Ängste

Als Tom geboren war, gesellte sich zu meinem Leben eine Angst. Die Angst, einem der Kinder
könne etwas zustoßen, nur weil ich nicht in der Lage wäre, alle drei gleichzeitig zu retten. Diese
Angst bekam ein Gesicht an einem Nachmittag als Noah den Karlsberg zurück runter rannte
und ich nicht sofort hinterher konnte, weil ich Tom im Kinderwagen vor mir her schob und keine
Möglichkeit sah, den Kinderwagen abzustellen ohne sicher zu sein, der Wagen würde nicht
umkippen. So schnell ich konnte hatte ich damals den Wagen hoch, ums Eck auf gerader Ebene
abgestellt, hatte die Bremse rein gelegt und war gerannt so schnell ich konnte…
Jetzt wo Ben geboren ist -und ich kann es nicht mal schreiben ohne zu weinen, hab ich Angst, dass
ich plötzlich sterben könnte und meine vier Kinder ohne Mutter aufwachsen zu wissen. Ich fühle
mich dabei egoistisch, weil ich das Gefühl habe, meine grösste Angst müsste noch immer sein,
meinen Kinder könnte etwas zustoßen, aber ich kann im Augenblick nur noch daran denken,
wie schrecklich das wäre und welche Angst ich habe, sie allein zu lassen. Es nimmt mir die Luft
und ich sollte an etwas anderes denken, aber ich kann nicht. Ich habe Angst etwas zu übersehen…

Heute liefen die Kinder zum zweiten Mal den Karlsberg zu dritt hoch, Hand in Hand. In der
Mitte der Kleinste, das kostbare Gut, dass die Regeln noch nicht so gut kennt. Ebenso wenig
wie Noah einst weiß, dass es nicht gut ist fast oben einfach umzudrehen und zu rennen- auf die
Strasse zu. In meinem Hals war ein dicker Kloß und ich hielt immerzu an um nach unten zu
sehen und zu schauen ob sie noch immer da sind: alle drei. Während ich Ben im Kinderwagen
den Berg hoch schob. Ich war wieder unheimlich stolz. Letzte Woche, beim ersten Lauf zu Dritt,
fiel Tom sogar hin, (-davor hatte ich Sorge, dass er hinfallen könnte und frustriert umkehren
würde wollen-) aber wie ich die Großen gebeten hatte, trösteten sie ihn und halfen ihm wieder
auf die Beine… Ein Anblick, unbeschreiblich. Es gibt Dinge, die können nur Kinder aus
Großfamilien von einander lernen.

Ich hab es zugelassen. Diese Angst. Heute, ein zweites Mal. Und ließ die Kinder laufen. Ich hatte
vorher mit ihnen geredet. Aber wie ich diese neue Angst annehmen soll, weiß ich noch nicht.
Sie ist einfach da. Und so präsent im Augenblick. Habe ich Angst meine Chance zu vertun eine
gute Mutter zu sein?

16 Kommentare

  • Maracaya

    Komisch, diese Angst zu sterben hab ich auch jetzt mit Kind zum ersten Mal gehabt. Bis jetzt habe ich das immer pragmatisch esehen: Bin ich tot, isses mir ja egal und die anderen werden zwar trauern, aber darueber hinweg kommen.

    Mit Kind aber… das hat ploetzlich eine ganz andere Dimension. Da ist jemand, der einen braucht. Das kaeme nicht so einfach drueber hinweg.

    Merkwuerdige Gedanken. Voellig fremd, ueberhaupt nicht in meine sonstige Gedankenwelt passend. Da fuer mich aber eh alles neu ist, kann ich das einfach als ein weiteres neues annehmen.

    Und Sie… wenn ich Sie so lese, glaube ich, dass Sie die Chance laengst vertan haben, die Chance zu vertun, eine gute Mutter zu sein – wie auch immer ;)

  • Silberpfeil

    Diese Angst begleitet michauch erst seit ich Kinder habe. Am abend im Bett vor dem Einschlafen schnürt sie mir den Hals zu und nimmt mir die Luft zum Atmen.

