Der Tag, an dem Lilou in die Amper fiel…

Trigger: Wasserunfall mit Kleinkind

Heute Morgen war ich voller Elan und Tatendrang, wollte mir die Kinder schnappen und entweder draussen herum laufen, Laufrad fahren oder nochmal wie Freitag in den Wald. Dachte mir, perfekt, frische Luft und Herbstliebe für mich, Kinder gelüftet und ausgepowert und der Mann hätte Zeit in Ruhe zu arbeiten. Guter Plan! 

Zelda hatte nur überhaupt keine Lust, also zog nur Anton sich fertig an und er wollte in den Wald, also gesagt getan, fast schon verwegen kam ich mir vor. Und ein schlechtes Gewissen hatte ich, aber Zelda kann sich in der Regel schon ganz toll selbst beschäftigen und geniesst auch mal etwas Ruhe. 

Also fuhren ich mit den drei Kindern eben Bus, wir stiegen aus und diesmal war Lilou sogar noch wach als wir ankamen, anders als Freitag und stratzte putzig neben ihren Bruder durchs nasse pappige Laub, dafür war Henry eingeschlafen. Ich dachte darüber nach wie schön es mittlerweile sei, was mit Lilou alles geht, weil sie an der Hand läuft und kommt, wenn man nach ihr ruft und nicht wie eine Einjährige einfach nur lospest wohin sie mag. Anton meinte noch, wie schade, dass Zelda nicht mitwollte, war aber rührend mit Lilou.

Durch den Wald fliesst die Amper oder die Bäume stehen um die Amper herum, die haben wir uns genauer angesehen. Wir gingen wieder ein Stück, sammelten Kastanien und liessen diese in Wasser plumpsen an einer Stelle, wo es etwa ein Meter tief runter ans Wasser geht, also ungefähr so tief wie vom Esstisch zum Boden. In etwa. Weil da die Kastanien zu finden waren. Anton holte noch ein Paar und teilte mit Lilou. Sie warfen vergnügt und wir lauschten dem Plumps ähnlich dem von Steinen und auf einmal fiel Lilou ins Wasser. Wie in einem Film. Dass ein Kind ins Wasser fällt, davor hat man ja immer Angst. Aber sowas passiert doch dann nie. So sollte es sein. Alles nur doofe Vorsichtsmaßnahmen mit denen Eltern ihre Kinder nerven, wie an der Hand laufen oder ein Griff in die Kapuze, nur so zur Sicherheit. Jedenfalls ist mir sowas noch nie passiert, bis heute. Anscheinend meint das Universum 2020 sei gut für noch ein paar erste Male.

Es war furchtbar. Ich rutschte irgendwie augenblicklich hinterher nach unten auf ein paar Wurzeln, wo sie im Wasser lag, all ihren Klamotten sogen sich voll und zogen sie nach unten, auch der schwere Wollwalkanzug. Wasser muss ja nicht tief sein, um darin zu ertrinken, Scheissgefühl, wenn man sowas weiss. Ausserdem hatte ich solche Angst, dass die Strömung sie mitnehmen könnte, nach dem vielen Regen gestern. Es ist immerhin die Amper. Und nicht wie damals mit Emil im Hallenbad, klares und ruhiges Wasser und das war damals auch unschön gewesen… Lilou rappelte sich wackelig auf, versuchte es zumindest, aber bekam meine Hand nicht zu fassen, kippte zurück und um, war so voller Panik… und es muss so kalt gewesen sein, ich war unfassbar verzweifelt, da war überall Wasser, weil ich Henry im Tuch hatte, konnte ich ja gar nicht so schnell komplett ins Wasser, wäre ich vielleicht, vielleicht hätte ich daran gedacht ihn Anton zu geben, ich weiss es nicht, ich hatte nur Angst, als ich das zweite Mal sagte: „Gib mir deine Hand!“ ging ich noch tiefer runter, bekam sie zu fassen und hielt sie erstmal nur fest, bekam sie aber nicht hoch. Das brauchte nochmal einen Anlauf, irgendwie ich hab keine Ahnung wie, schaffte ich sie hoch, sagte Anton er möge sie halten, auf sie aufpassen jetzt da sie fror, aber in Sicherheit war und versuchte selber irgendwie wieder hoch zu kommen. Auch das gelang irgendwie und musste schnell gehen. Ich war nass, aber das war egal, nach Befehl in meinem Kopf „Sofort aus dem Wasser das Kind bevor es wegtreibt oder ertrinkt!“ blinkte auf „Sofort aus den nassen Klamotten!“ Da war eine Bank, ich zog sie aus, rubbelte sie mit dem Spuckituch ab, hatte als Wechselsachen nur Oberteil und Hose, frische Windel. Und ab ging es in den Fusssack des Kinderwagens. Sie bekam meine Mütze und meinen Loop an, ich stopfte das nasse Zeug alles in die Wickelunterlage und unten in den Kinderwagen, Henry schrie die ganze Zeit, ich habs erst dann bemerkt, stillte ihn im Tuch, beim Laufen. Dann sah ich auf die Uhr, der Bus käme gleich und sprach dem Mann eine Nachricht, der zu Hause mit Zelda war. Im Bus schlief Lilou ein und zu Hause bekam sie zwei Wärmflaschen vom Papa, ist sie doch immer so eine Frostbeule und hat daher überhaupt so eine neue gefütterte Jacke bekommen. Ich hoffe jetzt nur, sie hat sich nichts weiter weggeholt. Ich zog mir die nassen, dreckigen Sachen zu Hause aus, erst da fielen mir die Schrammen an der Hand auf, ich hatte vorher absolut nichts gemerkt. Ich hab jetzt schon etwas gewaschen, sich selber im Schock zu erleben und dennoch nicht rauskommen ist auch etwas spooky, hoffe es wird alles, sie ist nicht komplett traumatisiert und bin einfach nur so unfassbar froh, dass es ihr gut geht und wir mit dem Schrecken davon gekommen sind.

