Alles über mich, eure Mutter… I

Alles was bleibt, ist das Wort und Erinnerungen daran…

…während ich wie gelähmt auf unserem Sofa sitze, nicht fassen kann dass meine Ma bald wieder operiert werden muss und alles was drum herum dazu gehört, dass ein kleines Mädchen bald Geburtstag feiern muss ohne ihre Mama, weil sie gestorben ist… all das wirbelt in mir herum, dass ein Wollen und Wünschen manchmal nicht reicht und was dann bleibt…
Diesen Gedanken hatte ich schon, als ich in den letzten Tagen vermehrt Antworten zu Fragen las, die Frauen und Mütter im Netz beantworten und ich tue es hier… nur etwas anders.
Meine liebe Freundin Simone schenkte mir vor ein paar Jahren ein Buch und bisher schrieb ich nicht eine Seite darin, mahnend steht das Buch im Schrank, denn ein ähnliches zog ich im Haus meiner Oma aus den Regalen nach ihren Tod, leer. Ohne all das, was ich gern gewusst hätte.

So sitze ich hier, statt zu schlafen und probiere es auch in Etappen und wenn ich wenigstens nur anfange, dann ist das besser als nichts oder?

Meine Fragen kommen aus dem Buch „Alles über meine Mutter“ von Susanne Fröhlich und Constanze Kleis.

1. Kapitel „Alle Mütter sind Töchter“
01. Was ist deine früheste Erinnerung?
Ich weiß es nicht mehr. Früher wusste ich das, da habe ich öfter dran gedacht. In den ersten drei Jahren meines Lebens bin ich im Haus meiner Großeltern mit aufgewachsen. Da waren also meine Großeltern, meine Eltern und mein Onkel. Solange bis mein Papa in die Armee eintreten musste und soweit ich das richtig abgespeichert habe, zwei Jahre nicht da war. Also nur zum Urlaub nach Hause kam. In der DDR war Wohnraum Mangelware und meine Eltern waren zwar verheiratet, aber hatten keine eigene gemeinsame Bleibe- meine Ma war 18, als sie heiraten, mein Papa 20 und ich war dann auch schon unterwegs und mit 19 hatte sie mich dann geboren. Ich kann mich in Bruchstücken an dieses Zimmer bei meinen Großeltern erinnern oder es sind Fragmente von späteren Jahren, weil sich der Raum ja kaum verändert hatte. Ich kann mich an das Treppenhaus erinnern, etwas an den Garten. Ich glaube für meine Ma war das nicht einfach. So allein in diesem Haus mit mir zu sein, sie arbeite Vollzeit, ich war ein Jahr alt und musste in die Krippe, weder wollte ich das, noch war ich immer gesund. Aber sie hatte keine Wahl, stand unglaublich früh auf, weckte mich und fuhr mit mir aus Brandenburg am Rande Berlins mit den Öffentlichen rein in die Stadt, gab mich ab in der Krippe und fuhr weiter zur Arbeit… Also ich denke bei frühesten Erinnerungen an dieses Haus.

02. Hattest du einen Kosenamen in der Familie?
Ja, meine Eltern und Großeltern nannten mich „Jeani“- wie „Jenni“ oder „Jenny“, die Art wie meine Ma oder meine Familie es sagt, kann ich gut leiden. Bei Freunden heute kann ich das gar nicht ab. Da klingt das nach „DSCHENNI“. :) Außerdem bekam ich auf Grund eines riesigen Frosches in unserer Wohnung den zauberhaften Spitznamen „Frosch“. Warum auch immer, vielleicht weil ich so ein Körperklaus bin :)

03. Womit hast du am Liebsten gespielt?
Es gab wohl eine Puppe. Ich kann mich beim besten Wissen und Gewissen nicht daran erinnern. Es wird schon stimmen. Irgendwann mit Barbies. Ich glaube, ich hatte unendlich viele Barbiepuppen dank meinem großzügigen Nennonkel. Und zog sie an und aus. Ich hatte echt viel Zeug. Ich habe aber auch Tapete geknibbelt und Fäden von den Gardinen abgezupft. Daran kann ich mich auch erinnern.

