Das Didymos- Gate

Vor einiger Zeit, vor etwa einem Monat postete ich auf Instagram ein Foto meines letzten „Indio“ Tuchs. Nicht weil ich wusste, was jetzt so kurze Zeit später passieren würde, sondern weil ich schlicht in einfach eine große Liebe aufgegeben hatte und das das letzte seiner Art war, dass ich verkaufen wollte und auch tat (für eine andere Liebe)…(Es handelt sich hier um ein spezielles Muster/Pattern des Herstellers, angelehnt an die allerersten Tücher dieser Firma, siehe Foto.)

Das letzte Indio ???? Nur echt mit Spucke im Gesicht :)

Ein von fraukassiopeia (@fraukassiopeia) gepostetes Foto am

Nun ist es so, dass erst unbemerkt oder nicht gut einzuordnen (seitens der deutschsprachigen Fan- Gemeinde) in den internationalen Tuch-Fan-Gruppen von Didymos diskutiert wurde, ob das Wort „Indio“ für dieses Muster noch zu vertreten sei. Das Wort „Indio“ ist für die indigene Gesellschaft ein Schimpfwort Man rief zum Boykott der Firma auf, sie wurde bei internationalen Vertrieblern aus dem Register gelöscht, man unterstellte Didymos unter anderem Rassismus, auf Grund der Wahl eines vor Jahrzehnten gewählten Namens. Weiterhin wird der Firma unterstellt, das Muster gestohlen, sich auf dem Rücken einer Minderheit zu bereichern und das noch mit einem Schimpftwort für die indigene Gesellschaft zu benennen, von wo es angeblich gestohlen wurde.

Ich persönlich finde zum einen eine Worthygiene unglaublich wichtig. In unserem Haushalt wird seit Jahren nur noch das Wort Schaum- oder Schokokuss verwendet. Das fiel mir vor ein paar mehr Wochen auf, als unsere Kinder ein Gespräch zwischen uns Eltern mithörten und entgeistert fragen, was denn um Himmels Willen ein *kuss wäre und wir sie aufklärten. Ich würde meine Kinder nicht mehr als Indianer verkleidet losziehen lassen, schon gar nicht ohne Gespräch. Ich wiederhole sooft es geht, wenn wir von einer ihrer Zukunft sprechen immer „Freund oder Freundin“ wie ein Mantra, weil es normal sein soll, dass jeder jeden lieben soll- ohne Wertung, weil es uns am Ende nichts angeht. Es sind Kleinigkeiten, aber ich möchte meine Kinder zu aufgeklärten, intelligenten Menschen erziehen. In einer Stadt, die ein ehemaliges KZ beherbergt vielleicht umso mehr.

Was nun aber passiert ist macht mir Bauchschmerzen. Die Art und Weise wie das passiert ist, mag vielleicht am doch hier und da noch sehr anonym anmutendem Internet liegen. Und es ist sicherlich auch ein Problem der Sprachen, wenn man Englisch nicht als Muttersprachler spricht und andersherum Deutsch aus Unternehmersicht wie alle anderen Sprachen immer auch feine Nuancen hat, die man verstehen können muss. Ich glaube, dass das nicht einfach, sondern das Gespräch kompliziert. Aber es mutet doch an wie „henkt den Henker“, wenn Didymos öffentlich an den Pranger gestellt wird mit dem Hashtag „yourindioisracist“. Ich persönlich hätte das anders gemacht.

