Anton mit der Schere in den Händen

Am Morgen dachte ich ganz unvermittelt noch, dass ich schon lange nicht mehr gebloggt hätte. Worüber auch, hatte ich gedacht, passiert ja nichts Spannendes… Und dann kam das Leben in Bewegung…

Ich war etwas aufgeregt, aber ich gönnte den Mann den Ausflug mit seinem Vater zum Skilaufen sehr, weiß ich doch wie viel Spaß es ihm macht und wie wenig er in den letzten Jahren überhaupt mal dazu gekommen ist… Aufgeregt war ich eben dennoch, vermutlich ganz natürlich so hochschwanger und dann der Mann nicht in greifbarer Nähe, es machte mir ein komisches Gefühl. Selber bin ich schlapp nach den Ferien, schlafe immer schlechter und in der Nacht zum Montag hatte ich ein paar Kontraktionen veratmet… Vor uns, unserem Bauchmädchen und mir, liegen noch siebeneinhalb Wochen und nur noch viereinhalb bis sie kommen darf…
Anton war morgens unruhig, weinerlich, wollte auf den Arm oder ins Tragetuch und roch etwas kränklich, aber wir ließen uns Zeit, der Vormittag war ein Guter. Ich hatte eine glänzende Idee und so konnte Anton schon im Kinderwagen schlafen, während ich der Paketbotin leise und unspektakulär drei große Pakete Retoure übergab. Ich lief im Anschluss gemütlich den Weg zum Kindergarten, zu viert fuhren wir im Bus zurück, wurden zwar kontrolliert, aber hatten ja eine Fahrkarte, kochten ein unkompliziertes Essen, ich schaffte es noch rechtzeitig zur Haltestelle, um die Schulkinder abzuholen- es ging alles so wunderbar ineinander über. Okay, alles bis auf diverse kleine Streitigkeiten mit den einen oder anderen Hormonen.
Ich gab mir Mühe den Tag allein zu wuppen: Tom schrieb den Text für seine Einladungen, Zoe durfte ihre Freundin besuchen, die sie auf dem Weg zu sich sogar mit dem Auto abgeholt hatte. Es gab beim Basteln hier und da Streit und ich dachte kurz, nur ganz kurz, dass ich schon sehr müde wäre und noch so viel Nachmittag übrig wäre… Aber die Jungs bastelten super schöne Lesezeichen, Ben hatte seines erst präsentiert, Emil und Tom stritten um den Ausstanzer von Zoe, Noah und ich unterhielten uns über diese Hausaufgaben“situation“, die gestern wohl Thema auf dem Elternabend gewesen war… Ich lauschte dem Sohn konzentriert, hatte einen Tweet auf den Lippen (geplant waren zwei Elternabende an zwei Abenden hintereinander, zu dem einen war der Mann gestern schon und heute war der Nächste) und ich dachte daran, dass wir dann mal einen „Eltern“abend bräuchten, um die gesammelten Informationen dazu auszutauschen :) … da hörte ich Anton schreien und sah ihn mit einer gigantischen, großen Küchenschere in der Hand am Basteltisch, das Auge zusammen gekniffen und da liefen schon Tränen mit Blut vermischt. PANIK. Dieses Gefühl kennen wohl alle Eltern und ich kämpfte gegen den Drang unserer Gesellschaft oder unserer Kultur(?) an, erstmal das Kind vom oben bis unten scannen zu wollen… Ich hielt ihn auf dem Arm und dachte an die Erste Hilfe Ausbildung: „Erstmal den Patienten beruhigen! Dann gucken!“ Macht keine Mutter gern, glaube ich. Es ist wirklich ein starker Drang erstmal die Verletzung einschätzen zu wollen… Da ich hormonbedingt im Moment wirklich sehr, sehr, sehr miserabel sehen kann, konnte ich überhaupt nicht einschätzen, ob das nun am äußeren Rand des Auges oder im Auge war, aber das mit dem Blut, das gefiel mir nicht so wirklich… Da der Große sich erst letztes Jahr mit einem Stock die Hornhaut angekratzt hatte, war ich mir sicher da müsste einer drauf gucken, aber bis ich irgendwie klar geradeaus denken konnte, vergingen Sekunden. Ich wollte mit dem Mann reden, der beruhigt mich immer und zusammen machen wir einen Plan. Aber der ging nicht ans Telefon, dann rief ich bei meiner Schwiegermama an und da ging auch niemand ran, schickte eine Nachricht und bis ich „Augenverletzung“ und den passenden Arzt dazu im Kopf zusammen hatte: AUGENARZT, verstrichen wieder gefühlte wertvolle Sekunden. Die Jungs waren weggelaufen als sie das Wort „Blut“ gehört hatten und so suchte ich via Handy mit Kind auf dem Arm schnell dieses medizinisches Zentrum hier, aber da ging auch niemand ans Telefon, also hatte ich schnell Google aufgemacht und Ärzte gesucht, da fiel mir eine Ärztin ins Auge (HAHA), bei der wir früher waren… Also rief ich da kurzerhand an, denn es war ja keine Uhrzeit mit 17Uhr für