zauberhaft und so einmalig und besonders!

    @morgan: Nein, das stimmt… ich hänge den Geburten immer nach und durchlebe sie auch immer wieder… es sind die Geburtstage unserer Kinder… sie sind ganz besonders. Aber ich kann verstehen, wenn man nach so einem Marathon einfach denkt: Gott sei Dank! :)

    @Prinzenmami: Vielen vielen Dank!

    @FrauMöhre: Vielen Dank Dir, Du Liebe! Ich heule auch andauernd und lass dir auch ein paar Herzchen! :) ❤❤❤

    @Miriam: Danke!!!

    @Steffi: Seufz. Danke!!!

    @S.b.k v.S. Dankeschön fürs Mitfreuen!!

    @Alamne: Ich denk ganz viel an dich! Und freu mich schon wahnsinnig auf euer Baby!

    @Katharina: Ich musste das alles gleich aufschreiben, werde noch ergänzen, gegen das vergessen. So besonders, dieses Wunder :)

  • Laudi2

    Ach ihr, jetzt weine ich. So schön, so sehr gewollt, so sehr gewünscht. Hier, so sehr mitgelitten, so oft „gehorcht“ ob es Neuigkeiten gibt und so sehr gefreut für Euch. Alles Gute für Euch!!! Von Herzen.

  • kassiopeia

    @Laudi2: Ich muss so weinen, wenn ich das lese… ohne große Erklärungen, ohne große Worte unsererseits, doch einfach soviel Mitfreuen an unserem Glück… Danke!!!

    Danke an alle. Von Herzen.