Zerrissenes Inneres
CN/TW: Sekundärer habitueller Abort/ Missed Abort
Ich weiss nicht, wo ich anfangen soll, vielleicht gibt es keinen echten Anfang, nur ein Erzählen.
Im Urlaub, als ich Corona bekam, wussteahnte ich, dass ich schwanger bin. Alles war wie bei Henry, genauso. Da war grosse Hoffnung, aber wie ich schon einmal in diesem Jahr erfahren musste, ist ein gutes Gefühl und viel Hoffnung nicht immer ein Garant dafür, dass alles gut ausgehen würde.
Trotz einer neuen guten wissenschaftlichen Studie vom Anfang des Jahres, die vermehrt Fehl-, Früh- und Todgeburten verzeichnet, wenn man in der Schwangerschaft Covid bekam, war ich voller Hoffnung, rechnete, träumte, fühlte ich und dachte an Vornamen. Ich rechnete, dass ich mit dem Beginn des Sommerurlaubs das erste Trimester schon hinter mir hätte, träumte von meiner Kugel an Zeldas Einschulung bei fast Halbzeit, fühlte die Liebe in mir wachsen und verliebte mich in einen Namen.
Letzte Woche, nach zwei Wochen Pfingstferien, wollte ich zum Frauenarzt, den Herzschlag sehen, ich wäre dann Ende der 6., Anfang der 7.SSW und man hätte etwas sehen müssen.
Am Dienstag letzte Woche erfuhr ich, dass mir wahrscheinlich ein Zahn gezogen werden muss, danach weinte ich schon bitterlich, wegen eines doofes Zahns, am Donnerstag erfuhr ich, dass es zwei Zähne sind und am Mittwoch, zwischen diesen Terminen beim Kieferchirurgen, dass da zwar eine Fruchthöhle sei, die aber bisher leer war. Da war kein Herzschlag. Man nahm mir Blut ab und ich sollte in über einer Woche wieder kommen.
Da war ich heute, die Fruchthöhle sah gut aus, man sah auch einen Dottersack, aber er nahm viel zu viel Raum ein und wieder kein Herzschlag, dafür aber kindliche Anlagen. Unser Baby hat es nicht geschafft. Ich bin heute Ende der 7., Anfang der 8.SSW, da sollte ein Herzschlag sein. Ich sehe, dass da etwas nicht stimmt und genau das hat der Frauenarzt heute kommuniziert. Ob es stimmt, weiss ich nicht, es ändert auch nichts am Verlust, aber er sprach von Chromosenveränderungen, die häufiger vergrösserte Dottersäcke verursachen und die Natur helfe sich somit selbst.
Ich fühl mich nur nicht, als hätte man mir geholfen, nicht nur nach so viel Kummer in den letzten Jahren, sondern ganz aktuell nach der Fehlgeburt Anfang des Jahres im Frühjahr, dem Kummer um unseren toten kleinen Kater, meinem letzten Zahndrama, heftigerem Covid im Urlaub, wieder Zahndrama jetzt- noch eine Fehlgeburt, wieder ein verlorenes Kind. Ich weiss nicht, ob ich das rein körperlich schaffe. Ich weiss nicht, wie das alles gehen soll. Aber eine Ausschabung ist eben auch ein nicht kleiner Eingriff, ich weiss das eine kleine Geburt der richtigere Weg ist, für mich, aber ich weiss nicht, woher ich die Kraft nehmen soll, ihn zu gehen.
Neun soweit gesunde Kinder haben wir und ich stecke gerade mitten in meiner sechsten Fehlgeburt.
Wir wünschten uns beide zeitgleich und das war besonders, so sehr, seit kurz nach Henrys Geburt ein zehntes und allerletztes Kind und es klappte bisher nicht. Es ist schwer das auszuhalten und sich zu fragen, wo die eigenen Grenzen sind. Kinderwunsch kann zermürbend sein.
Was musste ich mir in den vergangenen Jahren nicht alles anhören, nach der Geburt von Lilou (meine ich) meinte jemand im Netz, uns mitteilen zu müssen das sei wie Krebs, wir schaden der Natur, der Welt- wie Krebs. Ich sah meine Tochter an, ich hatte bisher eine Urgrossmutter und Oma an Krebs verloren, später meine Mutter an den Folgen des Brustkrebs, ich fand nicht dass meine Tochter wie Krebs, wie ein Geschwür aussah, für mich war sie ein Wunder und pures Glück! Nach Henrys Geburt wurde der Mann ermahnt sich nicht zu laut zu freuen, Menschen mit Kinderwunsch könnten sich davon getriggert fühlen, wir würden mit unserer Freude andere verletzten. Oder die Ansage an uns, dass Kinder keine Fabrikware wären, als wüssten wir das nicht. Als wären wir nicht würdig, nicht dankbar genug. So viel, dass wir mit uns ausgemacht und geschluckt haben.
Ich habe mich in den vergangen Monaten nie zum Kinderwunsch geäussert, den wir beide haben. Ja, ich habe keine Ahnung von dem Martyrium, durch das andere Paare durch künstliche Befruchtung gehen, aber wir hatten nach der dritten Fehlgeburt hintereinander eine genetische Untersuchung machen lassen, ich habe täglich mehrmals sowie als auch Pillen und Pulverchen genommen, in dem verzweifelfen Versuch ein Kind zu halten- ich weiss was es heisst auf ein Kind zu hoffen, zu warten, darum zu kämpfen und ich weiss, was es heisst Kinder zu verlieren. Und ich gehe diesen unseren Weg seit bald 20Jahren.
Ich bin schwanger und bin es doch nicht, es gibt keinen Weg irgendetwas zu ignorieren, mein Körper schüttet weiter die Hormone aus, mir ist nur noch übel und jede Welle von Bauchschmerzen und Übelkeit erinnert mich daran, dass all das, mich am Ende nicht mit einem Kind im Arm belohnt, sondern dass ich nur darauf warte bis mein Körper erneut verstanden hat, dass mit unserem Kind nicht alles in Ordnung ist und es loslässt, es gehen lässt. Wieder eine kleine Geburt. Und ich weiss nicht woher die Kraft dafür kommen soll. Ich weiss nicht mal, wie ich das alles gut verarbeiten soll. Ich bin unfassbar wund und traurig.