    Und bisher habe ich noch kein Mittel dagegen gefunden. Sie ist einfach immer da.

  • Janine

    Du, ich glaube auch diese Art von Angst ist ganz normal. Mir geht es nämlich genauso. Und das mit nur einem Kind.

    Und meine Mum wollte, nachdem sie mit Mastitis und Kindbettfieber (41,x°C) bei meinem Bruder damals dachte, dass es jetzt eh alles egal ist, Kind wäre versorgt und sie könne dann jetzt sterben, auch kein 2. Kind mehr. „Wenn das nochmal passieren würde – dann wären ja 2 Kinder mutterlos.“ Wenn sich mein Dad damals nicht durchgesetzt hätte, dann gäbe es mich heute nicht. Und meine Mum hätte immer noch keinen Enkel ;-)

    Die Angst ist da, man darf ihr nur nicht zu viel Raum geben. Man darf sie sich aber auch nicht verbieten.

    Und dass Du bereits eine gute Mutter bist, weißt Du immer noch nicht? Dann sage ich es Dir hiermit nochmal: DU BIST EINE GUTE MUTTER! ♥♥♥

    *drückdich*

  • olga

    Als ich unser 5. Kind erwartete überkamen mich auch plötzlich solche Ängste, ich könnte sterben und dieses Kind hiflos zurücklassen, auch für meinen Mann wäre die Belastung schwer. Ich hatte nicht Angst vor dem Tod, sondern Mitleid mit meinen Angehörigen und das sehr stark. Die Ängste legten sich langsam wieder und unsere Jüngste wird in einem Monat 20.
    Ich finde es so schön, wie du über deine Liebe zu deinen Kindern schreibst und wünsche euch allen viel Freude miteinander.
    Liebe Grüße
    Olga

  • eva

    gut, dass du sie anschaust, die angst. welche mama kennt das nicht?
    aber auch hier: da wächst du rein.
    was meinst du, wie es sich anfühlt, wenn du dein kind allein auf den weg zur schule schickst?
    ich darf gar nicht daran denken, wenn samuel an unserer ecke wartet, bis ich ihn aufsammel, was alles passieren könnte?? bald kann er zum neuen haus laufen, aber im moment muss ich ihn immer mit dem auto bringen und abholen. damit er aber trotzdem selbständig ist, geht er die hälfte des schulweges bis zur kreuzung, an der ich ankomme.

    aber das ist die kunst: den kindern etwas zuzutrauen. nur daran werden sie wachsen. und du auch :)
    lg eva

  • Sleepthief

    Egoismus konnte ich in keines Deiner Worte herauslesen. Ich denke, wenn Dir etwas zustößt und die Kinder sind alle, ist damit auch den Kindern etwas zugestoßen. Insofern geht es Dir hier in erster Linie um die Kinder, und nicht um Dich. Klar, man kann diese Angst vielleicht nicht ganz ausschalten. Und man wird zu einem gewissen Part auch damit leben müssen. Was aber nicht passieren darf ist, dass man wegen dieser Angst so sehr verkrampft. Auf diese Weise würde man sicher auch viele kaputt machen.
    Ich habe noch keine Kinder (obwohl es langsam mal an der Zeit wäre). Kann Deine Sorgen aber gut verstehen. Sie legen sich wieder, wenn man nach und nach Situationen gemeistert hat. Vier Kinder sind eine Herausforderung. Doch man wächst daran. Und das wünsche ich Dir auch. Du schaffst das! :)

  • josili

    Sieh es als das was es ist: ein Schutzmechanismus für uns Mütter. Wir müssen auf uns aufpassen, schliesslich werden wir noch gebraucht. Daher diese Angst, die vorsichtig und umsichtig macht, dieser 6. Sinn. Ich glaube fest daran. Und ich merke auch, wie man langsam wieder entspannt, je älter und selbständiger die Kinder werden ;-) Du machst das schon gut so ;-)

