„Kann ich dich mal was fragen?!“
In regelmässigen Abständen erreichen mich Nachrichten von Frauen, in denen es meist darum geht, dass sich Fragen, die die Frauen sich bezüglich Kinderwunsch und Familienplanung selbst stellen, im Gespräch hoffnungsvoller Weise beantworten sollen. Nicht selten entstehen wirklich schöne Gespräche und Freundschaften und ich lese mich selbst quasi vor ein paar Jahren zwischen diesen Zeilen.
Dennoch bekomme ich auch ganze andere Nachrichten. Aber ich kann keine unentgeltliche Lebensberatung leisten! Ich kann und möchte auf derlei Fragen nicht antworten (müssen) und für jemanden, den ich und seine Lebenssituation nicht kenne und anhand ein paar Zeilen niemals kennen werde, Empfehlungen aussprechen für die Anzahl seiner Kinder, Altersabstände, Zimmerverteilung, Arbeitsstundenaufteilung und Interior- und Selfcare Tipps. Und dennoch erreichen mich in sehr regelmässigen Abständen diese Art Texte. Skurril ist dann auch, wenn ich mir Zeit nehme zu antworten, gar nichts mehr höre, weil ich vielleicht nicht die gewünschte Antwort hatte, oder aber Widerworte erhalte, also so könne ich das aber nicht sagen oder sehen: Ja, eben!
Zum Einen fehlt mir schlicht einfach die Zeit und zum Zweiten ist es nicht meine Aufgabe! Ich erzähle hier einfach nur von uns. Das ist auch schon alles.
Ich kenne das, ich habe selber zwischen den Zeilen in Gesprächen versucht heraus zu bekommen, ob ich der Typ Grossfamilienmutter bin oder einfach nur irre. Aber mehr auch nicht. Es konnte mir niemand irgendeine Entscheidung abnehmen. Ich hatte einfach Angst, etwas würde mit mir nicht stimmen. Ich war ein Stück weit im Zweifel, weil ich bis heute keine einzige große Grossfamilie im realen Leben kenne. Mittlerweile habe ich eine Freundschaft mit einer lieben bekannten Grossfamilienmutter geschlossen und wir tauschen uns regelmässig online aus, was mir unfassbar gut tut nach all den Jahren!
Natürlich waren mir auch andere Grossfamilien eine Inspiration, ich habe Dokus verschlungen und in der einen oder anderen vorgestellten Familie einen Weg gesehen, mich gesehen und zum Beispiel mit vier Kindern gedacht: „Ja, guck! Sechs Kinder, alle musizieren, so kultiviert, das kann ich mir auch vorstellen!“- Man muss ja auch vernünftig sein, sechs war damals auf jeden Fall viel vernünftiger, als der Ursprungswunsch: Zehn 😅
Aber niemand kann einem die Entscheidung abnehmen, diese Art Fragen beantworten. Denn niemand wird diesen Mut aufbringen müssen, niemand wird dafür die Konsequenzen tragen, ausser man selbst für sich und sein Leben.
Auch der Mythos man müsse ja reich sein, woher kommt der? Nein muss man nicht! Vorallem nicht, wenn nur eine Person arbeiten geht, wie soll man da ernsthaft reich sein? Wieviel Prozent der Bürger sind wirklich so reich? Und dann würde man wohl auch hochheitsvoller Wohnen und nicht vier Kinder in einem Zimmer schlafen lassen, stattdessen schicke Autos fahren, tolle Urlaube im Ausland buchen… Womit ich auf keinen Fall sagen möchte, das wir arm wären, die Zeiten gab es auch, Zeiten in denen wir von der Grossen Geld leihen mussten, stolz bin ich darauf nicht, aber es kommt wohl immer auf die Perspektive an, woher man schaut, was man als „reich“ definiert. Aber ich wette, dass das was sich einige unter diesem „reich sein“ vorstellen, von den Summen, die es angeblich braucht, um eine Armee, eine Fussballmannschafr grosszuziehen, von der sind wir weit entfernt. Aber es geht uns gerade mal gut.