Aber weder bekam ich den Geruch der nassen Sachen aus der Nase, noch wurde mir warm, ich bekam die Bilder ihrer grossen, vor Schreck weit aufgerissenen Augen nicht mehr aus dem Kopf. Und ich hatte natürlich Schuldgefühle. Ich hatte aufgepasst, ich stand direkt daneben. Ich hab sie so fest geknuddelt als sie aufgewacht ist und freu mich über den tollen Anton, der keine Minute wirklich Panik gehabt hatte, nicht geschrien oder dergleichen, der hatte in der Vergangenheit nämlich schon oft Angst, wenn die Mama mal aus dem Bus ausstieg, um Platz zu machen oder um die Ecke verschwand und nun war ich ja am Wasser und wäre fast Lilou hinterher gesprungen… ich musste also nicht ihn noch beruhigen. Absolut irre. Im Gegenteil er war total ruhig und eine große Hilfe! Ich bin super stolz auf ihn!

Ich knabbere etwas daran, dass an uns Menschen vorbei gegangen sind, eine ganze Schulklasse samt Lehrkräfte, es hat niemand gefragt, ob wir Hilfe brauchen, als ich das nasse Kleinkind ausgezogen habe… mich nimmt auch das mit, mein Thema, „allein“ schwierige Situationen durchstehen… und da war es eben wieder. Vielleicht sah ich auch schon allein wahnsinnig kompetent aus. 

Ich hab das im Anschluss unterwegs auf dem Weg nach Hause gleich kompensiert, als ich wegen nassem Herbstlaub zwei Damen mit ihren Rollatoren half in oder aus dem Bus zu steigen…

2 Kommentare

  • frau siebensachen

    Ach duuu, so ein Schreck! Das Mamasein bringt aber auch Situationen und Gefühle mit sich, unfassbar. Ja wahrscheinlich hast du so gewirkt als hättest du alles im Griff aber mal gucken und fragen ob alles OK ist hätte ich auch angemessen gefunden. Aber da du das wirklich großartig geschafft hast werden die Kinder wohl mit dem Schrecken davon kommen, Du hast ihnen die nötige Sicherheit vermittelt. Wir haben auch schon Situationen gehabt wo ich heute fast noch Herzklopfen von kriege, für die Mädels ist es eine Anekdote mehr nicht. Jetzt eine ruhige Nacht für dich und toitoitoi daß Lilou gesund bleibt!

  • Anika

    Das tut mir so leid, dass du sowas erleben musstest. Dabei hast du so toll reagiert, mit Baby im Tuch, der Hammer! Und es ist nichts schlimmes passiert im Ergebnis. Aber ich weiß, wie tief der Schock sitzen kann, ich hab Ähnliches erlebt mit zwei abtreibenden Kindern in der Ostsee und schreiendem Geschwisterkind auf dem Arm. Das ist zwei Jahre her und trotzdem denke ich nur ungern daran, vor allem weil ich wie eingefroren war. Zum Glück konnte der Mann retten. Ich hoffe, ich wäre ohne ihn ebenfalls aktiv geworden, muss ja!! Daran knabber ich hin und wieder noch. Aber du kannst dir nichts vorwerfen, ich hoffe, dass ist dir klar. Toll gemacht und möge der Schock vorübergehen.