  • Steffi

    Wie sehr sprechen Sie mir aus der Seele. Und ich muss diese Angst einfach völlig aus meinem Leben verbannen, denn mein Kind wird definitiv einmal ohne mich sein. Diese Vorstellung lässt einen manchmal gar schreckliche Dinge denken. Das was es mir so schwer macht, ist einzig die Gewissheit daran, dass sie dann nicht sprechen kann um sich mitzuteilen, dass sie es vielleicht gar nicht versteht, warum ich nicht mehr da bin und ich nicht weiß, ob sie dann jemanden hat, der sich genau so um sie kümmert und sie lieben wird, wie ich es jetzt tue.
    Aber wie gesagt, wie denken möglichste nicht daran und schieben diesen Gedanken weg, hoffen, dass sich alles fügt und unsere Tochter sicher in die Zukunft gehen wird. Auch, wenn wir nicht mehr da sind.

  • PaulaQ

    Es tut gut, das hier zu lesen! Mich plagen solche Ängste auch manchmal, und ich habe mich noch nie getraut, sie auszusprechen! Mir ist es oft ganz unwohl, wenn ich alleine (bin ich ja fast nie) oder nur mit einem Teil der Kinder im Auto unterwegs bin….demletzt habe ich auch den Jüngsten zum Mittagsschlaf ins Bett gelegt und bin mit dem Mittleren (der Vater der Kinder war zu Hause) zum Schuhekaufen gefahren, und dabei zuckte mir der Gedanke:“Vielleicht sehen wir uns jetzt zum letzten Mal, vielleicht komme ich nicht wieder…“ durch den Kopf. Ich hab ich ganz schnell zur Seite geschoben. Und hab gedacht, ich bin eine blöde Kuh. Aber seit wir Kinder haben, ist der Tod irgendwie näher gerückt…und ganz besonders seit der Kleinste mit gerade mal 14 Monaten einen heftigen Fieberkrampf hatte (da dachte ich tatsächlich, das Kind stirbt in meinen Armen….). Nun, wie man ja hier in den Kommentaren lesen kann, plagen solche Gedanken tatsächlich viele von uns Müttern…
    Und Sie scheinen mir nun mal gar keine Rabenmutter o.ä. zu sein! Ihre Energie und Nerven würde ich gerne haben! Ich hätte niemals den Mut zu einem weitern Kind, ich bin mit den drei Jungs manchmal fast überfordert….und Sie haben vier so kleine Muggels und schreiben hier immer so liebevoll über diese kleinen Menschen! Machen Sie weiter so, Sie und die Kindelein werden den Weg durchs Leben sicherlich gut gemeinsam meistern!
    Viele Grüße von der Alb!

  • Klabauter

    Lassen Sie mich durch, ich bin Arzt!

    Meine allerliebste Kassiopeia, alles gut und schön, die Sorgen, die Ängste kennen wir alle. ABER, die Geschichte mit Ihrem Tod ist doch Quatsch. Das wissen Sie ja selbst. Das eigentlich Interessante ist doch, dass Sie so weinen müssen dabei. Das da was raus will. Ich diagnostiziere daher: akute Überanstrengung, seelischer Schwächeanfall angesichts des bevorstehenden Umzugs (ein Berg, der erklommen werden will).

    So, hier ein zwei drei Taschentücher, ordentlich ausheulen, aber so richtig, dann ab ins Bett. Es wird schon. Und Sie werden sehen, sobald der Berg geschafft ist, wird es auch wieder besser gehen!

  • DasDanny

    *liebdrueck* ach Mensch, diese Ängste kenn ich auch. Sie kommen und sie gehen, sind mal weniger mal mehr stark….

