Die Antwort auf alles?! Eine kleine Vorstellungsrunde.
Wenn man gerade 42 Jahre alt geworden ist, scheint mir das mal wieder ein guter Zeitpunkt für eine ausgiebige Vorstellungsrunde. Mein Name ist immer noch Jeanine. Ich bin verheiratet seit 21 Jahren und ausser Mensch, Frau und Ehefrau, noch (Schwieger-) Tochter, Schwester, Schwägerin, Freundin und Mutter.
Meine Kinder nennen mich Mama, Mami, Mima, Maman und Muddern. In zwanzig Schwangerschaften habe ich zehn im weitesten Sinne gesunde und vorallem lebende Kinder geboren, die zwischen fast 21 Jahren und 20 Monaten alt sind. Das war von Anfang, vom ersten Kennenlernen an unser Wunsch, auch wenn keiner je gedacht hätte, das wir das wirklich schaffen. Denn das heisst auch, ich hatte in meinem Leben bisher zehn Fehlgeburten, die ich manchmal laut betrauert habe und manchmal im Stillen.
Ein Baby habe ich Anfang des zweiten Trimesters 2011 bei einem Unfall verloren, bei dem ich ganz unspektakulär im Bus bei einer Vollbremsung gestürzt bin und die Ecke des Plastiklenkers meines eigenen Kinderwagens im Fallen samt Kleinkind in meinem Bauch fiel, dort kam es wegen der Vorderwandlage zu einer Blutung in der Plazenta und somit kam die Versorgung unseres Babys wie sein Herzschlag zum Stillstand, ein zweites Baby, unsere kleine Tochter Hazel habe ich in der 16. Woche im Jahr 2023 still geboren. Ich suche also zwei Orte auf dem Friedhof auf, auch das ist Teil meines Lebens.
Unsere Kinder an der Hand wohnen auch alle noch daheim, aber nicht mehr lang. Unser großes Kind zieht grad im Schnelldurchlauf aus. Wir organisieren dafür in Windeseile alles Menschenmögliche, damit zwei Wochen nach Wohnungsbesichtigung der Einzug stattfinden kann. Ein echter Glücksgriff!
Unsere Kinder sind zum Teil und unter anderem diagnostiziert neurodivergent und queer. Was es oft noch etwas herausfordernder macht, da treten die Sorgen um schlechte Noten schnell in den Hintergrund, deren seelische Gesundheit in den Vordergrund und da wo man andere Kinder vielleicht schneller in die Selbstständigkeit entlassen, auch mal gedanklich loslassen kann, braucht es hier noch mal mehr Feingefühl und Begleitung in vielen Bereichen, die wir gern geben möchten, ich freu mich wenn ich Anteil am Leben dieser tollen Menschen haben darf, auch wenn das bedeutet, dass es vielleicht weniger einfach ist und die Nächte kurz. Was sie sowieso sind, denn seit bald 21Jahren haben wir Babies, Kleinkinder, Kindergartenkinder und Schulkinder daheim. Ich kenne keinen Tag ohne Windeln seit fast 21 Jahren und ich weiss nicht mehr wie sich Durchschlafen eigentlich anfühlt.
Wir leben bei München in einem Reihenhaus zur Miete. Mit zu wenig Zimmern für zu viele Menschen, aber es ist unser Zuhause seit über 15 Jahren, in das wir viel Herzblut gesteckt haben, das aber gerade auch ein paar Baustellen hätte, für die uns aber die Ressourcen fehlen.
Wir Eltern haben beide keinen Führerschein und somit kein Auto, nicht aus Überzeugung, sondern weil nie das Geld dafür da war, als wir uns kennen lernten, war Nils 19 und ich noch 18, das erste Geld ging in die gemeinsame Wohnung. Zusammenziehen stand ganz oben auf unserer Wunschliste, dann kamen die Kinder und das Thema Auto geriet mehr und mehr in den Hintergrund, bis die großen Kinder alt genug waren, sich selber für den Führerschein anzumelden, bisher hat aber niemand unserer Kernfamilie die Erlaubnis zum Fahren.
Unser Auto ist der Kinderwagen, ein Fuxtec oder das motorisierte Lastenrad, das aber seit September defekt ist. Also mehr Arbeit und Aufwand seit einer ganzen langen Weile. Wir haben genau eine Waschmaschine, die gerade stirbt, einen Trockner, eine Spülmaschine und hatten noch nie eine Haushaltshilfe oder andere fremde Hilfe im Haus.
Alles mache ich zu Fuss mit dem Kinderwagen oder Bus, manchmal nehm ich das Rad zu Verabredungen, aber ich muss auf meine Gelenke aufpassen, denn ich bin chronisch krank, habe Psoriasis Arthritis.
Und super anfällige Zähne, obwohl ich sehr viel Zeit mit deren Pflege verbringe, da habe ich einiges Unschönes mit den Jahren erleben müssen und bin dankbar für so fähige Menschen in der Praxis meiner Zahnärztin und der Kieferchirurgen.
