Mein Stillleben

Dieses Bild entstand eigentlich auf eine Selfie- Now Aufforderung, ich wollte ein Bild von mir und den fünf Kindern auf dem Spielplatz machen und saß stattdessen stillend mit dem Einjährigen auf einem Spielgerät. Da saß ich nun und dachte, ich hab schon eine Ewigkeit kein Stillbild mehr gepostet und als ich es in die Stories packen wollte, hakte es bei mir an der Bildunterschrift. War es nun die sechste oder siebte Stillbeziehung, fragte ich mich.

Ich bin schon oft darüber gestolpert. Mein erstes Kind war was das Stillen betrifft, würde ich heute sagen, eine klassische abgebrochene Stillbeziehung. Ich hatte das Gefühl, dass die Milch nicht reicht, versuchte abzupumpen, da kam natürlich kaum was, ich war somit nur am Stillen oder Pumpen, das Baby schrie und nach vier Wochen in Absprache mit meiner Schwiegermama als Hebamme, gab ich auf. Leider genau richtig zur Fazialisparese und einem kurzen Klinikaufenthalt, mit Punktion und Co, den schlimmsten Kopfweh meines Lebens, einem Haufen Medikamenten und Terminen beim Neurologen. 

Heute meine ich, dass ich nicht mit Sicherheit sagen kann, ob meine Milch tatsächlich nicht gereicht hat, aber diese Geschichten über das erste Stillen gibt es so und ähnlich leider gehäuft zu lesen. Ich war so unerfahren, ich habe mir zwar so sehr ein Kind gewünscht, ich hab auch so viel gelesen, aber ich war auf all das nicht vorbereitet. Ich hatte keine Ahnung und es gab niemanden von dem ich mir hätte etwas abschauen können. Ich hatte keine Freundinnen mit kleinen Kindern oder Babies, da war einfach niemand. Ich war allein und es gab noch nicht dieses Internet, so wie es heute ein breites Informationsspektrum bietet, Zusammenhalt und Co in seinen Bubbles. Ich war gerade 21 geworden, hatte mein Innerstes nach Aussen gestülpt, ich fühlte umich wund und verwundbar wie noch nie, ich fühlte Einstiche von der PDA, Nähte, Spannung, ich war überfordert mit den Dingen, die mein Körper tat und tun sollte, von meinen Gefühlen, von der Liebe zu diesem kleinen Menschen und dem Bewusstsein, dass ich niemals alles richtig würde machen können. Ich war: überwältigt. 

Und dann nach einer OP war ein paar Monate nach der ersten Geburt, auch schon Noah unterwegs und da war wieder alles anders. Ich hatte schnell zuviel Fruchtwasser, vorzeitige Wehen, mein Umfang betrug schon Wochen vor dem Entbindungstermin 135cm. Es war verrückt, ich konnte nicht schlafen, ich hatte Angst unser Kind könnte ernsthaft krank sein, lebensbedrohlich oder eine Trisomie haben, als Ursache für das viele Fruchtwasser, das Auslöser für Wehen und Sorgen war. Gewissheit erst bei Geburt, hiess es. Dann wurde eingeleitet, weil es hiess, er wäre fertig und bereit, aber das war er nicht, er hatte Anpassungsstörungen, konnte Zucker und Temperatur nicht halten, hatte Infusionen in seinen Händen und wir warteten zwei Tage auf die Blutwerte. Und nach all diesem Bangen wollte ich keine Experimente, niemals würde ich dieses Kind versuchen zu stillen, mein Kind bekäme die Flasche wie schon seine Schwester. Das funktionierte einfach für uns. Und so hatten wir zwei Flaschenkinder, denn Zoe war ja bei Noahs Geburt keine 1 1/2 Jahre alt. Und ich führte harte Kämpfe im echte Leben wie im Internet, um Anerkennung und Gesehenwerden und Gleichberechtigung und war teilweise einfach fies und gemein und voreingenommen, ich kannte eine Seite nicht. Es sind die Art Kämpfe, die ich heute nicht mehr führen würde. Dann war Tom unterwegs und diese Schwangerschaft wurde noch einmal schlimmer als die davor, Wehen ab der 16/17.Woche, unfreundliche Feindiagnostik, zu kleiner Magen und dann kam er am Ende nach all den sorgenvollen Monaten, entspannt zehn Tage nach errechneten Termin und ich wollte ihn stillen, aber ich traute mich nicht. Mein Umfeld unterstützte mich nicht, jetzt beim dritten Kind noch mit Stillen anfangen, wo es doch so gut lief mit der Flasche? Wieso das denn? Und dann nahm ich meine Abstilltabletten und weinte wochenlang über diese Entscheidung. Meinen Frieden machte ich dann mit Ben, der auch so schnell nach Tom geboren wurde, werden konnte und der nach einer wieder aufregenderen Schwangerschaft und mit Hilfe einer extra aufs Stillen fokussierten Hebamme stillend trank, als wäre es das Allernormalste auf der Welt. Ich war selig. Es war so schön, nicht weil es leicht war, sondern weil ich entschieden hatte, dass es all das für mich wert wäre, beim vierten Kind.

