Bei sich bleiben


Was man hier hoffentlich nicht finden wird, sind ungefragte Lebenstipps und Ratschläge, denn das Internet ist voll damit. Man schreibt irgendetwas und schon springt jemand um die Ecke und hat ein paar Ernährungstipps, ein paar Lifestyletipps, „Hast du schon dies, hast du schon das?!“, „Du musst unbedingt…“, „Zieht halt aufs Land…“, „Sei geduldig!“, „Du musst mehr schlafen, mehr auf dich achten!“, aber es ist einfach anmaßend wildfremden Menschen solche Sätze ins Gesicht zu sagen, was sie ja nicht mal tun. Ich denke, das würde man nie jemanden so ins Gesicht sagen, aber geschrieben ist es schnell in den Weiten des Netzes, und auch gut gemeint, und wenn man dann unentspannt reagiert, wird man schnell als undankbar abgestempelt oder ist unfähig endlich mal im Leben was gewinnbringend (in den Augen Dritter) zu verändern, sondern jammert nur herum. Dabei hat man meist nur eben was von seinem Tag erzählt, der vielleicht auch anstrengend war, aber niemand hat geschrieben: „Hey, bitte, mein Leben ist furchtbar, gebt mir Tipps und Ratschläge, wie ich es endlich verbessern kann!“, denn man liest nur Fragmente aus diesem Internetalltag, sieht nie das ganze Bild. Interpretiert vielleicht Dinge hinein, die gar nicht da sind, manchmal kommt beim Leser was ganz anderes an, als man als Schreiber eigentlich ausdrücken wollte. Besonders problematisch empfinde ich diese Art Ratschläge als Grossfamilienmama. Dinge, die bei einer anderen Familie funktionieren, funktionieren nicht automatisch bei uns. Ich möchte zum Beispiel nicht abends kochen, nur weil ich ins Internet geschrieben habe, ich finde es anstrengend mehrere Male am Tag ein warme (nicht immer selbst gekochte) Mahlzeit anbieten zu können. Das ist mein Fakt, mein Gefühl aus meinem Alltag, meine Lebensrealität, ich brauche da keine Tipps oder Vorschläge. Denn ich(!) habe abends keine Kraft mehr fürs Kochen und um danach die Küche aufzuräumen. Das ist schon am Wochenende, wo das leider oft so passiert, sehr anstrengend für mich. Wer mag Sonntagabend nach einer Party schon noch gern eine Küche aufräumen, nachdem man eine oder meist viel mehr Stunden in der Küche stand? Und hier ist mit elf Personen quasi immer Party. Henry schläft gerade oft erst um 22Uhr, danach „lungern“ noch Teenager um uns herum. Ich bin dann geschafft, nach langen Tagen bleibt, das erstmal keine Option. Aber es war ja gar nicht so gemeint! Aber ich hab eben auch nicht nach Verbesserungsvorschlägen gefragt oder? Auch les ich dann oft, warum die Kinder nicht dieses oder jenes mithelfen oder tun. Wer sagt denn, dass sie das nicht machen? Nur weil es nicht im Internet steht? Und darf das nicht meine bzw unsere Aufgabe bleiben, kompetent zu entscheiden, wo die Kinder wann mithelfen nach ihren Interessen und wo nicht? Als wäre man zu dumm, ordentlich zu delegieren und auch mal was abzugeben und nur deshalb müde und kaputt- tja selber Schuld! So schnell geht das. Aber so wie ein Kuchen nicht zur selben Zeit gar wird, wie im Rezept angegeben, wenn man die Zutaten verdoppelt, funktioniert hier auch nicht jeder Tipp, der bei einer „Kleinfamilie“ Wunder wirkt. Weil man von aussen gar nicht sieht, dass nicht nur das Kochen mehr Arbeit macht, sondern alles andere sich verdoppelt, verdreifacht oder gar vervierfacht… in jedem Bereich. Und ja darauf reagiere ich allergisch, weil ich ein grosser Freund von bei mir bleiben bin und auch meist nur dann Tipps und Ratschläge gebe, nachdem ich vorher gefragt habe, ob mein Gegenüber sie überhaupt hören möchte. 

Ein Kommentar

  • Isabella

    Du hast sowas von Recht! Es macht einen riesen Unterschied ob man 2,4,6, 8 oder 10 Kinder hat. Es wird ja nicht nur mehr Schmutzwäsche und mehr Appetit, es wird alles mehr. Mehr Termine, Mehr Aufmerksamkeit, mehr dies, mehr das. Aber wie will ein Maurer einem Installateur seinen Beruf erklären und umgekehrt? Man kann Situationen und Umstände wirklich nur beurteilen, wenn man sie am eigenen Leib erfahren hat. Und selbst ich, die dich absolut verstehen kann oder will, kann es nur leise erahnen! Du machst SO viel und bist kompetent, sonst hättest du es gar nicht bis hierhin geschafft. Wirklich anmaßend, dass Leute, die deinen Alltag nicht kennen, es wagen dich anzugreifen. Würde ich mir nie anmaßen!!