Und ich wachse…

Seitdem ich Kinder habe, wachse ich. Über mich hinaus. Tag für Tag und Woche für Woche.

Ich habe zauberhafte, tolle Kinder. Sie sind klug, witzig und wunderschön sowieso. Meine
geliebten Kinder eben. Aber es ist nun mal so, dass Kinder mehr brauchen als nur was zum
Essen und Anzuziehen. Wir vermitteln Werte, wir geben Halt- wir sind da. Immer und für
immer.
Zoe schreit im Augenblick sehr viel und laut. Bei unterschiedlichsten Anlässen. Das macht
sie seitdem sie auf der Welt ist. Zoe hat eine gottgegebene Ausdauer und Kraft, die einen mit
reißt. Tolle Eigenschaften fürs Leben, aber nicht für mich als Mutter, denn ich darf mich
nicht mitreißen lassen. Den schlimmsten Wutanfall kann ich eindämmen, in dem ich ihr Fels
bin, ihr mit Ruhe und Ausgeglichenheit zeige, dass ich sie liebe und ihr den Rahmen biete,
den sie in dem Moment braucht, für ihre Wut, ihre Unsicherheit, ihren Frust, ihre Hilflosigkeit,
ihre Angst, damit sie weiß, eigentlich braucht sie gar nicht so zu brüllen. Das kann ich nicht
immer. Und in Phasen ihres Lebens, in denen sich ihre Unsicherheit so geballt zeigt, brauche
ich Nerven der besonders guten Sorte. Denn meine Ohren tun weh davon. Und manchmal gebe
ich zu, ist es mir peinlich und unangenehm, denn ich kann ihr nicht einfach den Mund zu
halten oder die Augen zukneifen und mich weg wünschen, denn sie würde da noch immer
stehen und brüllen. Sie schlagen ist auch keine Alternative, außerdem würde unsere schlaue
Tochter dann nur noch lauter schreien, dass man das nicht darf, sie hätte also nur noch mehr
Grund wütend zu sein und verletzt und ängstlich, alles eher das Gegenteil von dem, was ich
mir wünsche. Eine Phase. Sicherlich. Eine Phasen mit geballten Anfällen. Und ich wachse…

Gleichzeitig wachse ich im Augenblick mit Noah. Noah braucht ein bißchen Unterstützung durch
eine Ergotherapeutin. Diese Unterstützung zu organisieren, ließ mich rennen in den letzten
Wochen und am Abend da sitzen, nachdenkend und recherchierend. Ich musste mich mit
dem Kinderarzt auseinander setzen und zum Augenarzt um Auszuschließen, dass er schlecht
sieht. Nun ist alles erstmal in die Wege geleitet, jetzt heißt es nur noch Beobachten und hoffen,
dass wir richtig entschieden haben. Aber es heißt auch einmal in der Woche die Großen früher
abholen um Noah zur Ergotherapie zu bringen und jeden Abend vor dem Schlafen mit ihm noch
Entspannungsübungen zu machen. Es wird ebenso zum Alltag irgendwie und irgendwann.
Und ich wachse…

Da wären noch Toms Schreiattacken. Tom schreit, wenn er sich verletzt, wenn er frustriert ist,
aufwacht oder nicht wieder einschlafen kann. Laut. Ebenso laut wie seine Schwester und mit
einer ähnlichen Ausdauer. Auch hier klingelt es von Zeit zu Zeit in meinen Ohren. Hinzu kommt,
dass er eben erst zwei Jahre alt wird. Er ist eine Miniausgabe eines Kindes. Die Probleme
beim Schlafen sind wir nun aktiv angegangen. Er hat seinen Mittagsschlaf selbst gekürzt und
erwacht nun nach einer knappen Stunde. Soweit so gut, nun wäre es nur noch prima, wenn er
einfach nach mir ruft und nicht laut schreit, wenn er aufwacht und wartet bis ich zu ihm komme.
Außerdem habe ich Tom schon in der letzten Woche zwar im Zwillingskinderwagen zum Kindergarten
gefahren, aber den Berg mit 13% Steigung in die Altstadt zurück ist er allein gelaufen. In den
letzten zwei Tagen ließen wir den Zwillingskinderwagen ganz und gar stehen und Tom läuft
an meiner Hand als hätte er nie etwas anderes getan. Es scheint ihn auszugleichen. Trotzdem
ist all das ebenso neu für mich, wie alles andere. Ich brauche Zeit mich daran zu gewöhnen draußen
auf drei aufzupassen anstatt auf zwei laufende Meter. Und ich wachse…