entspanntes „Gucken wir mal“ (HAHA) und da war man richtig nett und sagte mir: Ja, sie könnten einen Eineinhalbjährigen anschauen, aber eigentlich hätten sie jetzt Schluss. Wann ich denn da sein könnte, also erklärte ich, dass wir kein Auto hätten und ich bestimmt 30min bräuchte… Sie sprach dann mit jemand anderen, Ärztin oder Helferin und ich fand, die Dame am Telefon ergriff Partei für mich, hörte Worte wie „Notarztwagen“, „Klinik“ und „kein Auto“… Himmel. Ich wollte doch nur, dass nochmal jemand drauf guckt… Salbe oder Tropfen oder oder… Ich durfte kommen und so rief ich einem Sohn zu, ich bräuchte bitte Windeln, Feuchttücher und eine Wickelunterlage und dem anderen schickte ich für ein sauberes Tshirt und Socken, warf die Schuhe, Mütze und Jacke sowie das Kind in den Kinderwagen und flitzte zur Haltestelle, sagte ich würde Oma oder eine Freundin schicken und Papa wäre auch bald zurück, obwohl ich nichts Genaues wusste, aber da saßen die Herren schon entspannt auf dem Sofa und guckten fern: Pragmatische Kinder. Der richtige Bus war gerade weg, dafür kam ein sagen wir ähnlich guter, aber ich wusste, ich würde viel laufen müssen und das schnell. Ich hatte aber keine Wahl, das würde nachher sehr wehtun. Der Mann erreichte mich im Bus, der war eh schon auf dem Rückweg und bestätigte mir die Adresse der Augenärztin, meine Freundin rief ich im Laufschritt an und fragte, ob es ginge, dass sie zu mir mit den Mädchen führe… Soweit so gut. Ich stand dann auch wirklich 30min nach meinem Anruf in der Praxis und da war man auch wieder super lieb und nett. Ich war die Letzte des Tages mit dem jungen Mann, das Wartezimmer wurde schon aufgeräumt und ich wechselte ein paar Worte mit der Helferin, die eher aus Spaß Anton fragte, ob da denn jetzt eine Schwester käme und sich freute, weil es stimmte und wie schön das sei, nur noch sieben Wochen! Sie meinte, wie toll es wird, dass die Kinder so nahe bei einander wären, mit so geringem Altersunterschied, sie und ihre Schwester hätten auch so ne gute Zeit gehabt und schwupps saß ich schon bei einer Ärztin, hielt Anton fest, hörte alles wäre gut, die Hornhaut sollte schnell heilen, aber beobachten bitte, falls uns etwas komisch vorkäme, jederzeit wieder kommen, aber schlimm wäre es nicht. Gut, dass ich gekommen wäre, hieß es noch. Uffz. Auch wegen Festhalten und gute Stimmung beim Kleinkind machen, so lustig all die Geräte, da ist Mamasein ein echter Job im Vorgaukeln komischer Tatsachen. Beim Anziehen kam nun raus, dass es zu dem kleinen Mann und dem Mädchen im Bauch zumindest eine große Schwester mit Bastelschere gäbe, wie alt diese wäre- 11. Und irgendwie kamen wir dann auf das Thema Großfamilie, es wurde gefragt wie alt alle Jungs dazwischen seien, bald 10, fast 8, 6, 3, der Rest wäre ja anwesend und bekannt. Und ohne Auto wie wir das machen und das sind immer so Momente, ich weiß nicht wie ich das beschreiben soll, wenn die Leute diese nennen wir es Großfamilienbrille aufsetzen, plötzlich sind wir nicht mehr nur wir zwei, sondern Zwei von Acht. Je nachdem, was die Menschen für Erfahrungen machten, haben sie Vorurteile oder sind total begeistert, aber die Gespräche werden definitiv anders. :) Natürlich geht das ohne Auto, muss ja und wenn man sich bewusst macht, dass ich nur 30min brauchte, um mein Kind zu einem Arzt zu schaffen, ist das ganz grandios, irgendwie.
So war ich rasch auf dem Heimweg, ich entließ meine liebe Freundin, die auf die Jungs geachtet hatte, nach mir kam der Mann und je mehr Anspannung abfiel, desto fahriger wurde ich, bisschen zittrig und unkoordiniert. Elternabend ließen wir sausen und bugsierten ohne weitere Verletzte die Kinder ins Bett. Feierabend. Jetzt gibt es Pizza für die Nerven und ihr habt was zu lesen.

4 Kommentare

  • Margrit OW

    Ja das ist schön, hier was zu lesen zu haben – wenn auch nicht unbedingt sowas. Aber Ende gut! Wirklich toll, wie unglaublich schnell du das hingekriegt hast, mutterprofessionell sozusagen. Von wegen „gefühlter wertvoller Sekunden“ musste ich da schon schmunzeln. Und die Söhne haben offenbar auch super gut mitgemacht.

    Alles Gute weiter besonders auch dem Bauchmädchen
    Margrit

  • Isabella

    Action pur. Hoffentlich geht es dir und dem Bauchmädchen nach all der Aufregung und Rumhetzerei besser. :-)