    Ganz viele liebe Grüße
    DasDanny :-)

  • agichan

    ähm. nein!??

    kennst du folgendes gedicht? „morgend uns abends zu lesen“ vom herrn brecht -> http://www.yolanthe.de/lyrik/brecht04.htm
    dieses gedicht wurde im rahmen meiner (unsrer) kirchlichen trauung gelesen. ich finde es ganz wunderbar. (aber das ist bekanntlich geschmackssache)
    aber auch dieser kluge mann wusste, dass die sorge um sich selbst nichts, aber auch gar nichts mit egoismus zu tun hat. im gegenteil. es ist meines erachtens sogar selbstloser als die sorge um die person selbst. ich glaube auch nicht, dass du – wie du sagst – angst davor hast deine chance zu vertun eine gute mutter zu sein. du kannst sie nicht vertun, du bist schon eine. überhaupt glaube ich nicht, dass du so denkst. dass es darum geht. natürlich ist es quatsch. das weisst du auch. aber wenn du die ängste schon nicht auf logischem wege beiseite schieben kannst, dann hab wenigstens keine gewissensbisse wegen ihnen! kein egoismus, klar?
    und ansonsten würd ich klaubauters weg vorschlagen. ;)
    *drück dich*

  • kassiopeia

    @agichan: Doch ich habe Angst. Sehr große sogar. Gerade in diesen Wochen, wo alles so unheimlich kompliziert
    scheint und ich gereizt bin. Ich kann mich erinnern, dass ich diese Gefühle auch in den letzten Schwangerschaftswochen
    hatte und immer dachte, dass es ja bald besser werden würde… Soviel dazu. Ich habe große Angst, meinen Job nicht
    gut genug zu machen und in den entscheidenden Momenten das falsche zu tun und meine Kinder zu verletzen, gerade
    jetzt in diesen Wochen. Aber es sind wohl zwei verschiedene Ängste…

  • agichan

    was heisst für dich denn bitte „gut genug“? wenn du damit etwas in richtung „perfekt“ meinst, dann solltest du unbedingt lernen, dass „gut“ nicht ansatzweise was mit „perfekt“ zu tun hat. das kann es nicht und soll es auch gar nicht. ich finde es nämlich durchaus auch wichtig für kinder zu lernen, dass ihre eltern eben gerade nicht perfekt sind. dass auch sie nur menschen sind und fehler machen. und dass sie diese fehler erkennen, annehmen und zurückrudern. sich im zweifel sogar bei ihren kindern (!) für ihr verhalten entschuldigen (!).
    wenn du aber von diesem perfektionismus absiehst, dann schau dir deine kinder an. schau, wie wundervoll sie sind. (und das kann ich aus vollster überzeugung sagen, immerhin hab ich sie kennengelernt ;)) schau, wie toll sie miteinander umgehen, wie klug sie sind, was sie alles können, wieviel lob sie auch aus nichtmuttermündern bekommen. das sollte dir beweis genug sein, dass du es mit sicherheit „gut genug“ gemacht hast.
    bestimmt wird es das geben, dass du eines deiner kinder mal verletzt, unnötig streng reagierst oder genervt oder sonst irgendwie mehr oder weniger unangemessen, aber das werden deine kinder sehr gut wegstecken. die basis bei euch stimmt und um das zu zerstören müsste schon verdammt viel kommen. mit einem schnauzer zu viel kann man das, was ihr habt, nicht kaputt machen. nicht einmal ankratzen. dafür ist sie viel zu stabil. glaub nicht, dass kinder furchtbar verletzliche kleine pflänzchen sind, die beim leisesten windhauch eingehen. das sind sie nicht. sie sind sogar verdammt robust. eine gestresste mutter auf zeit jedenfalls ist nichts, was sie nicht überstehen und verzeihen könnten. und wie gesagt, ich glaube sogar, dass kinder davon profitieren, wenn eben nicht immer alles wie im bilderbuch ist. aber selbst wenn du andrer meinung bist: schaden wirst du ihnen damit ganz, ganz sicher nicht.

    du bist zweifelsohne „gut genug“. *drück*