Der kleinste Mann. Ben wird aktiver. Und so begann ich mir Sorgen zu machen, wenn er drüben
allein in unserem Bett lag, während wir hier saßen. Also musste ich mir etwas überlegen. Ben an
sein eigenes Bett gewöhnen. Denn er schlief allein in unserem Bett wunderbar. Sobald wir aber
zu ihm kamen, wurde er wach und wollte gestillt werden. Ich hatte das GEfühl ihn zu stören,
denn ich lege mich nicht einfach in ein Bett. Nein ich bin und bleibe ein Grübler und wuchte mich
daher ständig von einer Seite zur anderen bis ich endlich einschlafe, irgendwann im Laufe meiner
Kruschtelei weckte ich ihn. Keine große Überraschung. Also fing ich in den letzten Tagen damit
an Ben außerhalb unseres Bettes in den Schlaf zu stillen und ihn im Anschluss in sein eigenes
Bett zu legen. Das fand Tom wiederum ganz toll. Vielleicht tut es beiden gut zusammen zu
schlafen. Wenn er dann in der Nacht wach wird, bevor oder nachdem wir rüber gehen, kommt er
wieder in unser Bett, da sind wir ja dann auch dabei und passen auf ihn auf. Dann steht da noch
die Essenseinführung auf dem Plan, denn Ben hat Hunger und bekommt Zähne. Diese sind zwar
noch nicht ganz draußen, aber ich wurde gestern schon herzlich vor Langeweile und Kauen gebissen
und das tut wirklich sehr, sehr weh. Überall kleine Baustellen, überall Beachtenswertes. Und
ich wachse…

Ich bin froh, all diese Dinge wahr zu nehmen. Ich bin froh, alle diese Dinge zu bewältigen. Und
ich wachse wirklich jeden Tag. Ich wachse seit dem ersten Kind. Und ich werde weiter wachsen.
Aber im Augenblick kommt alles so geballt, dass es sich anfühlt als würden alle an mir ziehen.
Oder mich antippen, „Mama, kannst du mal…“ Ich kann. Sehr gerne sogar. Aber noch viel lieber,
hätte ich kurz Zeit um auf Toilette zu gehen bevor das nächste Kind etwas von mir möchte…

7 Kommentare

  • Jinlys

    Ein wenig kann ich nachfühlen, wie es Dir geht. Wir haben keine vier Kinder – eines erst – aber das Gefühl des Wachsens hatte ich in den Monaten, seit es sie gibt, schon oft. Es waren oft die herausragenden Erfahrungen, im Guten wie im Schlechten: Das erste Lächeln, der schlimme Krankenhausaufenthalt, solche Dinge. Und über allem das Gefühl, dass man für dieses kleine Wesen verantwortlich ist. Voll und ganz, bedingungslos. Und dass sich mit jeder neuen Erfahrung ein Stück dieser Welt zeigt, die bislang im Dunklen lag, verborgen.
    Und ich weiß, war ich bislang was mich selbst betrifft eher bescheiden, habe manchmal vielleicht sogar zuviel Rücksicht auf andere genommen, so könnte ich bei meiner Tochter nicht annähernd ebenso schüchtern sein: Ich würde für sie eintreten, viel mehr als ich es für mich selbst je getan habe. Auch das gehört wohl zu diesem Wachsen.

    Viele liebe Grüße schicke ich Dir,
    Jinlys.

  • Eva

    Ich weiss so genau, was Du meinst.
    Wenn das Wachsen zu stagnieren droht, halte ich mir immer vor Augen, dass wir unsere Kinder ja nur einen Bruchteil unseres und ihres Lebens so nah begleiten werden.
    Was sind schon die „berühmten 18 Jahre“ im Gegensatz zu 70, 80 oder noch mehr Jahren?!
    Ist das irgendwie wirr jetzt? Wenn ja, dann wegen dem Schlafmangel. Aber der lässt mich vielleicht auch irgendwie wachsen ;-).

  • Ines

    Genauso (wiedermal). Man wächst, stößt an seine Grenzen, denkt es geht nimmer mehr aber man wächst weiter. Du würdest sicherlich auch mit 5 Kinder an deine Grenzen stoßen und dann weiter wachsen, es ist erstaunlich was alles geht.

  • DasDanny

    Weisst Du was Frau Kassiopeia??

    Ich ziehe den Hut vor Dir !!
    Aus Deinen Worten sprüht so viel Liebe, das man sie fast greifen kann!!
    Ja man wächst, mit jedem Kind ein wenig mehr, mit jeder Aufgabe ein wenig mehr, und man hört nie auf damit ;-)

    Liebe Grüße
    Danny

  • Patricia

    Schön :-)! Ja, man wächst, mit jedem Kind mehr, und zwar in alle Richtungen! (und man lebt das Leben in allen Extremen, das hätte ich vorher auch nie gedacht …)

  • Janine

    Ich finde es wundervoll, wie Du für jedes Deiner Kinder ein Auge hast, wie Du erfasst, was gerade jedes für sich braucht. Und wie Du Dich aufopferst. Du machst einen grandiosen Job, ich hoffe Du weißt das :-) Du kannst SO stolz auf Dich sein!

    *drück*