Erste Woche nach den Pfingstferien 23


Wenn ich mir wie gestern bewusst mache, dass die Beerdigung eine Woche her ist oder wir heute vor einer Woche das Abschlussgespräch beim Frauenarzt hatten und anschliessend Grabsteine angeschaut haben, dann fühlt sich das so weit weg an. Auch das Zeldas Geburtstag gerade mal fünf Tage her ist!? Wie kann das sein? Wie geht das? Wie passt das zusammen? 

Das liegt an dieser ersten Schulwoche, denke ich. Die war so voll. Ohne jammern zu wollen, einfach nur als Tatsache. Es fühlt sich an, als wären zwei oder vier Wochen vergangen, alles ist so weit weg und dann wieder ganz nahe. 

Es gab genau einen Vormittag, heute, an dem ich ganz „in Ruhe“ mit Nils und Henry zu Hause war bis Lilou um 12Uhr abgeholt werden musste. Aber Freitag ist auch ein Kind bei der Therapie und zu Hause, also ist das mit der Ruhe zusammen mit dem Kleinkind auch so eine Sache. Nils war morgens vorsichtig joggen, ich glaube das erste Mal seit dem neuen Hexenschuss, den er in der Woche der Stillen Geburt bekommen hatte. Dieser Hexenschuss ist hartnäckig und die Schmerzen wollen nicht so ganz weichen. Auch deswegen heisst es „Erspartes“ zusammen klauben und nach Reha in Ruhe einen neuen Job suchen. Nils nennt es vornehm „Sabbatical“, ich nenne es Zwangspause. Was bin ich dennoch dankbar, dass er in den letzten Wochen bei mir und den Kindern sein konnte und nicht noch arbeiten musste, sondern nach der Kündigung freigestellt war. Auch wenn das andere Sorgen mit sich bringt, aber diese Zeit war so wichtig und wertvoll. 

Gleich am Montag Morgen ging es für mich mit Lilou zur Amtsärztin, zum zweiten Anlauf der reformierten Schuleingangsuntersuchung und das ist fast schon wieder einen seperaten Post wert. Vorallem ärgere ich mich über eine Sache ganz besonders. Eltern werden Dinge empfohlen und dringend ans Herz gelegt, man wird mit hochgezogener Augenbraue angeschaut, wenn das alles nicht schnell genug geht, man nicht „weiter“ kommt und weil man dieses oder jenes noch nicht „erreicht“ hat. Aber am Ende geht all das komplett an der Lebensrealität von Eltern vorbei. Wie oft sehe ich in erstaunte Gesichter, wenn ich dann erzähle, dass Lilou seit bald einem Jahr auf der Warteliste hier in der Vorstadt bei allen Logopädinnen steht! Und da bis heute noch stünde. Die Praxen sind voller als voll. Wenn meine Schwiegermama jetzt nicht rumtelefoniert hätte und anbieten würde in den Zeiten, in denen sie da ist, in einen Nachbarnort zu fahren, weil wir ja nicht mobil sind ohne Auto, würden wir heute noch auf einen freien Platz für Lilou warten. Und was machen Eltern, die diese Ressourcen und Möglichkeiten nicht haben? Was sollen die denn machen? Das gilt für die für Lilou im Anschluss empfohlene Ergotherapie oder Heilpädagogik ebenso, da stehen wir bei der Frühförderstelle seit über einem halben Jahr auf der Liste. Was sich ja dank dem System, es geht nur entweder oder, auch erledigt hat. Denn entweder macht man alles in der Frühförderstelle oder alles extern ohne diese. Beides geht nicht, sprich man darf nicht zum Beispiel Ergotherapie in der Frühförderstelle und Logopädie in einer anderen Praxis annehmen. Was das Suchen und Finden nicht wirklich erleichtert. Und da gehts ja auch ums Kind und Kontinuität. Nun ist Zeldas Lehrkräften nach über einem halben Jahr in dieser Woche aufgefallen, dass sie lispelt und deshalb oft schlechter zu verstehen ist wegen „S“ statt „Sch“ und bitten darum, dass wir das logopädisch abklären lassen und uns Hilfe suchen sollen. Ich wusste beim Reinkommen der E-mail nicht, ob ich Lachen oder Weinen soll. Oder beides zugleich. Ich hab mich sofort rangesetzt und ein weiteres Mal alle Logopädinnen angeschrieben, um wie erwartet auf der Warteliste für angekündigte Monate zu stehen, weil sie einfach für solche „Lapalien“ keine Kapazitäten haben. Und genau das möchte ich bei solchen Terminen nicht erleben, wenn sowas zum Teil je nach Person so vehement empfohlen wird, sollte doch gewährleistet sein, dass man diese Hilfe auch bekommen kann. Aber auch der Ton macht da so viel aus, ein Entgegenkommendes, Einfühlsames: „Ich weiss, es sieht gaaanz schlecht aus, aber…“. 

