gravida 18

Gestern tauchte in einer lieben Nachricht an mich, das Wort „Wehmut“ auf und schon kam eine Welle und trug mich fort.

Da ist gerade so eine Unruhe in mir, die mich nicht zur Atem kommen lässt, so viele Gefühle, die angeschaut werden wollen.

Eine Wehmut in mir, dass ich 20 Jahre jetzt hinter mir lasse, ein Teil meines Lebens abgeschlossen sein wird. Zwanzig Jahre ist mein erster positiver Schwangerschaftstest her. Zwei Jahrzehnte des Mutterwerdens, Kinder-  Empfangens, -Austragens, -Gebärens, -Nährens. So viel Zeit zu tragen, trösten, begleiten, lachen, weinen, staunen, verzweifeln. Ein letztes Mal. 

Da taucht ein großer Abschiedsschmerz in mir auf, alles war und findet ein letztes Mal statt. Genau darauf hatte ich zu hoffen gewagt und nun wo ich June sicher gebären durfte, ist Raum für die Trauer darüber, die mich dennoch ein Stück weit überrascht. Diese letzte Schwangerschaft war gleichzeitig der Beginn einer Abschiedsreise. Ein Loslassen dieses so langen, grossen Abschnitts meines Lebens. 

Gleich nach Henry Geburt waren wir uns als Eltern einig, dieses Mal zur gleiche Zeit: „Ja, ein einziges Kind hätten wir noch gern!“ Ich konnte das Flüstern nicht ignorieren, kein Windhauch, kein Hach, sondern Sehnsucht, so unaufhaltsam und undurchdringlich wie Nebel, der sich festsetzt und sich zu mir gesellt hat, Nebelflüstern. Ein leiser Ruf wie Nixen aus dem Meer, dieses Fehlen, dieses Suchen, dieses Sehnen -ein letztes Mal- mein Herz rief zurück, aber wir fanden einander noch nicht.

Es hat Jahre Kinderwunsch gebraucht, über den ich nicht sprechen konnte, denn wer hört schon gern einer Frau zu, schaut ihren Kummer und ihre Verzweifung an, die schon neun Kinder hat? Es waren über drei stille Jahre Sehnsucht, Verzweiflung und auch Trauer, weil ich auf den Weg zu June, erneut vier mal schwanger gewesen war. Weitere vier mal Angst aushalten, Sorgen, denn nach einem positiven Schwangerschaftstest ein lebendes Kind im Arm halten ist alles andere als selbstverständlich. 

Hazels Tod ist kein Jahr her. Ich vermisse sie. Nach ihrer Geburt, ihrem Verlust, da blieben ein Schmerz und eine Sehnsucht zurück nach diesem kleinen Menschen. Die bleibt auch jetzt bestehen, das Vermissen bleibt, löst sich nicht auf, jetzt wo ich June im Arm halte. Wie gern hätte ich beide Mädchen gehalten, großwerden sehen und später im Leben losgelassen.
Hazel hat die Liebe hier gelassen und ihrer Schwester geschenkt. Ich weiss noch wie glücks- und liebeserfüllt ich war, nachdem ich den ersten positiven Test von June in den Händen halten durfte, da war sofort soviel Liebe. Die Angst kam erst jeden Tag mehr dazu. 

Jetzt ist da endlich June, ein Wunschtraum ging in Erfüllung und oh Gott, ich liebe dieses kleine Mädchen so so sehr! Ich bin überwältigt von der Liebe zu ihr, überwältigt von der Erleichterung, weil wir es geschafft haben, June und ich. Sie ist hier, um die ich solche Angst hatte. Diese Daueranspannung, die sich über Monate in mir aufgebaut hat, löste sich gestern Nacht ein Stück weit in heftigen Tränen auf, weil es vorbei ist. Ich habe es geschafft sie sicher auf die andere Seite zu bringen, sie ist hier, sie lebt, sie atmet, sie ist in Sicherheit. Ich bin so so verliebt, halte sie den ganzen Tag fest und merke wie überwältigt und berührt ich von allem bin. Ich fühle eine unbändige Liebe & vorallem Dankbarkeit für alle meine zehn Kinder „an der Hand“.


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Ein Kommentar

  • Andrea

    Ich fühle all das so sehr nach Du Liebe. Du hast es wie immer so schön in Worte gefasst.

    Ganz liebe Grüße
    Andrea