„Just because I’m losing, Doesn’t mean I’m lost“ (Miscarriage)

Diese Termine sind die Türen zur Vorhölle. Alles was da ist an Selbstbeherrschung und Schutz wird herauf beschworen für diese Minuten. Ich hatte keine Angst, mein Arzt ist ein entspannter, mit dem kann man gut Warten, auf Kinder überm Termin, eine Hausgeburt und jetzt eine kleine Geburt… Ich musste nicht mal lange warten, kaum saß ich, wurde mein Name aufgerufen und gleich auf den Stuhl, viel zu bereden gibt es ohnehin nicht, die Zyste ist immer noch zwei Zentimeter groß und der Rest meiner guten Hoffnung, verliert weiter an Form und wird absorbiert vom Gewebe, was überhaupt nicht schön klingt, es im Grunde auch nicht ist, aber für mich ist es in dieser Situation eben etwas Gutes… Absurd, aber so ist es nun mal…
Ich hätte an dieser Stelle gehen sollen, einfach durch die große, schwere Tür zum Fahrstuhl. Aber ich wollte einen neuen Termin ausmachen, in zwei Wochen, wenn wir aus dem Urlaub mit Oma zurück sein werden… aber nicht am 6.11. am Geburtstag der Großen, das auf keinen Fall. Natürlich hat die Arzthelferin nur an diesem Tag noch einen Termin für mich, aber ich verweigere mich… also bekomme ich doch noch einen am Nachmittag, am 9.11. Es ist zwar eine blöde Uhrzeit, aber irgendwie wird es schon gehen. Ob sie es mir aufschreiben soll, fragt sie? Und ich sage ja, und sie fragt wie letzte Woche schon nach dem Mutterpass. Den ich nicht habe, wie ich ihr erneut sage, weil ich immer noch eine Fehlgeburt habe. Ich bin gewappnet, diesen Satz hatte ich letzte Woche schon gehört. Ich halte das aus. Sie notiert den neuen Termin auf einen kleinen Zettel, lächelt mich an und wünscht mir eine gute Zeit… und innerlich bröckelt alles dahin… ich zerbreche… und man sieht es nicht… Ich springe nicht über den Tresen, ich falle in mir zusammen…

Täglich mache ich meine Arbeit, ich beantworte Lehrerpost, die ich gerade jetzt nicht bekommen möchte, ich bestelle fällige Kleidung, pflegte das Glühwürmchen, stillte wie ein Weltmeister, weil sie es brauchte, ich mache meinen Job jeden Tag, verkrieche mich nicht… und dann haut es mich doch um…

Wie letzte Woche… ein kurzer Austausch mit einer Freundin und ich bleibe zurück mit blutender Brust, verwundet, manchmal trifft es mich wie ein Blitzschlag völlig unvorbereitet, dass ich nicht sehen werde, wie das Herz unseres Babies schlägt, ich werde nie fühlen wie sich das kleine unbekannte Wesen in meinem Bauch bewegt, es sich dreht, niemals werde ich etwas für deine Ankunft vorbereiten, ich werde nichts extra nur für dich tun, nie deine Wärme auf meiner Haut spüren, dich nicht lächeln sehen, nicht sehen wie du wächst und ich werde niemals die Chance haben mich auch nur mit dir zu streiten… Ich liebe dich und du fehlst mir schrecklich!

Mittlerweile in der zehnten Schwangerschaftswoche, es fiel mir anfangs schwer es so zu betrachten, aber für Frauen wie mich gibt es keine andere Zeitform… Für all das ist im Alltag kein Platz, keine Zeit für diese Gedanken, kein Raum, ich bräuchte etwas zum Festhalten und da ist nichts. Erdrückender Kummer umschließt gerade mein Herz, manchmal habe ich das Gefühl daran zu ersticken. Und ich warte und warte- alles was ich diesem Kind noch geben kann, ist der Versuch eine Geburt zu ermöglichen, die es verdient hat. Ein Kind, dass wieder dem Tod näher war, als der Geburt. Alles verkehrt herum. Kinder die sterben, ehe sie geboren werden. Hätten wir einen Grabstein wären Stern und Kreuz verdreht… ich warte… und atme… morgen bestimmt wieder etwas leichter, die Wunde muss wieder heilen, sie wurde heute brutal aufgerissen, aber ich bin am Boden aufgekommen, ich kann jetzt wieder aufstehen und das Aufschreiben hilft mir dabei…

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