In der Nacht zum Dienstag fiel mir dann unerwartet ein kleines Teil eines meiner Implantate raus, was mich natürlich so unwach mitten in der Nacht und unter diesen Umständen kalt erwischte, ich weinte bitterlich. Gott sei Dank konnte mein Mann mich beruhigen und auffangen. Und mir das rational erklären, ich war um halbeins nicht mehr allein in der Lage das so vernünftig zu betrachten. Nicht nach all diesen Monaten und nicht jetzt. Also war ich Dienstag mit dem Teil beim Kieferchirurgen, sass dort wiederum eineinhalb Stunden im Wartezimmer und jetzt ist erstmal alles wieder da, wo es eigentlich hin soll. In der Zwischenzeit war bei uns zu Hause ein Schlosser da und hat unsere Tür repariert; die man endlich wieder schliessen kann und ich war Nahrung und Tshirts für ein Kind einkaufen. Dienstag Abend kochte ich ganz muttiviert Suppe vor, weil Mittwoch nach der Schule keiner von uns Eltern da sein würde, aber zwei Grundschüler. Denn Mittwoch hatten wir fünf Termine auf dem Plan. Morgens musste die Große um 9Uhr zum Amtsarzt wegen ihrer Ausbildungsstelle, leider ohne elterliche Begleitung, weil ich mit einem anderen Kind von 11-13Uhr beim Psychiater in der Stadt war, auch auf Hochbegabung und Co. testen. Aber erst nachdem ich einen Berg Croutons für die Suppe gemacht hatte. Nach dem Termin in der großen Stadt zurück in unserer Vorstadt, ging es im Nieselregen gleich weiter Richtung Bücherei einem Sohn emotional unterstützen beim Vorstellungsgespräch um 14Uhr an einer potentiellen neuen Schule, was er super allein gewuppt hat, ich war nur schmückendes Beiwerk als Emotional Support- Elternteil. Das andere Kind vom Vortermin fuhr mit dem Bus allein zu den anderen Kindern Heim, wo wir dann etwa eine Stunde später auch ankamen. Nils war derweil mittags mit Lilou und Henry via Taxi (weil kein Auto, kein Führerschein und keine Oma am Start) in einen anderen Vorort gefahren für ihre Logopädie Stunde um 13Uhr. Wir kamen dann quasi fast alle zeitgleich zu Hause an. Emils Gitarren Unterricht haben wir dann aber doch abgesagt, es reichte dann einfach. 

Unter normalen Umständen hätte ich an diesem Mittwoch niemanden mehr sehen wollen oder irgendwas tun, aber weil der Mann demnächst wegen seinen Rücken weg sein würde, habe ich mich nach dem mich selbst Abtrocknen gleich auf den Weg zurück in den Nieselregen gemacht und eine liebe Freundin von der Arbeit abgeholt und in einem Café eineinhalb Stunden gesessen und gequatscht. Das war total schön. Und am Abend traf ich eine zweite Freundin zum Spazierengehen im Nieselregen, das war auch schön, weil wir uns Monate nicht gesehen haben. 

Nachdem ich meine Schwiegermama am Wochenende zu Zeldas Geburtstag als erste Person überhaupt gesehen und gesprochen hatte, ausserhalb unserer Kernfamilie, fast drei Wochen danach, war das heute ein weiterer Schritt zurück in Richtung (Sozial-) Leben. Bisher hatte ich niemanden gesehen bzw war filmreif geflüchtet, wenn ich unterwegs Bekannte gesehen hatte. Jetzt mit Freundinnen zusammen zu sein, mit ihnen sprechen zu können, darüber was uns bewegt, aber auch was mir und uns passiert ist, hat so unfassbar gut getan. Das war so wertvoll. Und so versuche ich eben noch aufzutanken, bevor ich allein bin. Wann auch immer das jetzt sein wird. 

Donnerstag ist Therapie- Tag, Nils und ich geben uns vormittags nur die Klinke in die Hand. Nach dem Mittagessenzubereiten, bin ich gleich zu meiner Zahnärztin weiter. Aber eben wieder örtliche Betäubung. Und das macht was mit mir. Das ist wie mit den Venen, man sieht wo man mich immer sticht, meinte letzte Woche die Arzthelferin, ich das Nadelkissen aktuell und so triggern mich auch diese lokalen Betäubungen, die ja auch immer ewig anhalten bis in den späten Abend hinein. Da gabs dann zwei Abdrücke, wo ich jedes Mal so einen fiesen Würgereiz unterdrücken muss, danach noch drei, vier kleine Abdrücke und einen soweit gesunden Zahn abschleifen, damit dann da die Brücke sitzen kann. Ich war danach so platt, hatte natürlich etwas vergessen und musste dann nochmal hin. Ich war an dem Tag drei Mal einkaufen, weil immer irgendwas fehlte und ich sowieso in der Altstadt war. Kommende Woche geht es dann weiter beim Zahnarzt und ich bin gespannt, wann dann die endgültige Prothese fertig sein wird. Und ich wieder soweit vollzähnig bin. 

Heute gabs einen Call mit dem Therapeuten eines Kind, der oben erwähnte kurz joggende Mann. Somit war diese Woche dann auch fast um, neben den üblichen Hausaufgaben, Hausarbeiten, Spielplatzbesuchen und all dem anderen Orgakram. 

Heute Nachmittag stand dann der letzte Termin in dieser Woche an, es ging zum Steinmetz, um den Stein für die kleine Maus in Auftrag geben. Und dafür gibt und gab es soviel zu entscheiden. Aber ich glaube das wird jetzt richtig schön. Bis dann das Ergebnis da sein, kann es bis zu acht Wochen dauern. Also ich nach einer Anzahlung fragte und er meinte, bei der kleinen Summe sei das nicht nötig, musste ich schlucken. Das ist nicht meine Definition von „kleiner Summe“ und es bleibt ja nicht nur bei dieser Rechnung. Aber wir kriegen das hin, müssen auch, denn das ist so wichtig für uns! 

Ich muss es mir nämlich selber immer wieder sagen: Ich hatte eine ganz kleine Tochter und jetzt ist sie nicht mehr da, ihr Körper liegt begraben auf dem Friedhof. All das ist mir wirklich passiert und ich spreche nicht über jemand anderen. Wenn man dann im Blumenladen steht und für zwei Grabstellen seiner Kinder, Blumen und zwei Kerzen kauft ist das mehr als surreal.

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