04. Wie wurden deine Geburtstage gefeiert?
Ich habe keinen blassen Schimmer mehr. Ich weiß, dass ich wie jedes Kind wohl Stunden damit zubringen konnte auszurechnen wie viele hundert Tage es noch bis dahin dauern würde, aber Rituale weiß ich keine mehr.

05. Hattest du ein eigenes Zimmer?
Nach dem Umzug aus dem Haus meiner Großeltern in unsere eigene Wohnung, muss ich ein eigenes Zimmer gehabt haben. Und auch nach der Geburt meiner Schwester drei Jahre später hatte ich eines, denn meine Eltern dachten es wäre auf Grund des Altersunterschieds total wichtig, dass jeder seinen Raum hatte, also bekam ich als Älteste das Riesenzimmer für mich ganz allein, meine Schwester das schmale Schlauchzimmer nebenan und meine Eltern schliefen mir gegenüber im Wohnzimmer dank einer Anbauwand mit Bett innen.

06. Warst du im Kindergarten?
Ja, schon immer und ich denke mit Grausen daran zurück. Auch wenn ich von da aus, auf unser Wohnhaus gucken konnte.

07. Wer hat dich abends ins Bett gebracht?
Keine Ahnung. Und als ich mich erinnern kann, ging ich allein ins Bett.

08. Warst du eher Papas oder Mamas Liebling?
Puh. Ich weiß es nicht. Ich weiß, dass meine Ma immer fand, ich sähe meinem Papa viel ähnlicher als ihr, das hat sich vermutlich auch gesagt, weil sie ihn tausend Mal attraktiver fand als sich selbst? Was ja nun nicht stimmte, aber auf den ersten Blick gab es viele kleine Dinge, die sie wohl mehr an meinen Vater erinnert haben, als an sich selbst. Und das hat sie dann oft gesagt. Heute sehe ich sehr viel von ihr in mir. Von beiden. Und viele Wesenszüge. Dinge, die man auch einfach mitnimmt. Ob man will oder nicht :) Und ich glaube, dass meine beiden Eltern mich sehr lieb hatten und meine Ma eine besonders enge Bindung zu mir hatte, weil sie eben so lange mit mir allein sein musste.

09. Wurde bei euch daheim gebetet?
Definitiv nein. Meine Eltern sind Atheisten. Mein Vater hat mit meiner Oma gebetet, als mein Opa verstorben war, meine Oma war evangelisch. Sie ging auch in die Kirche und ich glaube, sie hat in ihrem Glauben doch viel gefunden. Ich war eher Diejenige, die dann in unserer Familie Glauben gesucht hat, Halt… um alles zu verstehen, was um mich herum geschah, aber das änderte sich später nochmals radikal…

10. Kannst du dich daran erinnern, wie deine Schultüte aussah?
Nein, gar nicht. Aber ich weiß, dass ich nur einen schwarzen Lackschuh tragen konnte, weil ich mir den Mittelfuß nachmittags im Kindergarten gebrochen hatte und Gibs trug, mein Kleid und meine Schuhe waren dahin, ich trug glaube ich einen Mickey Maus Pullover. Aber ich weiß, dass meine Schwester Donald Duck in ihrer kleinen Schultüte an dem Tag hatte…

11. Womit hast du deine Geschwister geärgert?
Mit vielen Dingen. Ich war nicht immer nett. Und meine Schwester hat mich oft genervt, z.B. weil sie mir alles nachgemacht hat, heute wenn Zelda die Kapuze von ihrem Strickjäckchen hochholt, weil ihre Geschwister das machen, muss ich immer an diese eine Szene im alten Urlaubvideo denken, man war ich sauer, weil sie immer alles nachgeäfft hat, dabei fand sie mich vielleicht nur toll und wollte alles machen, was ich mache… Aber ich hab meiner Schwester mal Riesenangst gemacht, mit einer Freundin während spirituelle Musik lief, ich sei aus Versehen vom Balkon gefallen- wir wohnten im elften Stock- dummer Weise sah das unten echt auch so aus in der Hecke, als wäre jemand rein gefallen… das war sooo fies von mir.