Wir haben das Glück jedes Jahr ins selbe Haus an der Ostsee fahren zu können, das mittlerweile nicht mehr nur meiner Schwiegermama, sondern auch meiner Schwägerin gehört. Wir lieben und geniessen die Zeit dort sehr, es ist nach all den Jahren wie unser zweites Zuhause, steht ja auch viel von unserem Zeug rum, und weil wir halt nur etwa zwei Mal im Jahr im Sommer da sind, ist der Urlaub dort wie ein Daumenkino des Großwerdens unserer Kinder.
Ich liebe das Meer so sehr, habe mich aber mittlerweile auch in die Berge verliebt, weine wenn ich aus dem Urlaub abfahre, aus Fernweh und weil ich in den letzten zweieinhalb Jahren ganz schön Federn gelassen habe, die Akkus sind so leer und können nie so wirklich ganz aufgefüllt werden, sondern immer nur soweit, dass es einfach immer weiter läuft.
Ich weiter laufe, erst dieses Jahr war der Mann wieder ein paar Tage im Krankenhaus, Gott sei Dank blieb die größte Sorge – ein Schlaganfall- damals unbegründet und er war schnell wieder auf den Beinen.
Es bräuchte mehr Alltagsfluchten und Auszeiten, mehr Zeit für mich, mehr Zeit als Paar, auch um an uns zu arbeiten und stabil zu halten, was es braucht, um mit dem Wenigen, das wir als Paar haben weiterhin zu funktionieren. Ich träume von regelmässigeren Urlauben, in denen wir verwöhnt werden, von Urlauben mit allen Kindern und Schwiegerkindern.
Mit einem Teil der Kinder, aber nur den Kleinen, schafften wir das jetzt zwei Jahre in Folge wenigstens für ein paar Nächte, in ein echtes Hotel fahren, wo man bekocht und umsorgt wird und das Zimmer jemand aufräumt, es verschiedene Angebote gibt, das kennen die Großen nur ganz wenig.
Denn Geldsorgen sind mit steigenden Ausgaben immer mehr und mehr Thema geworden, erst seit Januar zahlen wir fast 300€ mehr Miete. Das spüren wir sehr. Steigende Lebenserhaltungskosten, ein stabiles aber nicht verändertes Gehalt kosten mich seit ein paar Monaten oft meinen Schlaf, ich bin jeden Tag am Rechnen und Schauen und Vergleichen, wo es geht. Auch das ist unsere Lebensrealität, den Spruch, „wenn ich soviel Geld hätte, würde ich mir auch zehn Kinder -anschaffen-.“, kann ich nicht mehr hören. Dafür bin ich dankbar für jeden der an unserem Leben wirklich Anteil nimmt, uns (auch emotional) unterstützt, noch einmal mehr, wenn ich erfahren muss, wie hinter unserem Rücken gesprochen wird, unsere „Kinder“ ausgefragt und bedrängt werden „Jetzt ist aber Schluss“, von Menschen, die so weit weg aus unserem Leben sind, dass ich mich nur wundern kann. Es ist nicht immer leicht so einen halt-, distanz- und geistlosen Kram zu hören. Und nicht gesehen wird, was wir hier leisten.
Mein Mann und ich sind Halbwaisen, Nils Papa starb Ende 2019 und meine Mama im Februar 2020, es ging beide Male so schnell, dass man mit Fühlen gar nicht hinterher kam. Meine Mama hatte Jahre zuvor zwar eine Brustkrebsdiagnose, aber das der hartnäckige Husten, schon (unter anderem) Metastasen in ihren Lungen waren, damit hatte niemand gerechnet, eilig begonne Maßnahmen endeten, als nur zwei Wochen nach Diagnose meine Mama im Beisein von mir und einer Krankenschwester, gerade erst als ich meinen Papa und meine Schwester zum Schlafen nach Hause geschickt hatte und bereit für die Nachtwache war, ihre letzten Atemzüge tat. Wir schafften es noch gerade so von der Beerdigung wieder nach Hause als der erste Lockdown begann.
Ich habe in meinem Leben viel Leid erlebt, viele Traumata. Und hatte sehr viel Therapie. Meine Angststörung habe im gut im Griff soweit und meine Panikattacken kann ich gerade auch ganz gut handeln. Ohne wäre schön, aber nicht realistisch bei dem Pensum.
Nachdem ich 2023 unser Baby allein im Krankenhaus still geboren hatte, durchlebten wir danach eine Beziehungskrise, auch weil mein Mann sich nur kurz danach um seine Gesundheit kümmerte und mich allein mit den Kindern und meiner Trauer liess samt einer weiteren Fehlgeburt. Unsere kleinste Tochter June ist ein Geschenk aus dieser schweren Zeit, unser großes Glück. Sie hat unsere Ehe nicht gerettet, das wäre eine zu große Bürde, sie blieb, während wir beiden Erwachsenen so hart an uns und daran gearbeitet haben zurück zueinander zu finden.
