Ein Jahr hinter sich lassen


Der letzte Tag des Jahres ist angebrochen, das Jahr 2023 geht zu Ende. Ich ging mit mulmigen Gefühl nach Mitternacht ins Bett, fragte mich mit welchen Emotionen ich dieses Jahr verlassen würde und was mich wohl 2024 erwartet. 

Dachte daran, dass ich vor 365 Tagen einen Post verfasst habe, wie fordernd das Jahr 2022 gewesen war und das Jahr davor ebenso. Dachte mit Schrecken daran, wie sehr mehr mich dieses Jahr 23 gefordert hat als das davor und ob das jetzt auf immer so weiter geht?- Ein Jahr „toppt“ das Nächste?!

Vor einem Jahr schrieb ich von meinen Grenzen, die ich überschritten hätte. Und dieses Jahr verlangte noch einmal mehr, nahm mir soviel, Grenzen wurden noch einmal mehr nach hinten verschoben.
Am 31.12.2022 hatte ich positiv getestet. Hazel machte sich auf den Weg zu uns. 2023 sollte aber nicht das Jahr werden, in dem ich ein gesundes Baby im Arm halten würde. Mein Mann verlor zwei Mal seine Arbeitsstelle. Ich gebar allein ein kleines Mädchen, das nicht mehr lebte und zusammen verabschiedeten und bestatteten wir es als Familie. Sechs Wochen später war mein Mann sechs Wochen nicht bei uns, sondern zur Reha. Sechs Wochen emotionaler Ausnahmezustand. In diesen sechs Wochen habe ich zwei weitere Mal positiv getestet. Auf der Fahrt zur Ostsee in den Pfingstferien allein mit allen neun Kindern, den Weg den ich dennoch nahm auch ohne den Mann, hatte ich wirklich Sorge, ich würde vor lauter (Abbruch-) Bluterei umkippen. Und ich konnte nicht ausfallen, alle verliessen sich auf mich und ich spürte diese Verantwortung allein so sehr, hatte solche Angst.

Und was hätte ich bloss ohne meine Kinder gemacht? All die Zauberminuten mussten neben dem Unschaffbaren ausreichen, um weiter zu machen. Ich musste eben auch funktionieren. So wie sich kurz vor Weihnachten alle darauf verlassen haben, dass ich das schon schaffe, inklusive mir selbst.

Ich kann nicht in Worte fassen, wie große Angst ich habe, dass mit dem Baby in meinem Bauch jetzt noch etwas passiert. Ich kann heute Morgen mit dem runden Babybauch unter der Dusche stehen, meine eine Tochter schrecklich vermissen und gleichzeitig solche Angst haben, dass mir dieses Mädchen hier auch noch genommen wird. Zwischen Hoffnung, dass ich dieses Baby soweit gesund im Arm halten werde können und der Angst, mir wird wieder der Boden unter den Füßen weggezogen. Ich habe mich so oft in diesem Jahr allein gefühlt, hoffnungslos und verzweifelt. Also wenn ich an 2024 denke, bin ich nicht wirklich sorglos und ausschliesslich hoffnungsvoll, ich bete einfach nur inständig darum, dass es nicht so schlimm oder gar schlimmer wird als dieses Jahr hier. Ich hab solche Angst um die Menschen, die ich liebe und bin parallel einfach nur erschöpft. So sehr. 

Zeitgleich sind viele schöne Dinge passiert, mein erstgeborenes Kind hat seine Fachoberschule geschafft, eine Lehre begonnen, mein Zweitgeborener jemanden Besonderes kennen gelernt, mein Drittgeborener den ersten Schulabschluss geschafft und hat auch eine Stelle für sich gefunden. Wir haben die Kranken gut begleitet, der Mann hat einen guten Weg eingeschlagen und wir arbeiten auch nach bald 20Jahren Ehe noch an unserer Beziehung, auch das ist so wertvoll.
Das Jahr 23 startete in den Weihnachtsferien für den Mann und zwei Kinder mit einem Kurztrip nach Amsterdam und gleich anschliessend fuhr ich mehr als spontan mit vier Kleinen eine Nacht nach Garmisch und zeigte bei schönsten Sonnenschein den Kindern, alles was ich liebe: die Zugpsitze, den Eibsee und die Partnachklamm, wir sprangen ins Abenteuer und in den Pool. Anton hatte seine zweite OP, nach dem Armbruch, um das Metall wieder zu entfernen. Der Mann fuhr mit dem ältesten Kind nach Berlin für eine Kinopremiere. Wir hatten auch weitere Kurz-Auszeiten. Das große Kind war in Prag. Ich war in Berlin meine Schwester nach der Geburt besuchen und habe meinen gesunden Neffen im Leben begrüssen dürfen, meinen Papa traf ich dort auch und später an der Ostsee. Ich war zuvor aus Versehen ganz kurz in Paris, das große Kind zur Twitchcon begleiten. Wir waren für zwei Nächte in einem Familienhotel in Garmisch mit sieben Kindern als der Mann zurück war als „teambildende“ Maßnahme. Wir haben soviel mit den Kindern unternommen und hoffentlich viele schöne Erinnerungen geschaffen, auch und gerade als ich allein mit ihnen war, war mir das wichtig. Ein wenig Stabilität und Normalität bieten in Sturmzeiten. Henry begann nach den Sommerferien holprig und mit vielen Fehltagen mit dem Kindergarten und so hatten der Mann und ich nach 19 Jahren das erste Mal die eine oder andere Stunde am Vormittag ganz allein ohne Kinder. Wir sind jetzt das dritte Mal an der Ostsee in diesem Jahr.

Der Mann und ich wurden 40Jahre alt, beide Male waren wir zwei Nächte weg aber in der Nähe in Garmisch, auch wenn weiterhin krankheitsbedingt eng verbunden mit zu Hause. Der Mann war nochmal öfter weg in seinem Job. Ich war nach der Beerdigung eine Nacht weg und als der Mann wieder da war- ganz allein, zu versuchen mich zu sortieren, hat nur mässig geklappt. Wir haben viel gemeistert, die Kinder begleitet durch Höhen und Tiefen. Ich habe eine kleine Weiterbildung geschafft. Lebe mit der Trauer und atme. Für all die Gefühle ist zwischen den Zeilen hier am Ende gar kein Platz, dafür gibt es kaum Worte. Denn trotz allem Schönen, liegt eben bleiern eine Decke über allem in diesem Jahr, wenn diese im kommenden Jahr leichter werden würde, wäre das schön.
Ich verlasse das Jahr 2023 traurig. Abschied von diesem Jahr nehmen heisst, noch einmal Abschied nehmen von Wünschen, Träumen und Hoffnungen, noch einmal mehr Distanz zu einem Kind, das nicht leben durfte und gleichzeitig weiter gehen, mit einem Wunder im Bauch, das wir über Alles lieben und hoffen auf ein anderes, ein leichteres Jahr, voller Glück, Gesundheit und Liebe. 

Ein Kommentar

  • Tina

    Ich wünsche Dir von Herzen, dass es das wird; ein leichtes Jahr. Voller Glück. Gesundheit und Liebe.
    Die Liebe ist auf alle Fälle da. Immer.
    Alles andere wünsche ich Euch sehr.

    Danke, dass Du uns teilhaben lässt.
    Du gehörst dazu. Soviele Jahr schon und nun auch
    ein weiteres.
    Ich freue mich drauf.

    Liebe Grüße und eine Umarmung
    Tina