Abschiede und Loslassen
Abschiede fallen mir schwer, ich merke das immer wieder. Aus einer Situation raus gehen, in eine andere hinein, einen neuen anderen Alltag annehmen, fällt mir nicht leicht.
Diese Wochen hier -und so lange waren wir noch nie am Stück oben-, ist die einzige Zeit im Jahr- , trotz der Lohnarbeit des Mannes, trotz der parallel laufenden Haushalte, dem Besuch, trotz der intensiven Familienzeit und am Ende werden es drei Monate sein, ohne mal die Möglichkeit zu haben einen Teil der Kinder mal eine Nacht in andere liebevolle Hände zu übergeben- in der wir als Eltern runter fahren können. Diese Sommerferien sind die einzige Zeit des Jahres in denen mehr als zwei Wochen keine Therapien, Musik, Schule, Hausaufgaben, Arzttermine oder irgendwelche anderen Verpflichtungen anstehen. Was ja nicht mal ganz stimmt, denn Tom hatte in der ersten Woche Mittelohrentzündung und war beim Arzt, Noah daheim auch, Henry spuckte zwei mal hier und ein anderes Kind einmal dank Kreislaufzusammenbruch, zusammen mit Wäsche, Putzen, Aufräumen, Versorgung mit Nahrung ruht dieser Elternjob halt nie. Man verreist nicht allein, sondern mit den Kindern, und dennoch sind das die einzigen Wochen im Jahr, an denen man der Entspannung so nahe kommt wie nie mehr im Jahr sonst so richtig. Also habe ich gestern geweint, mich innerlich bedankt für die Chancen und Möglichkeiten und dennoch schwebt seit mehr als einer Woche diese Melancholie mit mir herum. Ich hatte mehrere Panikattacken, davon zwei im Wasser, eine im tiefen Wasser, die war am Schlimmsten, sowas ist ohne Wasser schon nicht wirklich toll. Aber ich ging wieder rein, wenn auch nur noch so lange wie ich den Boden unter meinen Füssen spüren konnte, sage mir meine Mantren und nutze, die Tipps aus der Traumtherapie meiner Freundin, klopfen, zählen, spüren, Farben- Tiere- ABC, alles was die moderne Therapie zu bieten hat. Dabei gibt es so vieles, auf das ich mich zu Hause wirklich von Herzen freue! Vorallem auf meine drei Kinder, die grad fehlen. Aber das hier, dieser Sommer am Meer ist vorbei. Wir verwischen seit Tagen unsere Spuren im Haus, bauen ab, räumen auf, verschickten Pakete und nach Jahren erneut mal wieder Koffer. Gestern sah ich Zelda beim Schaukeln zu, die auch schon so gross ist, Henry ist riesig, seit wann eigentlich und Lilou wird 7 und ist kurz davor ein Schulkind zu werden. Noah war das erste Mal nicht einen Tag mit uns im Urlaub. Und natürlich ploppt die Frage in mir auf, wie es wohl nächstes Jahr sein wird. Kommen Will und Ben wieder nach? Wird Tom dann eine Ausbildung beginnen und eher abreisen? Wer kommt dann nicht mehr mit? Auf den Spielplatz, in den Urlaub? Und ich weiss einfach aus all den Jahren als Mutter, dass nichts Bestand hat, alles ist immerzu im Wandel, was heute noch Alltag ist, ist morgen schon nur Erinnerung.
Es fällt mir schwer im Hier und Jetzt zu sein, aber ich versuche es immer wieder ganz bewusst, auch wenn der Alltag so an einem vorbei rauscht und einen mitzieht. Und im Zeitraffer Zauberhaus vergeht die Zeit sowieso anders, zahllose Erinnerungen, die Gegenwart und Zukunftsfantasien geben sich die Klinke in die Hand.
Wir haben so irre viele schöne Sachen zusammen gemacht und die Erinnerung bleibt uns ja, die ist ja nicht weg, und dennoch das Loslassen jetzt fällt mir schwer und dann dachte ich plötzlich, dass das vielleicht kein Wunder ist mit den Traumata? Wann ist es genug Zeit gewesen, die noch warme Hand seiner gerade eben erst verstorbenen Mama zu halten? Und sie loszulassen? Zu gehen? Das Zimmer zu verlassen, denn es wird ein für immer sein. Wann ist es genug Zeit gewesen, sein totes Baby zu halten? Es abzugeben, zu wissen, auch das wird ein Abschied für immer sein? Wie soll man so gut loslassen, wenn das Gehirn erst wieder lernen muss; dass nicht jeder Abschied *für immer* bedeutet? Nicht nur grenzenlosen Schmerz?
Ich war erleichtert und fühlte mich befreiter und erlöst, als ich diese Tage, diese Gedanken hatte, weil ich mich immer gefragt hatte, warum ich mich nicht einfach mehr zusammen reissen kann? Geniessen wegfahren zu können und dann in mein schönes Heim zurück gehen. Warum ich so viel meinen Gedanken und Gefühlen nachhänge. Es hat mir gut getan mir das zuzugestehen, dass das sicher ein grosser Teil ist, warum mir das Loslassen und Wegfahren so schwer fallen.