12. Was war das Schlimmste, was du als Kind angestellt hast?
Zählt auch Pubertät? Also abgesehen davon, dass ich mit 17 in ein Auto gestiegen bin und quasi für immer weg gefuhr, zumindest auszog- aus Gründen und das war auch notwenig und für mich richtig schlimm, dass ich in dieser Zeit so um die 16 mich nachts aus dem Haus geschlichen habe, wenn meine Eltern schliefen und mit dem letzten Bus/SBahn zu meinem Freund in seine Wohnung fuhr. Und dann meinen Eltern erzählte, ich wäre saufrüh los gefahren. Damals muss man dazu sagen, waren wir frisch zurück nach Brandenburg gezogen und ich hatte einen Schulweg von beinah zwei Stunden. Und was hatte ich immer Angst, so jung, nachts allein unterwegs, total bescheuert.

13. Wie hieß dein erster Klassenlehrer?
Ich hatte nur Gute, liebe und sehr engagierte. Den Namen der Ersten weiß ich leider nicht mehr, wir Schüler wurden damals wegen der Wende umgesiedelt, die Lehrerin an die ich mich erinnere hieß „Denise“, eine tolle Frau. Und später am Gynmasium Frau Vogel, streng, aber lieb und sie hat echt versucht auf mich aufzupassen, hat Gespräche mit meiner Ma gesucht.

14. Wie hieß deine beste Freundin in der Grundschule?
Christiane. Sie durfte nicht rein, wir saßen oft stundenlang nach der Schule an der Türschwelle und quatschen. Sie war echt ne Tolle. Leider nicht so beliebt wie ich auch und ich suchte immer Kontakt zu Virginia, meiner Freundin aus dem Nachbarhaus, die auch im elften Stock wohnte. Und der ich zuwinken konnte, wenn wir aus dem Fenster guckten. (Ich würde meine Kinder ja umbringen.) Ihre Eltern kamen aus dem Zirkus, meine ich. Leider suchte sie oft die Freundschaft zu einem beliebteren Mädchen, das mich nicht ausstehen konnte. Und ich tats ihr gleich. Lies sie mich fallen, ging ich zu Christiane zurück und anders herum. Ganz schön blöd. Dann gab es noch einen besten Freund, der hieß Marcus. Das war ein lieber Kerl. Mit dem konnte ich gut reden, der war so herrlich normal und wir konnten gut zusammen zocken. :)

15. An welches von allen Weihnachts- und Geburtstagsgeschenken erinnerst du dich besonders?
An kein Bestimmtes, es gab aber ein Weihnachten, da wurden meine Schwester und ich überschüttet mit Geschenken und mein Vater las uns dann vor am Tisch, ich glaube beim Frühstück, daran kann ich mich noch erinnern. An dieses Vorlesen. Vermutlich wertvoller als alle Geschenke. Obwohl das Jahr bekam ich auch so einen Lerncomputer: „Hallo! Wähle eine Aktivität!“ Heute noch der Running Gag in unserer Familie, glaub ich.

3 Kommentare

  • Marlies

    Meine Oma hat das Buch „Erzähl mal Oma“ für mich ausgefüllt – es ist mein wertvollster Besitz. Da sind Bilder von meinen Ururgroßeltern drin, die ich gar nicht kannte und auch die Geschichten… Meine andere Oma hat es leider nicht mehr geschafft.
    Deine Kinder werden irgendwann sehr dankbar sein, dass du dir die Mühe gemacht hast.

  • Isabella

    Oh war das jetzt nett, über dich zu lesen. :) Du hast so einen angenehmen Schreibstil. Ich las noch nie gerne lange Blogposts. Deine konnten nie lang genug sein. Danke fürs Teilen mit uns. Obwohl mir natürlich bewusst ist, dass du es vorrangig für dich und deine Kinder hier teilst. :)