Lange Nacht der Münchner Museen 2011
In diesem Jahr ging ich mit einer liebsten Freundin durch die Nacht. Wenn man sich wirklich Zeit lässt und sich alles in Ruhe ansehen will, schafft man eigentlich nur circa 3 verschiedene Orte, zumindest war das so im letzten Jahr. Deswegen schauten wir vorher genau, wo wir eigentlich hin wollten. Wir zwei schafften in diesem Jahr aus akuter Müdigkeit um halbeins allerdings sogar nur zwei. Und leider war die Pinakothek der Moderne an diesem Abend geschlossen. Meine liebste Freundin und ich waren im Brandhorst nachdem wir vorher sehr viel Zeit in der Ehemaligen Karmeliterkirche verbracht hatten.
Das Brandhorst glänzte zum Abschluss mit vielen bekannten Künstlern. Eigentlich war für jeden etwas dabei, ob Raum-Installationen von Dan Flavin oder die Video-Installationen von Isaac Julien „Ten Thousend Waves“ oder „True North“. Viele Werke von Andy Warhol waren zu sehen. Lange sitzen konnte ich bei Damien Hirsts „Waste“ oder „In this terrible moment“. Das Brandhorst bildete dann irgendwie mit all seiner Fülle einen schönen Abschluss für unseren Abend.
Der Start in den Abend bildete die Ausstellung „Ein Koffer für die letzte Reise“ in der Ehemaligen Karmeliterkirche, und die hatte uns doch lange gefangen gehalten. 103 Menschen packten ihre Koffer für die letzte Reise. Einige Ausschnitte habe ich mir notiert. Besuchen kann man die Ausstellung in München noch bis zum 25. November.
Gleich einer der ersten Koffer, die ich mir ansah, enthielt einen schönen Vers.
Das Sterben
Vielleicht
Ist es kein weggehen
Sondern Zurückgehen ?
Sind wir nicht
Unterwegs
Mit ungenauem Ziel
Und
Unbekannter Ankunftszeit
Mit Heimweh
Im Gepäck?
Wohin denn
Sollen wir gehen
Wenn nicht
Nach Hause zurück
Eine Frau hatte ganz viele Sterne in ihrem Koffer, für unzählige und unterschiedliche Momente ihres Lebens.
Die eingentlich noch recht junge dreifache Mutter nimmt ihrer ältesten bereits verstorbenen Tochter Harry Potter Bücher mit.
Die Frau, die Flügel will, falls sie wieder weg will.
Eine Hebamme nimmt ihr Höhrrohr mit, weil sie ihren Beruf liebt und immer auswählen würde und falls es im Himmel auch Schwangere gibt. (Nach diesem Koffer, hatte ich einen ziemlichen Kloß im Hals.)
Die Frau mit der Decke, der Laterne und den Schuhen.
Jemand schrieb: In Liebe Geborgen sein.
Jemand anderes: Das Leben ist bunt.
Susanne Fröhlich, nimmt ein Feuerzeug mit für mehr Licht und Lipgloss für mehr Glanz.
Hier und da entdeckte ich ein Stück Berliner Mauer oder einen Fotoapparat und Blumenzwiebeln.
Claudia Breu schrieb „Jeder sieht, was du scheinst. Nur wenige fühlen, wie du bist.“ und packte ein Zitat dazu: „Den eigenen Tod, den stirbt man nur. Doch mit dem Tod der anderen muss man leben.“ (Mascha Kaleko)
Außerdem packte sie ein Dosentelefon ein, um in Kontakt zu bleiben mit den Menschen, die ihr im Leben begegnet sind.
Fine Zimmermann schrieb „Mit leeren Hânden bin ich gekommen und mit leichten Fûssen ziehe ich von dannen.“
Hermann Josef Baus packte Rätselhefte ein, damit er weiter rätseln kann.
„Man trägt das Vergangene Schöne nicht wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich.“ Dietrich Bonhoeffer
Der 16 Jahre alte Etienne nimmt eine Uhr mit, denn die Zeit ist unendlich, sie läuft immer weiter.