Dann nach drei Fehlgeburten und einer absoluten Horroschwangerschaft, die ich im Netz geheim hielt, kam Emil und wurde gestillt. Anton wurde gestillt, nach einer wieder aufregenderen Schwangerschaft und Horrorgeburt im Krankenhaus. Danach wurde ich krank, immer wieder. Ich dachte wegen der Seele nach der Geburt, die hing mir nach, ich sollte mehr auf mich achten sagte ein jeder und so achtete ich mehr auf mich, aber es war seltsam, ich hatte immer etwas. Es wurde nicht besser und ich strengte mich doch so sehr an. Ich verlor das Vertrauen in meinen Körper und nach einer Odyssee an Arztterminen und Monaten der Unruhe und Verzweiflung, am Ende mit dicken geschwollenen mit Flüssigkeit gefüllten Knien, furchtbarsten Schmerzen mit denen ich nicht mehr Gehen konnte, kam sie die Diagnose, ich hatte eine Form der Arthritis. Ich sollte Tabletten nehmen, die starke Nebenwirkungen haben könnten und im Zuge dessen sollte ich Abstillen. Das war wiederum der Horror, weil ich das gar nicht so einfach konnte. Anton war das egal, was wir da planten, er wollte keine Flasche. Es hat Wochen gedauert, Zeit und Tränen bis wir ihn soweit hatten und dann trank er mit 5/6 Monaten endlich aus der Flasche und mir ging es langsam besser. Bis auf die Psyche. Ich weinte nicht nur dieser unfreiwillig beendeten Stillbeziehung hinterher. Meine Angstzustände wurden schlimmer, ich konnte nicht mehr aufhören in mich hinein zu hören, lief von Arzt zu Arzt immer in Sorge und Panik, alles Folge dieser langen Zeit der Ungewissheit, was mit mir nicht stimmte und auch der Fehlgeburten und dann machte ich eine Therapie. Zelda kam, Lilou kam nach einer weiteren Fehlgeburt und nun Henry, all diese Kinder hab ich gestillt wie Ben und Emil bis übers erste Lebensjahr hinaus. Aber mit jedem Stillkind mehr, wuchs auch die Verantwortung, die Arbeit für mich durch eigentliche Arbeitsteilung hatte ich Lilou und Henry nachts dann ganz allein. Lilou hab ich erst letztes Jahr in einer schweren Zeit abgestillt, zwischen beerdigen meiner Mama und erster Pandemiewelle und nur wegen einer Bisswunde, die sich entzündete und bis zu Henrys Geburt über Monate nicht abheilte. Gerade zerrt die Stillbeziehung wieder sehr, dieses Stillen nach Bedarf in der Nacht, nach über einem Jahr ist wieder eine Hausnummer. Aber noch ist es mir das wert, wer weiss wie lange noch. Aber es ist hart und entbehrungsreich für mich, zudem bin ich keine Person, die gern in der Öffentlichkeit stillt, was ja nicht ausbleibt mit so kleinen Wesen.

Ausserdem haben alle unsere „Stillkinder“ keinen Schnuller bekommen, den hatten nur die ersten Drei, der Schnuller war ich, wenn ich jetzt nachts gehäuft gebraucht werde, liegt das auch daran, dass da was fehlt, wenn ich mich aus dem Bett stehle. Es ist für die Psyche nicht ohne ständig auf Abruf zu sein, sich nicht selbst zu gehören, auf Grund von schlafenden Geschwistern nicht mal eben in Ruhe im Bad fertig werden kann, wenn das Stillkind ruft, manchmal schmerzt es und man macht es dennoch, weil es sich noch richtig anfühlt. 

Was ich sagen wollte: Stillenbeziehungen sind intim, ganz individuell. Stillen ist schön, für mich, aber auch nicht immer, teilweise harte Arbeit, nicht kostenlos, sondern wertvoll, aber so kraftzehrend, vorallem wenn man über die ersten paar Monate hinaus weiter stillt, es ist anstrengend für den Körper, aber sicher auch für die Psyche immerzu verfügbar sein zu müssen oder andere Wege zu finden, zu überbrücken oder oder, es gibt keinen Plan X und es ist sicherlich nicht für jeden das Richtige.  Das war es nicht mal für mich in jeder Lebenssituation. Und mir war es wichtig, das mal wieder aufzuschreiben.

2 Kommentare

  • Lajulitschka

    Danke fürs Teilen. Du bist einfach eine Meisterin Emotionen in Worte zu fassen. Und nein Vorbild: wegen dir ernutige ich Unsichere weiter zu stillen und Entschlossene dass der Weg mit Flasche total ok ist. Manchmal fällt es mir schwer anzunehmen dass jemand mir „keine Milch mehr“ so mit sich im reinen ist und es nicht weiter versucht.
    Filia habe ich 3,5 Jahre gestillt und sich bei der Kleinen ist mit 20 Monaten noch kein Ende in Sicht. Und ja: es zehrt. Allein schon der unterbrochene Schlaf (geschrieben um 3:30 nach dem Stillen *gg*) und die Verfügbarkeit. Gleichzeitig glaube ich fest daran dass es für uns wertvoll ist und passt. Liebe Grüsse, Lajulitschka