Grossfamilienelternalltag sein bedeutet oft, dass man sich zerreisst, die eigenen Bedürfnisse meist hinten anstellt, flitzt den ganzen Tag, meist nur sitzt, um zu stillen oder die Flasche zu geben oder Essen in Rekordzeit zu konsumieren, so lange wickelt, dass sich Pampers Aktien bald gelohnt hätten, hätte man denn Geld gehabt welche zu kaufen oder die Zeit sich damit zu befassen, kaum und schlecht schläft, nicht nur bis die Kleinen aus dem Gröbsten raus sind, sondern ein oder zwei Jahrzehnte. Denn es ist entweder schon wieder jemand wach oder immer noch. Dafür gibt es keinen Applaus, im Gegenteil.
Entweder wird abgeurteilt oder relativiert. Immerzu hört man entweder „Das hast du dir ja so ausgesucht! Also jetzt „beschwer“ dich nicht!“, meisterns wenn man nur erzählt, was man heut so gemacht hat oder man hört: „Ich hätte ja auch so viele Kinder, wenn wir auch(!) reich wären!/ Ich jünger wäre! Mein Mann so viel mit machen würde wie deiner!/ Mein Haus größer wäre!“
Aber nein, man hat in der Regel so viele Kinder, OBWOHL der Grossteil dieser aberwitzigen Vorstellungen einfach nicht wahr ist. Doch das will niemand hören oder lesen!
Entweder ist es buntchaotisch oder stramm durchorganisiert. Dazwischen gibt es kaum etwas. Auf jeden Fall ist oft die Vorstellung Dritter: man kann ja gar nicht an alles denken, unmöglich, kann nicht alle sehen, niemals jedem gerecht werden oder aber hat dann Zauberkräfte (durchs viele, viele Geld und helfende Hände?) und ganz besondere Lebensumstände, die es nur so möglich machen können, das es doch so ist. Es ist absurd.
Das Grossfamilieneltern ganz normale Menschen sind, die auch mal ein Kind hatten, oder zwei oder drei. Eltern, die mit jedem Kind wie alle anderen von vorne Anfangen, denn die Bedienungsanleitung gibt es nicht ab dem vierten Kind endlich gratis dazu, nein man züchtet auch keine Klone, wo jedes Kind dem anderen gleicht. Man saugt jedes Mall das Glück ein, falls man es erfahren darf, kostet den Moment aus, gibt alles und so oft darüber hinaus! Und dafür bekommt man, im günstigsten Fall, was man sich gewünscht hat, das ist dann irgendwo ein Stück(!) meiner Wahrheit. Meiner eigenen. Und dahinter stecken unter anderem sehr viel Liebe, ganz viel Hoffnung, Glück(!), aber auch ein Haufen Mut anders zu sein, immer im Fokus anderer, Kraft haben, die man doch nie hat und dann doch haben muss, Herzblut, das man immer wieder hineinsteckt und eine Ausdauer, über viele viele Jahre hinweg immer wieder das gleiche zu sagen, zu durchleben und zu tun, über Jahrzehnte hinweg. Ohne Pause. Und parallel viele, viele wunderbare erste Male und Einzigartigkeiten erlebt. Sich einlassen, auf jedes neue Kind, jeden neuen Tag, jedes neue Abenteuer. Das kann nicht jeder! Man muss dafür gebacken sein und das Glück haben, das erleben zu können. Das auch.


Ein Kommentar
Andrea - die Großfamilienmama
Du Liebe,
ganz wunderbare Worte hast du gefunden. Wenn ich deine Zeilen lese, dann komme mir die Tränen, denn genau das ist es, warum wir viele Kinder haben. Ich ziehe den Hut vor dir, welch schöne und wahre Worte du gefunden hast.
Viele liebe Grüße
Andrea