Totensonntag

Meine Oma hat früher immer gesagt: „Vor Totensonntag wird nicht weihnachtlich geschmückt.“… und auch wenn das keine strickte Regel bei uns ist, läuft es oft genau darauf hinaus.

Totensonntag ist noch einmal ein Tag zum Gedenken und Erinnern. 

Nach einem Spaziergang im Sonnenschein mit fast allen Kindern, man glaubt es kaum- wunderschön- mein Mamaherz war ganz verzückt, und nach spätem Mittagessen bin ich allein auf den Friedhof gegangen. 

Alleinsein ist zumindest in unserer Familie ein kostbares Gut, gerade im Moment noch mehr… und vielleicht ist es manchmal der richtige Weg sich bewusst Zeit zu nehmen, Trauer zu (er)leben, dafür braucht es natürlich nicht unbedingt einen Totensonntag, aber heute war genau der richtige Moment- also ging es für mich noch einmal raus in die Kälte, den Gefühlen nachspüren. 

Natürlich vermisse ich gerade am meisten meine Mama. Der so schnelle, unerbittliche Verlust vor neun Monaten sitzt einfach noch zu tief und ist noch so frisch. Leider ist das Grab meiner Mama von hier aus für mich erstmal unerreichbar, auch wenn es nur 600km sind, aber ich dachte dennoch ganz fest an sie, meinen Vater und meine Schwester.

Ich habe heute wieder den Gedenkstein für unsere Sternenkinder besucht und mir noch einmal bewusst gemacht, dass hier irgendwo auf diesem Friedhof unser ungeborenes Kind liegt. (Damals konnte man diese kleinen Menschen nur anonym bestatten, ein paar Jahre später wurden die Gesetze endlich geändert.) Das unser Kind einen Sarg hat und eine Trauerfeier hatte, war mir damals sehr wichtig, nachdem Abschiednehmen anders nicht möglich gewesen war, blieb es so unsere einzige Chance das alles zu verarbeiten. Ich dachte heute daran wie dankbar ich immer noch dafür bin, dass mir damals eine Mama aus dem Netz geholfen hat da durch zu gehen, zu wissen, was ich darf und was ich kann und was mir gut tun könnte und eine andere fabelhafte Frau damals Geld für die Bestattung eingesammelt hatte, da man im Netz Anteilnehmen wollte. 

Auch wenn ich heute etwas noch einmal anders machen würde, bin ich jetzt dankbar, dass ich einen kleinen Ort habe, der uns gehört. Auch wenn nur zwei (Kose-)Namen auf dem Stein stehen. Ich habe heute also genau dort eine Kerze angezündet, ich habe auch die anderen Kerzen, die dort standen noch einmal angezündet, weil mich das Lichtermeer heute auf dem Friedhof überwältigt hat, denn es braucht vielleicht nicht diesen einen Tag um sich an geliebte Menschen zu erinnern, es hilft manchmal aber zu wissen, dass wir nicht allein sind in unserer Trauer. Ich habe unseren vier „verlorenen“ Kindern dort einen Kuss zugeworfen, an meine Uroma, die mir eine Oma war gedacht, meinen Opa, meine Oma, meine Mama, meinen Schwiegervater, den wir vor genau einem Jahr bestattet haben und meine Großtante… alle sie fehlen und sie fehlen nicht uns allein. Auf dem Weg nach Hause war ein atemberaubenes Licht zu sehen, wie ein kleines Zeichen und diesen Moment hab ich genutzt und hab endlich mal wieder meinen Papa angerufen.  

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