Das große Erinnern 1.0
Je näher Zoes 12. Geburtstag rückte, desto mehr Erinnerungen strömten auf mich ein. Dieses Mädchen machte uns damals zu Eltern und mich zur Mutter…
Ich kann mich noch an so viele Kleinigkeiten erinnern, daran was ich für ein Mensch war, welche Gedanken ich mir machte, welche Ängste und Hoffnungen ich in mir trug…
Da tauchten rundum den Geburtstag Erinnerungen auf an die Geburt, das Licht, das auf das Bett im Kreisssaal fiel, die warmen Sonnenstrahlen eines neuen Tages, die ersten Stunden mit unserer Tochter, das erste Mal aufstehen und es bereuen und was man nach so einer Geburt alles zum ersten Mal macht, die ersten Stunden im Krankenhausbett mit ihr, dieses nicht begreifen können, dass das das Kind war mit dem ich soviel Zwiesprache gehalten hatte, nun vor mir lag und nicht mehr in meinem Bauch war, dass es doch ein und die selbe Person war, mein Herz brauchte Zeit zu verstehen. Aber ich denke auch an mein fernes Baby im Stubenwagen, das zu weit weg lag für mein Gefühl in dieser ersten gemeinsamen Nacht gleich zu Hause neben unserem Bett, wo ich mich unbedingt hingeschafft hatte, aber da sollte es doch schlafen hatte man uns gesagt, also hatte ich den Stoff bei Seite geschlagen, damit ich sie wenigstens sehen könnte, begreifen konnte, aber auch an das Weinen unter der Dusche, als ich das erste Mal dort stand und mein Körper nicht mehr meiner war, den ich kannte. Alles schmerzte und ich mir selbst so fremd war mit mir und ich nie mehr die gleiche wie zuvor wurde, ich mich zerbrechlich fühlte wie noch nie, als könnte ich jeden Moment auseinander fallen, ich das tat ich auch ein bisschen, als ich Monate später nochmal operiert werden musste oder ich nachts weinend über der Milchpumpe hing und da nicht viel kam und ich mich wie ein Versager fühlte, weil ich das auch nicht konnte, mein Baby schrie und ich Seiten und Grenzen an mir entdeckte, die ich gar nicht haben wollte, während ich doch die perfekte Mutter sein wollte, geduldig und einfühlsam, und nie verstehen konnte wie man das einem so kleinen Wesen verwehren könnte… Dieses Kind hat mich weiter gerettet und mich heiler gemacht, mich gezwungen weiter Verantwortung zu übernehmen… Und dennoch kämpfte ich mit mir- in meiner neuen Rolle, mit meinen Aufgaben und meinem Bild, das ich so sehr haben wollte und erreichen, damit wie ich sein wollte und wie ich war, meinen Anforderungen und Forderungen an mich und mein Muttersein…
Ich kann mich an den Baby Björn erinnern und das mich eine ältere Dame mal gefragt hatte, ob mein Kind da überhaupt Luft bekommen könnte, an Zoes ersten Köpper von der Wickelkommode und das Hüpfen mit der Babywiege vom Küchentisch… das Kreischweinen beim Zahnen nachts um genau diesen Tisch auf allen Vieren und das Hoffen, das Zäpfchen würde endlich wirken und die Wanderungen durch die Nacht mit dem Mann bis sie endlich schlief…
Ich erinnere mich an den ersten Hochzeitstag in Friedrichskoog- nach der Taufe in Berlin/Brandenburg- genau in dem Apartment, in dem wir in den Flitterwochen gewohnt hatten und wo ich den zweiten Test gemacht hatte, wo nun ein kleines drei Monate altes Baby gegen Mitternacht neben uns einschlief und mir wegen meiner Müdigkeit der Arzt später ein Buch vom Schlafenlernen empfahl, das ich auch las und nutzte.
Ich erinnere mich an eine Liste, die ich meiner Schwiegermutter schrieb, als Zoe das erste Mal bei ihr übernachtete, eine Bedienungsanleitung für ein kleines Baby, was uns heute alle erheitert, aber damals enorm wichtig war.