Tragehilfen sind keine Erfindung einer Kultur, seit jeher versuchen Eltern sich aus den verschiedensten Materialien Hilfe zu schaffen, um die Hände frei zu haben- für andere Kinder und oder um zu arbeiten und trotzdem sein Kind bei sich zu haben und sei es aus allein praktischen Gründen. Wenn ich mir das Buch „Babys in den Kulturen der Welt“ zur Hand nehme, sehe ich genau das bebildert.
Sogar in Deutschland stösst man noch auf Unverständnis wieso/weshalb/warum man sein Kind tragen muss, als hätte man kein Geld für einen ordentlichen Kinderwagen. Und wie bei allem in der Elternschaft trägt man aus den unterschiedlichsten Gründen.
Ich persönlich bin sehr froh beim vierten Kind aufs Tragen gekommen zu sein. Damals wollte ich zu meinen Eltern nach Berlin fliegen mit vier kleinen Kindern und kaufte mir eine Manduca, die ich danach nicht mehr hergeben wollte. Davor mit drei Kindern hat es mich einige Nerven gekostet, abends zum Beispiel das Abendbrot bewerkstelligen, immer lag das kleine dritte Baby auf dem Küchenboden und ich sprang umher zwischen Dreijähriger und Zweijährigem, aber diese Tücher bekam ich nicht gebunden. Es gab keine hippen Youtube- Videos, keine FB- Tragegruppen und auch keine Trageberaterinnen. Es gab einige Hersteller, die bebilderte Anleitungen mitschickten, das wars- und in meiner Unahnung hatte ich mit dem Leitfaden „viel hilft viel“, das längste Tuch bestellt, das mich natürlich völlig überforderte.
Für mich begann nach Tragehilfen das Tragen im Tuch mit einem Didymos, dem ersten Sterntaler- Motiv, das ich kaufte, obwohl ich nach drei Fehlgeburten zwischendrin, nach einem gesunden fünften Kind, für unser sechstes Kind kaufte, obwohl wir nicht über der kritischen Zeit waren, es war ein emotionales Großereignis, die erste Anschaffung, getragen von Hoffnung und Zuversicht, es benutzen zu können. Und das konnte ich.
Ich machte Abstecher zu Girasol über Oscha, Linuschka und Sling Studio und landete wieder bei Didymos und fing an die „Indios“ zu sammeln. In verschiedenen Farben, Grössen und Materialzusammensetzungen. Bis ich schwanger mit Zelda einiges aufstapelte, dann wieder abstapelte und nun bei Kindsknopf landete. Nichtsdestotrotz bleibt da die Dankbarkeit bei Didymos, die meine Kleinen ins Leben trug und zwei Tücher bleiben für immer als Erinnerung. Und an Tagen an denen es mich besonders fordert am Tag 24Stunden erreichbar für mein Kinder zu sein, erfreue ich mich an meinen wenigstens schönen Tüchern und kaufe ab und an ein neues Tuch und verkaufe ein Altes, man macht es sich schön soweit das geht.

Didymos ist ein Familienunternehmen. Erika Hoffmann hat kein Geheimnis darum gemacht, woher sie ihre Trage- Inspiration hatte. Und sie bleibt für viele eine international ausgezeichnete Frau, die als Pionierin das Tragen im Tuch etabliert hat. Dass es heute, Jahrzehnte später etliche Hersteller gibt, die den Markt überfluten, steht auf einem anderen Blatt. Aber Didymos hat das Tragetuch weiterentwickelt, neue, bequemere Bindeweisen entwickelt und so zum Wohlbefinden der Eltern hingearbeitet, mit Hilfe der Stimmen der Eltern, Hebammen und Ärzten.
Didymos ist eine wahnsinnig kundenorientierte Firma mit einem super Preis- Leistungsverhältnis, das perfekte Einsteigertuch und wenn man mag, darf man da Jahre bleiben. In den letzten Jahren ging das alles erst ins Social Media und man findet nun nebst modernisierter Website, die Firma auch bei Instagram und Facebook, wenn man Didymos folgt, hat man das Gefühl, es handelt sich um eine weltbekannte Marke, die Eltern überall zueinander bringt, einander verbindet.
Nach dem Tod von Erika Hoffnann übernahmen deren Töchter Anna und Tina die Regie und tragen die Idee ihrer Mutter fort.
Didymos hat sich auf die Fahne geschrieben, das Leben der Eltern zu erleichtern. Und bietet nun auch Accessoires, Slings und dem Didytai an, einer Wrapconversation aus Tuch und Tragehilfe, außerdem Schals, Taschen und Kindertragetücher. Der Kontakt mit den Kunden wirkt aufrichtig und nah und man darf sich jederzeit einbringen.

Nun nach dem Sturm, der da nieder ging, werden alle möglichen Vorwürfe an die Oberfläche gespült, es wird dem Unternehmen sogar vorgeworfen, dass es damit wirbt, dass in Deutschland fair gewebt wird und nicht im Ausland. Alles wird vermischt und das ist wahnsinnig schade und anstrengend…

Fakt ist Didymos hat sich entschlossen, das Muster umzubenennen und gab das gestern bekannt. Die Tücher mit dem alten „Indio“ Muster heissen nun „Prima“ und jeder der zu Beginn der Woche noch ein Indio kaufte, wird ein Prima bekommen. Um zu meiner Einleitung zu kommen, war es im doppelten Sinne mein letztes Tuch dieser Art.
Ich persönlich finde die Entscheidung vom Unternehmen wichtig und richtig, dort genau hinzuschauen, denn auch wenn es Jahrzehnte keine Primas gab, werden wir ja alle klüger und lernen dazu…

Nur wie das von Statten ging ist für mich als „Fan“ ganz und gar nicht richtig, denn für mich gilt nach wie vor „Der Ton macht die Musik“…
Und weil ich hier auf diese Änderung aufmerksam machen möchte, aber keine Kommentare wie „Ich habe ja nichts gegen andere, aber…“ oder aber hasserfülltem Menschen keine Plattform bieten möchte, deaktiviere ich die Kommentare vorerst und verweise mit Absicht nicht auf den Original Beitrag, der hundertfach geteilt wurde…

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