Ich liebe die Natur, gehe aktuell jeden Tag spazieren. Zeit, die ich brauche und die mich erdet. Und die einzige Möglichkeit, dass mal niemand bei mir ist. Denn sobald ich mich im Haus bewege und mich zurückziehe, läuft mir jemand nach, immer. Nur wenn ich raus gehe, kann ich wirklich mal richtig für mich sein, was nicht ganz stimmt, denn ich bin immer erreichbar, beantworte Nachrichten und schreibe mir unterwegs vieles auf oder mache mir Notizen. Aber ich kann meinen Gedanken mehr nachgehen, versuchen zu greifen was ich fühle und zulassen, das tut mir gut.
Ich liebe Tragetücher, sammel sie und zusammen mit Büchern ist das mein einziges Laster. In diesem Jahr habe ich bereits 38 Bücher gelesen, soviel wie noch nie in einem Jahr. Ich hoffe, ich knacke noch die 40, ich bin zuversichtlich, denn ich arbeite gerade daran. Das ist so ein bisschen mein Zeitbarometer, genommene Zeit für mich, dieses Lesen, das macht mich glücklich.
Das hört sich alles soviel an, aber oft habe ich keine fünf Minuten am Tag für mich allein im Haus, verbringe einen großen Teil des Tages in der Küche. Bereite jeden Tag seit 20 Jahren ein Mittagessen zu und backe sehr oft noch etwas Süsses für den Nachmittag oder mal ein Brot, mittlerweile hauptsächlich um Geld zu sparen. Unsere Kinder (gingen und) gehen seit Jahren nur bis 12Uhr in den Kindergarten und eine Stunde später (kam und) kommt (mittlerweile nur noch) ein Teil der Schulkinder und somit essen wir nach wie vor zusammen Mittagessen, die Kinder die später kommen, essen im Anschluss. Ansonsten bin ich mit Mount Washmore, Aufräumen und Putzen von Dingen beschäftigt, die ich nicht mal gemacht habe und Orgakram. Ein großer Teil des Grossfamilienalltag geht tatsächlich drauf für Logistik und Bürokram.
Ich hätte gern mehr Möglichkeiten meine Freundinnen zu treffen, auch das passiert viel zu selten, einige davon habe ich schon ewig nicht mehr gesehen. Dennoch könnte ich nicht dankbarer sein für diese tolle Frauen in meinem Leben, die für mich da waren und sind, mich sehen, ob online oder im echten Leben.
Ich schaue immer die gleichen Serien in Schleife, auch das erdet mich. Handmaids Tale, Downton Abbey, Anne with an A, The Crown oder Call the Midwife. Gepickt mit neuen Serien, die ich oft mit meinen großen Kindern schaue.
Freitag Abend ist meistens Filmeabend mit den Großen, es ist ein schöner entspannter Start ins Wochenende, denn dann sind alle total durch, aber man ist dennoch zusammen und versucht gemeinsam abzuschalten.
Ich liebe gute Filme, gehe auch mal allein ins Kino, auch wenn das sehr sehr selten passiert. Mit dem Mann war ich durch Junes Geburt seit bald zwei Jahren nicht mehr gemeinsam im Kino.
Meine Lieblingsband ist Linkin Park. Ich würde sie so gern live nächstes Jahr erleben, eine Musik die mich getröstet und berührt hat, begleitet durch tiefe Täler. Und mir neue Kraft gab. Erst dieses Jahr war ich in meinem Erwachsenen Leben auf meinen ersten zwei Konzerten, eines war mit dem Mann, ein Candlelight Klavier Konzert- Tribut an Linkin Park.
Aussderdem liebe ich Farben. Es gibt so viele schöne, daher wohl auch das super passende Hobby Tragetücher in verschiedenen Farben zu sammeln, aber ich fotografiere auch gern, in guten Phasen unseren gemeinsamen Alltag und halte kleine Dinge und Schönes im Leben fest.
Darum geht es doch? Manchmal innezuhalten, wie diese Woche, sich freuen über die Sonne, die durch die Fenster im Schwimmbad scheint, das Wasser aussehen lässt, als wäre man in der Karibik und lachende Kinder um mich herum.



3 Kommentare
Anja preuster
Was für ein wunderbarer Text. Du schreibst so gut, es macht immer Freude deinen Blog zu lesen.
Lajulitschka
Hach wie schön mal wieder einen so langen Post lesen zu dürfen. Und so lange gewährst du nun schon Einblicke in euer wundervolles gut gefülltes Leben. Danke.
Weiterhin alles alles Gute
Tina
Oh Du Liebe..
Und so lange darf ich schon mitlesen.
Du gehörst einfach in meinem Leben dazu und ich wünschte, ich wäre näher dran. ❤️
Schön, dass es Dich gibt. ????