Ich erinnere mich an mein Baby von nicht mal 10Monaten, dass voller Energie vor mir her krabbelte, während ich erschöpft in der Ecke lag und ich mich fragte, wieso ich gleich schon wieder schwanger werden wollte und mich fragte wie ich das nur jemals schaffen soll…
Ich erinnere mich an die ersten Besuche im Freibad und den ersten Sommerurlaub am Meer… an Versuche Matschepampe in sie rein zu bekommen und das Schimpfen vom Arzt warum sie noch so viel Flaschen bekäme oder nur Toast mit Marmelade und Butter, statt Brei, aber sie wollte etwas mit mehr Biss…
Ich erinnere mich an das Besuchen von Omas Krabbelgruppe in ihrem Ort mit dem Kinderwagen -was ein Akt immer- , zu dem wir mit der SBahn inklusive Umsteigen fuhren und sie uns dann immer abends Heim gefahren hatte, ich hoffend du würdest kein Nickerchen machen… Ich erinnere mich an die ersten Schritte am ersten Geburtstag, das Ablecken der Schokoladentorte und Abpulen der Smarties, den Besuch im Tierpark… aber auch an die Hilflosigkeit als Noah fast zu früh kam und meine Verzweiflung, weil sie zwar laufen konnte, aber nicht dahin wohin ich wollte und ich sauer auf diese kleine Person war, weil sie nicht (weiter) lief, auch später nicht, als der kleine Bruder dann da war… Und die Schuldgefühle, die ich heute habe, weil ich es jetzt besser weiss, auch wegen des Weinens in der Nacht, aber damals dachte ich wirklich ich würde das Richtige tun oder einfordern, ich wusste es nicht besser, an das Schimpfen einen Abend und als ich die eine Tür zuhielt und der Papa die andere vom Durchgangskinderzimmer, heute kann ich darüber lachen, damals sagte sie „Och manno!“ Und sie ging in ihr Bett zurück…
Ich erinnere mich an die Sorge, als ich Krankenhaus war, wegen der vorzeitigen Wehen von Noah in meinem Bauch und sie zurück lassen musste, diese kleine Maus, sie Wochen später ihrer Tante anvertraute um ihn zu gebären und sie wieder allein liess, weil ich ihn nicht mit nach Hause nehmen konnte und so Angst um ihn hatte, aber auch an ihre kleinen Hände am Glasbettchen im Krankenhaus, als sie ihren Bruder selbst nicht mal 1 1/2 Jahre alt zum ersten Mal sah… Oder wie sie ihm später ein Springseil in die Hand gab und ihn quer durchs Zimmer zog, während er lachte und gluckste… Sie ihm das Fläschchen gab, das sie doch selbst noch bekam… ich könnte ewig so weiter machen… da sind so viele Erinnerungen, die ich nicht mag, Dinge die ich aus bester Überzeugung oder weil ich gar nicht anders konnte, getan habe aber heute anders machen würde, aber auch so viele Erinnerungen, die mich erfüllen, an die ich gern zurückdenke… mich noch heute zum Lachen oder ins Schwelgen bringen… keine einzige Minute möchte ich missen, nicht eine von alledem…
Und ich sehe vor mir nun viel mehr eine junge & tolle Frau, die einfühlsam, wissberierig, ehrgeizig, aufgeschlossen, intelligent, streitlustig, bücherliebend, herausfordernd, wortgewandt, talentiert, künstlerisch begabt, humorvoll und nicht zuletzt wunderschön ist- innen wie aussen.
4 Kommentare
frl_mieke
Du Liebe, jetzt hast Du mich schwer zum Schlucken gebracht.
und einige der Erinnerungen, die hab ich fast genau so auch an die erste Zeit mit meinem (fast) Zwölfjährigen.
Wie immer hast du wunderschön geschrieben … und ich vermisse Dich und euch alle schon wieder ein bisschen mehr …
PaulaQ
Hier sind es schon etwas über 13 Jahre mit dem Großen…und vieles ging mir da ganz ähnlich wie Dir…tja, und heute komme ich, wenn das Kind nicht von Hormonwallungen geplagt ist, supergut mit ihm aus und bin so froh, daß es ihn gibt!
Liebe Grüße von FrauQ!
Janine
Du hast das so toll geschrieben! Ich fühle mit, die tollen Momente genauso wie die, die man gerne ändern wollen würde. Meine Große ist 12 und vieles lief damals ganz anders, als ich es jetzt bei der Jüngsten (10Monate) mache. Wieviel mache ich jetzt anders, ruhiger, bewusster, selbstsicherer und aus meiner eigenen Überzeugung heraus – nicht weil es irgendwo so steht oder irgendjemand das so sagt.
Das Positive ist aber, dass das große Mädchen „trotz alledem“ zu einem tollen Menschen herangewachsen ist, auf das ich wirklich stolz bin! Also ist auch scheinbar ganz viel gut gelaufen ;-)
LG Janine
isabella
❤ Du hast mich mit diesen Worten ziemlich berührt. Ich lese mit Tränen. Ich kann alles so nachempfinden. Zoe stelle ich mir so toll und mit Charakter und wunderhübsch und liebenswert vor. Ich erinner mich an alte Fotos, wo sir noch so klein war… Die großen braunen Augen und die langen Wimpern ?? Du warst und bist eine wundervolle Mutter, die ihre Kinder liebt. Die Liebe lese ich bald 10 Jahre.