Viele Menschen hatten Fotos ihrer Lieben dabei, ansonsten gab es auch sehr viele leere Koffer. Weil man nichts mitnehmen könne.
Wir haben zugegeben nicht alle Koffer genau anschauen können, oder das Papier dazu lesen, das es gibt. Für mich war es so, dass ich am Ende wirklich irgendwann überwältigt war von so viel Leben.
Und ganz am Ende der Ausstellung darf man sich fragen, wenn ich einen Koffer mitnehmen könnte? Was würde ich einpacken?
11 Kommentare
stadtfrau
diese koffer-ausstellung liest sich grandios – das wäre was für mich!
Pienznaeschen
Ich kann nicht genau sagen warum, aber die Koffer und die Frage rühren mich gerade arg…
jule
danke für den hinweis auf die kofferausstellung – wunderschöne idee! und was für ein zufall, dass ich morgen in muc bin. ich habe mir schon alles aufgeschrieben und werde mir sie morgen ansehen!
kassiopeia
@stadtfrau: Ja, also wenn du mal in der Stadt bist… etwas Zeit hast du noch! :)
@Pienznaeschen: Das kann ich verstehen. Es geht einem ganz nah, aber das ist ja auch das Wunderbare!
@Jule: In die große Stadt? :) Ich wünsch dir ganz viel Freude!
diedasmeerliebt
Es gibt ein Buch dazu: „Einmal Jenseits und zurück“ (19,95 Euro beim Gütersloher Verlag), darin sind die gepackten Koffer fotografiert und dazu ein Brief der Person abgedruckt, die den jeweiligen Koffer gepackt hat.
Ich kenn nur das Buch und finde es auch sehr bewegend. Wusste gar nicht, dass es die Ausstellung noch gibt. Dann muss ich vielleicht auch mal wieder nach München fahren…
Liebe Grüße!
Diedasmeerliebt
Sabrina
Liebe Kassiopaie,
danke für diesen ganz tollen Einblick.
Ich bin auch ganz gerührt. Und ich denke gerade fest an meine Freundin, die vor zwei Wochen ging. Was sie wohl mit genommen hat?
Ganz liebe Grüße,
Sabrina
Dani
Wow, das hört sich mehr als interessant und berührend zugleich an… Leider ist München ein wenig weit weg vom hohen Norden und in meinem schwangeren Zustand (am 12.11. ist Termin) leider auch wohl nicht mehr zu schaffen, um die Ausstellung zu sehen… Aber ich habe gleich mal das Buch gegoogelt – Danke für den Tipp, diedasmeerliebt!!! Ist vielleicht nicht ganz so wie wenn man das auf der Ausstellung sieht, aber immerhin!!!!
Weber74
geniale idee mit dieser kofferausstellung. es ist quasi ein gefundenen fresen für alle die fernweh haben und für alle neugierigen unter uns. ich werde sie mir auf jedenfall anschauen.
Frau Sakura
Hmmm, ich hoffe, es geht Ihnen und der Familie gut. Vermutlich ist das echte Leben gerade bloß sehr erfüllend :) Aber ein wenig sorgen macht man sich ja schon.
Liebe Grüße!
Claudia
Hallo,
ja sehr empfehlenswert die Ausstellung.
Wenn ich es schaffen würde, würde ich nochmal dafür nach München fahren.
@Pienznäschen: das hatte ich damals auch, als ich gefragt wurde, ob ich an dem Kunstprojekt teilnehmen wolle. Daher habe ich mich entschieden mich mit dem Thema weiter auseinanderzusetzen.
kassiopeia
Liebe Frau Breu,
ich finde es unheimlich schön, dass Sie sich hierher verirrt haben. Mich hat die Ausstellung so unheimlich berührt und auch gerade ihre Geschichte und ihr Koffer. Nachdem in den letzten Monaten in unserer Familie soviel passiert ist, ist der Tod einfach sehr großes Thema geworden. Daher fand ich die Ausstellung auch so großartig! Und hier verewigt habe ich alles Notizen des Abend, darunter auch Ihre Worte. Ich hoffe, dass das in Ordnung ist mit Namen.
Vielen Dank und alles Gute!