Immer wieder die Zähne

Vielleicht hilft dieser Beitrag der einen oder anderen Frau, die in einer ähnlichen Situation ist.

Ich möchte heute über Zähne und Scham schreiben, und Schmerzen. In unserer Gesellschaft ist gerade für Frauen ein frisches, jugendliches, attraktives und gepflegtes Aussehen wichtig. Niemand mag über Karies oder Zahnersatz sprechen, das ist nichts was man hören oder über das man etwas lesen will. (Über eine ganze Menge anderer Dinge auch nicht, aber heute ist mein Thema Zähne.) Energiegeladen, nicht sich vor Schmerzen krümmend. Und wenn es dann doch passiert; muss die betreffene Person auf jeden Fall selbst Schuld sein, ungepflegt ist man dann schnell, hat natürlich nicht besser auf sich geachtet. Es gibt eine Menge Ammenmärchen über Zähne. Aber ob man will oder nicht, genetische Veranlagung is a thing. 

Ich fühle mich heute wund, nach dem das letzte Zahnziehen gerade mal zwei Monate her ist. Ich tue mich schwer damit das zu schreiben, da ist Scham, dabei habe ich nichts falsch gemacht, ich ging und gehe trotz Zahnarztphobie regelmässig zur Zahnreinigung und Vorsorge. Ich putze mir aus Gründen mehrmals täglich die Zähne. Ich habe eine wahnsinnig liebe, lustige und gute Zahnärztin und dennoch passieren mir seit Jahren all diese Dinge. Lange Zeit hatte ich Glück. Meinen letzten Kummer hatte ich davor 2014.

Eine furchtbar schreckliche, schmerzhafte Wurzelspitzenresektion wurde nach der Beerdigung unseres ungeborenen Kindes 2011 durchgeführt, schon Monate zuvor hatte ich Zahnprobleme, in dem Jahr verlor ich drei Ungeborene und ein paar Zahnwurzeln. Drei Jahre später, als ich schwanger mit Anton war, machte der gleiche Zahn wieder Probleme, eine hochschwangere Frau wollte niemand behandeln und so verbrachte ich mein Wochenbett auf Zahnarztstühlen, bis dieser Zahn endlich nach Wochen gezogen wurde. Der dritte meiner Zähne. Zwei Brücken hatte ich bis dahin schon. Mir fehlte aber in den letzten Jahren, der Mut, die Zeit und das Geld mich um die Lücke zu kümmern, im Herbst letzten Jahres wagte ich einen neuen Versuch und wollte starten, wieder kam einiges an Leben dazwischen, ein anderer kaputter Zahn zum Beispiel. Und jetzt kurz vor dem Zaubern der Brücke um die letzte Lücke in meinem Kiefer zu schliessen, fiel mir bei und nach Corona im Urlaub etwas in meinem Mund auf, genau an der Wurzel eines der Brückenpfeiler, ich machte mir viele Gedanken, sehr viele und kämpfte sie nach meinen Vorgeschichten nieder.  Ich wollte abwarten was meine Zahnärztin sagt und dann erst ausflippen. Der Montag nach unserer Ankunft aus dem Urlaub war wahnsinnig arbeits- und erfolgreich. Am Dienstag Morgen sass ich auf dem Zahnarzt Stuhl, fertig für meine Brücke und erwähnte da diese auffällige schmerzende Stelle. Nach einem Blick auf das Röntgenbild brachen wir ab, ich bekam einen Überweiser für den Kieferchirurgen, ich hatte Recht mit meiner Vermutung. Ich bekam noch einen Termin für Dienstag Abend und erfuhr, dass die Wurzel nicht bis in die Spitzen gefüllt worden war, oberhalb im Kiefer sassen Bakterien und frassen meinen Kieferknochen auf, das war jetzt nicht, was ich hören wollte. Nicht nachdem ich zuvor erst fast zwei Monate um einen anderen Zahn gekämpft hatte und so viele Schmerzmittel genommen hatte, um meinen Job zu machen und irgendwie durch diese Zeit zu kommen. 

Man empfahl mir einen 3D Scan und den liess ich sofort machen. Und am Donnerstag Abend erfuhr ich dann, dass es sich nicht um einen kaputten Zahn handelt, sondern um beide Backenzähne, direkt vor der Lücke. Ziehen sei die beste Option nach einer Vielzahl von weiteren Details und da war ich gestern nun, liess mir oben zwei Backenzähne ziehen, bin 38 Jahre alt, mir fehlen dann im Oberkiefer aktuell drei Zähne nebeneinander, die ich dann wohl mit Implantaten füllen muss, habe zwei weitere Brücken, mir fehlen also schon lange zwei Zähne und ich verlor vor zwei Monaten erst einen Zahn, macht 6. Da ist Scham, wer möchte so etwas erzählen? Ich hab so viel geweint letzte Woche, war dann froh über meine Entscheidung, ich wollte die Entzündung raus haben. Ich hab mich in die Vorbereitung von Strassenfest und Emils Geburtstag geworfen, den Geburtstag an zwei Tagen gefeiert bis zur letzten Minute (wir waren kurz vor Mitternacht aus dem Kino zurück) und dann habe ich mich gestern durch die neue schlimme Panikattacke vor dem Ziehen und Bakterien- Abschaben geschleppt, mich meinen realen Ängsten gestellt, geatmet und hoffe, die Wundheilung verläuft dieses Mal besser als beim letzten Mal. Ja, genau. Da war doch was, wenn Scheisse verteilt wird, schrei ich irgendwie oft „Hier!“. Ich habe schon starke Schmerzen, wieder einmal. Und ich habe unfassbare Angst, dass da in meinem Mund noch mehr schlummert. So sehr ich mir auch sage, dass das alles wird, dass ich das ganz sicher schaffe, dass man mir das irgendwann nicht mehr ansehen wird, ich wieder lachen und ich an all dem absolut nichts ändern kann und genau das annehmen muss, fühl ich mich geschlagen und habe über eine Woche gebraucht um irgendetwas davon aufzuschreiben. Und es ist ja auch nicht der einzige Kummer, der mich umtreibt und nebenher läuft der ganz normale Wahnsinn kurz vor den Sommerferien, nur dass ich aktuell für kurze Zeit hoffentlich nur etwas ausser Gefecht gesetzt bin. Morgen dann die erste Kontrolle.

2 Kommentare

  • Rita

    Sei lieb gegrüßt, ich schicke Dir guten Mut.???? Ich hänge auch in einem Zähnedrama fest…. es ist schwer. Viele Grüße, Rita

  • Biene

    Hey, ich kann es so nachfühlen. Mir fehlen auch Backenzähne, ich bin so anfällig für Wurzelentzündungen, habe schon so oft als Notfallpatientin bei meiner lieben ZA gesessen, mit der ich Gott sei Dank zur Schule gegangen bin und die ich immer anrufen kann. Sie versichert mir immer wieder, dass es an meinem Zahnschmelz, etc liegt. Die Scherzen sind das schlimmste was ich bis jetzt ertragen musste. Beim letzten Mal waren auch wieder mal zwei Zähne betroffen, darauf muss man aber erst kommen…ICh wünsch dir viel Kraft! ????
    Liebe Grüße